A. BGH-Urteil vom 15.03.2024 - V ZR 115/22, NJW 2024, 2301.
I. Fragestellung
Im vorliegenden Urteil beschäftigt sich der BGH im Kern mit der Frage, ob ein Grundstückskaufvertrag unwirksam ist, wenn die Parteien eine Unterprotokollierung (Unterverbriefung) des Kaufpreises vorgenommen haben.
Der Beklagte (B) verkaufte der Klägerin (K) mit notariellem Vertrag eine Wohnungs- und Teileigentumseinheit; in dem Vertrag erklärten die Parteien zugleich die Auflassung. Als Kaufpreis wurde ein Betrag von 120.000 € beurkundet. Tatsächlich war ein Preis von 150.000 €vereinbart. Den nicht mit beurkundeten Differenzbetrag von 30.000 € hatte die K dem B bereits vor dem Beurkundungstermin in bar gezahlt. Nach Zahlung des restlichen Kaufpreises von 120.000 € an den B wurde die K als Eigentümerin in das Grundbuch eingetragen.
Ist der Kaufvertrag wirksam?
II. Antwort
In der Klausur müssten sie zunächst sauber aufzeigen, dass zwischen den verschiedenen Kaufverträgen sauber zu differenzieren ist und sodann sollten bezüglich des dissimilierten Kaufvertrags die Anknüpfungspunkte für die Unwirksamkeit sauber dargelegt werden.
1. Kaufvertrag in Höhe von 120.000 €
Der beurkundete Kaufvertrag mit einem Kaufpreis von 120.000 EUR war nicht gewollt und als Scheingeschäft nach § 117 Abs. 1 BGB nichtig. Dies war unproblematisch und sollte sodann in der Klausur ganz knapp dargelegt werden.
2. Kaufvertrag in Höhe von 150.000 €.
Der gewollte, lediglich mündlich geschlossene Vertrag mit einem Kaufpreis von 150.000 EUR gem. §§ 117 Abs. 2, 311b Abs. 1 S. 1, 125 S. 1 BGB war zunächst formnichtig. Der Formmangel wurde aber durch die in dem notariellen Vertrag erklärte Auflassung und die Eintragung der K in das Grundbuch gem. § 311b Abs. 1 S. 2 BGB geheilt.
3. Nichtigkeit des Kaufvertrags in Höhe von 150.000 € aus anderen Gründen.
Die Heilung bezieht sich bloß auf die Nichteinhaltung der Form. Daher war sodann zwingend zu prüfen, ob andere Unwirksamkeitsgründe zur Nichtigkeit des Vertrags führen können. Hier war insbesondere auf die §§ 134, 138 Abs. 1 BGB einzugehen, bei der Prüfung in der Klausur ist das Konkurrenzverhältnis zu berücksichtigen und daher vorrangig auf § 134 BGB einzugehen.
a. Unwirksamkeit wegen § 134 in Verbindung mit § 370 AO?
„Wird der Kaufpreis bei der Beurkundung eines Grundstückskaufvertrags in der Absicht, Steuern zu hinterziehen, niedriger angegeben als mündlich vereinbart (sog. Schwarzgeldabrede), ist der Vertrag nach der ständigen Rechtsprechung des Senats, die bereits auf die Rechtsprechung des RG zurückgeht in der Regel nicht nichtig. Anders liegt es nur, wenn die Steuerhinterziehungsabsicht alleiniger oder hauptsächlicher Zweck des Rechtsgeschäfts ist; dies ist jedoch regelmäßig nicht der Fall, wenn der Leistungsaustausch, das heißt die Verpflichtung des Verkäufers zur Übertragung des Grundstücks und die Verpflichtung des Käufers zur Zahlung des Kaufpreises, ernstlich gewollt ist. Diese Rechtsprechung steht in Einklang mit der ständigen Rechtsprechung anderer Senate des BGH, nach der ein Vertrag, mit dessen Abwicklung eine Steuerhinterziehung verbunden ist, nur dann nichtig ist, wenn die Steuerhinterziehung den Hauptzweck des Vertrags bildet.“
Steht diese Rechtsprechung nicht im Widerspruch zu den zwischenzeitlich ergangenen Entscheidungen des VII. Zivilsenats des BGH zu Verstößen gegen das Gesetz zur Bekämpfung der Schwarzarbeit und illegalen Beschäftigung (Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz – SchwarzArbG)?
Der BGH verneint einen Widerspruch und begründet dies umfassend. Im Kern stellt er fest, dass die Unwirksamkeit in den oben genannten Fällen auf die Regelung und den Zweck von § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 SchwarzArbG gestützt wird. Hier liegt jedoch ein Verstoß gegen § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO vor. Der Schutzzweck dieser Norm liegt aber – anders als beim Verbot der Schwarzarbeit – nicht (auch) in dem Schutz des redlichen Wettbewerbs, etwa dem Schutz anderer Kaufinteressenten, sondern allein in der Sicherung des staatlichen Steueraufkommens. Dieser Zweck erfordert es nicht, dem Grundstücksgeschäft selbst die Wirksamkeit zu versagen. Darin liegt ein entscheidender Unterschied zum Zweck und der Zielrichtung des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes.
b. Unwirksamkeit wegen § 139 BGB
Denkbar wäre auch die Annahme der Unwirksamkeit des gesamten Kaufvertrags über § 139 BGB. Nach dem Grundgedanken dieser Vorschrift soll niemand gezwungen sein, bloß an einem Teil eines gewollten Rechtsgeschäfts festhalten zu müssen, obwohl der andere gewollte Teil unwirksam ist. Allerdings verneint der BGH die Gesamtnichtigkeit des Kaufvertrags auch bei Annahme der Unwirksamkeit der Schwarzgeldabrede. Dies insbesondere daher, weil davon auszugehen ist, dass die Parteien den Kaufvertrag auch ohne die Schwarzgeldabrede geschlossen hätten. Dabei kann dahinstehen, ob, wie in der Literatur teilweise vertreten wird, die isolierte Nichtigkeit der Schwarzgeldabrede bei Grundstückskaufverträgen zur Gesamtnichtigkeit des Kaufvertrags führt, wenn die bezweckte Steuerhinterziehung die Preisbildung wesentlich beeinflusst hat. Denn dies ist vorliegend nicht der Fall.
Hinweis
Insoweit war der oben dargestellte Sachverhalt etwas verkürzt. In der Klausur würde man Ihnen ausdrücklich mitteilen, dass die Parteien auch ohne die Schwarzgeldabrede am Geschäft festgehalten hätten.
c. Unwirksamkeit wegen § 138 Abs. 1 BGB?
Grundsätzlich käme eine Unwirksamkeit wegen Sittenwidrigkeit nur in Betracht, wenn die Steuerhinterziehung beabsichtigter Hauptzweck des Vertrags wäre. Dies war vorliegend gerade nicht der Fall.
Hinweis
Die Prüfung sollte in der Klausur auch bloß hilfsweise erfolgen. So ist § 134 BGB schon die speziellere Vorschrift und § 138 Abs. 1 BGB daneben nicht anwendbar, sofern keine über den Verstoß gegen das Verbotsgesetz hinzutretenden Umstände bei der Würdigung Berücksichtigung finden können.
III. Ergebnis
Der Kaufvertrag über 150.000 € ist wirksam geschlossen worden.
Vertiefung:
Vertiefung
§ 849 BGB (analog)
Im Originalfall des BGH ging es nur inzident um die Wirksamkeit des Kaufvertrags. Der BGH musste sich im Ausgangspunkt mit der Frage beschäftigen, ob K einen Anspruch auf Zustimmung zur Löschung eines nach dem Abschluss des Kaufvertrags mit Bewilligung des K eingetragenen Widerspruchs gegen dessen Eintragung als Eigentümer gegen B hat. Bezüglich dieser Prüfung ergaben sich folgende ergänzende Probleme:
1. Umfasst § 894 BGB auch die vorliegende Konstellation. Hier bejaht der BGH die entsprechende Anwendung der Vorschrift.
2. Zu prüfen war sodann die dingliche Rechtslage. Die Übereignung stellt ein an sich neutrales Geschäft dar. Eine Unwirksamkeit aus § 370 AO ergibt sich insoweit nicht.
3 Den unter Ziff. 2 dargestellten Befund prüft der BGH nicht ausdrücklich und geht sogleich auf die Fallgruppe der sogenannten Fehleridentität ein. Hier prüfte der BGH inzident die oben dargestellten Inhalte. Allerdings stellt der BGH am Ende des Urteils (Rn. 28) selbst fest, dass die Fallgruppe der Fehleridentität im vorliegenden Fall ohnehin recht offensichtlich nicht vorlag. Insoweit stellt eine solche Konstellation eine Herausforderung für die Klausur dar. Machen Sie sich folgenden Aspekt klar:
Bei der Bearbeitung dieser Aufgabenstellung müssten Sie die Wahrung des Trennungs- und Abstraktionsprinzips besonders berücksichtigen und dies in den Formulierungen sauber aufzeigen. Daher böte es sich an, zuerst die unmittelbare Unwirksamkeit des dinglichen Rechtsgeschäfts anhand der konkreten Verbotsgesetze zu prüfen. Erst dann sollte auf die Fehleridentität eingegangen werden.
B. BGH-Urteil vom 04.06.2024 - X ZR 81/23, MDR 2024, 966 ff.
I. Fragestellung
Im vorliegenden Fall musste sich der BGH mit der Frage nach den Anforderungen einer Bestellmaske beschäftigen. Ein Verbraucher buchte über eine Online-Plattform ein Probeabonnement (Prime-Mitgliedschaft) über 30 Tage, welches im Fall der unterbliebenen Kündigung mit einer Jahresgebühr von ca. 70 € fortgeführt werden sollte. Daneben buchte er eine Reise, welche aufgrund der Mitgliedschaft günstiger erworben werden konnte. Während im Rahmen des Bestellprozesses die Informationen über die Vertragskonditionen recht umfangreich erfolgten, enthielt die abschließende Aufzählung, die mit dem „jetzt kaufen“ Button gebucht werden sollte, nur die Aufzählung der Reisepreise (Flug, Unterbringung usw.) nebst Rabatt. Nach Ablauf der Widerrufsfrist und des Probeabonnements wurden vom Konto des Verbrauchers aufgrund der erteilten Einzugsermächtigung 70 € abgebucht. Dieser wendet sich gegen die Abbuchung und ist der Ansicht, dass der Vertrag über das Abonnement nicht wirksam zustande gekommen sei.
II. Antwort(en)
In der Klausur wäre es wichtig, § 312j BGB zu finden und dessen Anwendbarkeit sauber zu prüfen. So muss zunächst geklärt werden, ob der Vertrag über das Abonnement wirksam zustande gekommen ist. Dies ist daher fraglich, da diese Position beim „jetzt kaufen“ Button nicht angeführt war.
Die Anspruchsgrundlage ergibt sich vorliegend aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB.
Hinweis
Sollte man sich auf den Standpunkt stellen, dass kein Bewusstsein für die Erteilung eines Abbuchungsauftrags auch über die 70 € vorläge, wäre auch § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB abzustellen.
Der erste Schwerpunkt einer Klausur bestünde in der Prüfung des Rechtsgrundes. Zunächst müsste das Probeabonnement sauber rechtlich eingeordnet werden, dieses ist als Vertrag sui generis einzuordnen. Entscheidend ist sodann, ob der Vertrag wegen § 312j BGB unwirksam ist. Hier sollte kurz die Frage aufgeworfen werden, ob überhaupt ein zahlungspflichtiger Vertrag im Sinne von § 312j Abs. 2 BGB vorliegt. Dies bejaht der BGH, da zumindest der sich dem Probezeitraum anschließende Zeitraum entgeltpflichtig ist. Die Voraussetzungen der §§ 310 Abs. 3, 13, 14 Abs. 1, 312i Abs. 1 S. 1 BGB liegen im Übrigen unproblematisch vor, womit die Pflichten aus § 312j Abs. 3 BGB begründet wurden.
Im Hinblick auf den Bestellbutton gilt es sodann insbesondere zwei Aspekte anzusprechen. Zum einen die Frage, ob die Formulierung „jetzt kaufen“ auch auf die vorliegenden Vorgänge passt und zum anderen, ob alle Leistungen im Überblick (auch abschließend!) angeführt werden müssen. Der BGH sieht die Formulierung als umgangssprachliche und im allgemeinen Rechtsverkehr für Buchung der Leistung i.w.S. bekannte Formulierung als zulässig an. Problematisch ist jedoch die fehlende Auflistung der jeweiligen Leistungen (siehe oben). Hier ist insbesondere der Zweck der Regelung zu berücksichtigen. So soll der Verbraucher in räumlich, zeitlich engen Zusammenhang ersehen können, dass und wofür er eine zahlungspflichtige Bestellung abgibt. Hierfür ist bei mehreren Leistungen oder Verträgen eine deutliche Klarstellung nötig, dass alle Verträge mit Anklicken des Buttons abgeschlossen werden. Der BGH misst dieser Vorschrift einen ähnlichen Charakter zu Formvorschriften bei. Andere Stimmen in der Literatur stellen hier auf die Sicherstellung des Geschäftswillens ab. Unbeachtlich der konkreten Einordnung, sind die notwendigen Anforderungen an die Bestellmaske nicht gewahrt worden und der Vertrag demnach nach § 312j Abs. 4 BGB unwirksam.
Sodann ist zu prüfen, ob dem B etwaige Gegenansprüche zustehen (zweiter Schwerpunkt). So könnten ihm Ansprüche aus der allgemein Leistungskondiktion zustehen, welche zu saldieren wären. Der BGH stellt hier maßgeblich auf den Schutzzweck der Norm (§ 312j BGB) ab und sieht diesen mit einer Wertersatzpflicht aus dem Bereicherungsrecht als nicht vereinbar an! So bestehen dem Unternehmer von vornherein keine Ersatzansprüche, um den Schutzzweck der Norm nicht zu gefährden. Andere Stimmen in der Literatur lösen den Fall an dieser Stelle ein wenig anders. So wird teilweise darauf abgestellt, dass der kostenlose Zeitraum und der kostenpflichtige Zeitraum des Abonnements getrennt betrachtet werden müssen. So ist das Probeabonnement von § 312j Abs. 2 BGB gar nicht erfasst und die Leistung (reduzierter Reisepreis) nicht ohne Rechtsgrund erfolgt. Andere korrigieren das Ergebnis über § 242 BGB und stellen klar, dass auch bei Zuerkennung eines Wertersatzes dem Grunde nach eine Reduktion des Reisepreises auch bei fristgemäßer Kündigung erfolgt wäre und daher kein Anspruch des Unternehmers bestünde.
In der Klausur wäre es schön, wenn Sie insoweit ebenfalls differenziert ausführen würden.
Hinweis
Ein Anspruch aus culpa in contrahendo darf ebenfalls kurz geprüft werden. So kann § 312j Abs. 3 BGB als Unterfall der Nebenpflichtverletzung angesehen werden. Allerdings ist nicht ersichtlich, dass die mangelhafte Ausgestaltung der Bestellmaske kausal für den Schaden geworden ist.