A. BGH-Urteil vom 6.03.2024 - VII ZR 79/22, NJW - RR 2024, 564
I. Fragestellung
Im vorliegenden Urteil beschäftigt sich der BGH mit der Frage, ob eine sog. Quotenabgeltungsklausel in einem Wohnraummietvertrag wirksam vereinbart werden kann.
Im streitgegenständlichen Mietvertrag waren folgende Klauseln enthalten:
„§ 2. Schönheitsreparaturen.
Zwischen dem Mieter (dem Vormieter) und dem Vermieter wurde bei Vertragsabschluss des Mietvertrags vom 29.5.2015 individuell vereinbart, dass der Mieter die laufenden Schönheitsreparaturen und auch anteilige Schönheitsreparaturkosten trägt, wenn bei Beendigung des Mietverhältnisses Schönheitsreparaturen noch nicht fällig sind.
§ 3. Mindestvertragslaufzeit.
2. Wird die Wohnung zurückgegeben, bevor die Schönheitsreparaturen fällig sind, verpflichtet sich der Nachmieter für das Entgegenkommen des Vermieters nochmals hinsichtlich der Verkürzung der Mindestlaufzeit auch anteilige Kosten für die Schönheitsreparaturen – einschließlich voraussichtlicher Mehrwertsteuer – entsprechend dem Kostenvoranschlag des Vermieters oder eines vom Vermieter eingeholten Kostenvoranschlags eines Fachbetriebs oder eines Bauingenieurs zu zahlen, die dem Grad der durch sie erfolgten Abnutzung der jeweiligen Teilbereiche der Wohnung entsprechen. (…)“
Im Vertragsformular wurde dem Mieter gestattet auf die Klausel zu verzichten und anstelle der Regelung 80 € mehr an Miete zu zahlen.
II. Antwort
Der BGH unterscheidet zunächst nach der Art der Abrede und stellt klar, dass eine individualvertragliche Abrede grundsätzlich zulässig ist.
Insbesondere verstößt eine solche Abrede nicht gegen § 556 Abs. 4 BGB. Dieser Ausschluss erfasst nur Betriebskosten gemäß § 556 Abs. 1 BGB. Bei der Vereinbarung der quotalen Abgeltung von Schönheitsreparaturen, die zum Zeitpunkt der Beendigung des Mietverhältnisses noch nicht einmal fällig seien, handelt es sich offensichtlich weder um die Vereinbarung der Grundmiete noch um die Abwälzung von Betriebskosten im Sinne des § 556 Abs. 1 BGB. Demnach wäre eine individualvertragliche Vereinbarung dem Grunde nach zulässig. Allerdings ist von einer solchen vorliegend nicht auszugehen.
Allein der Umstand, dass der Vermieter der Mieterin Wahlmöglichkeit zwischen der Übernahme der Schönheitsreparaturen und der Zahlung einer um 80 € niedrigeren Miete einerseits sowie einer höheren Mietzahlung bei Nichtausführung von Schönheitsreparaturen andererseits eingeräumt hat, reicht nach Vorstehendem nicht ohne Weiteres für ein Aushandeln im Sinne des § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB und damit für das Vorliegen einer wirksamen (individualvertraglichen) Quotenabgeltungsklausel aus.
Fraglich ist, ob eine solche Klausel als AGB wirksam wäre. Dies verneint der BGH. Eine solche Klausel ist gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unangemessen und unwirksam, weil sie von dem Mieter bei Vertragsschluss verlangt, zur Ermittlung der auf ihn bei Vertragsbeendigung zukommenden Kostenbelastung mehrere hypothetische Betrachtungen anzustellen, die eine sichere Einschätzung der tatsächlichen Kostenbelastung nicht zulassen (Bestätigung von Senatsurteil vom 18. März 2015 - VIII ZR 242/13, BGHZ 204, 316 Rn. 24).
Im soeben in der Fußnote genannten Urteil waren folgende Erwägungen leitend, um die Unbestimmtheit der künftigen Kostenbelastung anzunehmen:
Denn es ist für den durchschnittlichen und verständigen Mieter bei dem für die Beurteilung maßgeblichen Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht erkennbar, welcher tatsächliche Abnutzungsgrad der Wohnung bei Beendigung des Mietverhältnisses, dessen Zeitpunkt bei Vertragsschluss noch nicht feststeht, unter Zugrundelegung seines (möglicherweise Veränderungen unterworfenen) individuellen Nutzungsverhaltens erreicht sein wird. Aber nicht nur der tatsächliche Zustand der Wohnung bei Vertragsende ist für den Mieter bei Vertragsschluss nicht einschätzbar. Um eine Kostenquote ermitteln zu können, ist darüber hinaus die empirische Prognose notwendig, zu welchem Zeitpunkt bei unterstellter gleicher Nutzungsart und gleicher Nutzungsintensität voraussichtlich Renovierungsbedarf eintreten wird. Quotenabgeltungsklauseln verlangen vom Mieter daher bei Vertragsschluss seine bei Beendigung des Mietverhältnisses bestehende Zahlungspflicht auf Grund eines in der Zukunft liegenden, auf mehreren Variablen beruhenden hypothetischen und damit fiktiven Sachverhalts einzuschätzen. Derartige Bestimmungen benachteiligen den Mieter nach § 307 I 1 BGB unangemessen und sind unwirksam.
B. BGH-Urteil vom 15.3.2024 – V ZR 115/22, BGH NZM 2024, 513
I. Fragestellung
Der BGH beschäftigt sich im vorliegenden Urteil mit der Frage, ob die Schwarzgeldabrede bei einem Grundstückskauf zur Unwirksamkeit des schuldrechtlichen und dinglichen Rechtsgeschäfts führt.
In diesem Fall verkaufte der Beklagte (B) im Jahr 2021 der Klägerin (K) mit notariellem Vertrag eine Wohnungs- und Teileigentumseinheit; in dem Vertrag erklärten die Parteien zugleich die Auflassung. Als Kaufpreis wurde ein Betrag von 120.000 € beurkundet. Tatsächlich war ein Preis von 150.000 € vereinbart. Den nicht mit beurkundeten Differenzbetrag von 30.000 € hatte die K dem Beklagten bereits vor dem Beurkundungstermin in bar gezahlt. Nach Zahlung des restlichen Kaufpreises von 120.000 € an den B wurde die K als Eigentümerin in das Grundbuch eingetragen. Nachdem der B gegenüber dem Finanzamt eine Selbstanzeige im Hinblick auf seine Mitwirkung bei der Verkürzung der Grunderwerbsteuer erstattet und das Finanzamt die Grunderwerbsteuer für den gesamten Kaufpreis festgesetzt hatte, führten die Parteien Gespräche über die Wirksamkeit des Kaufvertrags und dessen Rückabwicklung. Im Zuge dessen beantragte und bewilligte die K auf Verlangen und zu Gunsten des B die Eintragung eines Widerspruchs gegen ihre Eintragung als Eigentümerin in das Grundbuch. Der B überwies daraufhin einen Betrag in Höhe von 120.000 € auf das Treuhandkonto eines Notars, welcher den Betrag an die K auszahlte, obwohl der B noch nicht wieder als Eigentümer in das Grundbuch eingetragen worden war.
Hat K einen Anspruch auf Zustimmung zur Löschung des Widerspruchs aus dem Grundbuch gegen B?
II. Antwort
Der BGH bejaht einen Anspruch des K aus § 894 BGB und stellt klar, dass die Vorschriften entsprechend auf den eingetragenen – materiell unrichtigen – Widerspruch. Die Eintragung des Widerspruchs ist daher fehlerhaft, da K Eigentümer des Grundstücks ist.
Die Übertragung des Eigentums ist wirksam erfolgt. Dem steht die Schwarzgeldabrede im Rahmen des schuldrechtlichen Vertrags nicht entgegen. Die Eigentumsübertragung wäre nur dann unwirksam, wenn der schuldrechtliche Vertrag unwirksam wäre und diese Unwirksamkeit gleichsam die Verfügungsebene erfassen würde. Daran fehlt es vorliegend. So ist nach Ansicht des BGH die Schwarzgeldabrede nicht unwirksam, der schuldrechtliche Vertrag (insg.) nicht unwirksam und daher kommt ein „Durchschlagen“ der Unwirksamkeit auf die dingliche Ebene von vornherein nicht in Betracht.
Der Vertrag über 120.000 € ist jedoch gemäß § 117 Abs. 1 BGB nichtig. Dieser Vertrag wurde nur zum Schein geschlossen. Der Kaufvertrag über 150.000 € ist gem. §§ 117 Abs. 2, 311b Abs. 1 Satz 1, 125 Satz 1 BGB ist formunwirksam. Allerdings ist die Formunwirksamkeit gem. § 311b Abs. 1 S. 2 BGB geheilt worden.
Hinweis
Daher kam es im Hinblick auf diesen Mangel auf § 139 BGB nicht an.
Auch eine Unwirksamkeit aus § 134 BGB i.V.m. § 370 AO lehnt der BGH ab. Er zeigt dabei, dass ein Widerspruch zu den Fällen der Schwarzgeldabrede im Rahmen des Werkvertrags nicht besteht. Dort ist die Annahme der Gesamtnichtigkeit des (schuldrechtlichen) Vertrags die Regel. Liegt objektiv ein Verstoß gegen § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 SchwarzArbG vor und hat die andere Partei (subjektives Element) den Verstoß gekannt und diesen zum eigenen Vorteil ausgenutzt, ist der Vertrag insgesamt unwirksam. Dies auch unabhängig davon, ob eine anfängliche oder nachträgliche Schwarzgeldabrede vorlag.
Dies stellt auch keinen Widerspruch zur obigen Ablehnung der Nichtigkeit als Rechtsfolge dar. § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 SchwarzArbG verfolgt spezifische Ziele. So soll die Schwarzarbeit möglichst umfassend verhindert werden; auch intendiert die Vorschrift den Schutz der wirtschaftlichen Ordnung und des redlichen Wettbewerbs. Die (harte) Nichtigkeitsfolge dient hier maßgeblich den genannten Zielen. Diese sind § 370 AO nicht derart inhärent, sodass die Rechtsfolge der Unwirksamkeit nicht derart naheliegt und vom BGH im Ergebnis abgelehnt wird.
Auch lehnt der BGH die bloße Nichtigkeit der Schwarzgeldabrede ab und erteilt – teilweise prominenten – Ansichten in der Literatur insoweit eine Absage. Im vorliegenden Fall insbesondere auch daher, da die Schwarzgeldabrede zu keinen wesentlichen (ersichtlichen) Modifikationen des Vertrags geführt hat.
Hinweis
Auch erfolgt die Unwirksamkeit nicht aus § 134 BGB in Verbindung mit § 16a Abs. 1 S. 1 GwG. Das Geldwäschegesetz gilt nur für Verträge ab dem 1.4.2023.
Die Unwirksamkeit des Vertrags folgt ebenfalls nicht aus § 138 Abs. 1 BGB. Anders liegt es nur wenn die Steuerhinterziehungsabsicht alleiniger oder hauptsächlicher Zweck des Rechtsgeschäfts ist; dies ist jedoch regelmäßig nicht der Fall, wenn der Leistungsaustausch, d.h. die Verpflichtung des Verkäufers zur Übertragung des Grundstücks und die Verpflichtung des Käufers zur Zahlung des Kaufpreises, ernstlich gewollt ist.
Hinweis
Im Urteil trennt der BGH die Ausführungen zu § 134 BGB nicht ganz sauber von denjenigen zu § 138 Abs. 1 BGB ab. Dies sollte in der Klausur jedoch sauber erfolgen. Insbesondere mit Blick auf die Spezialität von § 134 BGB gegenüber § 138 Abs. 1 BGB.