Die zwei Aktenzeichen sind dadurch zu erklären, dass es sich ursprünglich um zwei verschiedene Verfahren gehandelt hatte. Ramelow persönlich wehrte sich im Wege der Verfassungsbeschwerde gegen das letztinstanzliche Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, das seine Beobachtung für rechtmäßig hielt. Die Instanzengerichte (VG Köln / OVG NRW) sahen dies zum Teil zuvor anders.
Daneben bemühte die Fraktion der Linkspartei ein Organstreitverfahren gegen die Bundesregierung, da sie sich durch die verfassungsschutzliche Beobachtung in ihren organschaftlichen Rechten verletzt sieht. Alle Anträge des Organstreitverfahrens verwarf das Gericht bereits in der Zulässigkeit. Insbesondere mangelte es der Fraktion an der Antragsbefugnis. Im Weiteren soll daher nur noch der Ausgang der Verfassungsbeschwerde interessieren.
Das Bundesverfassungsgericht stellt zunächst klar, dass sich ein Abgeordneter im Wege der Verfassungsbeschwerde auf Art. 38 Abs. 1 GG berufen kann. Dies resultiere aus § 90 Abs. 1 BVerfGG, der Art. 38 GG ausdrücklich als grundrechtsähnliches Recht benennt. Dennoch sei eine Verfassungsbeschwerde unzulässig, wenn sich ein Abgeordneter mit einem anderen Verfassungsorgan um Verfassungsrecht streiten würde, da die Verfassungsbeschwerde kein Mittel zur Austragung von Meinungsverschiedenheiten sei. In diesem Fall ginge es aber um den Schutz von Individualrechten eines Abgeordneten, der auch von Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 a GG mitumfasst sei.Nach der Erschöpfung des Verwaltungsrechtsweges konnte sich der Abgeordnete daher zulässigerweise mit der Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts wehren. Der Streit betrifft nicht das Verhältnis des Abgeordneten zu einem anderen Verfassungsorgan, sondern die Frage nach der Eingriffsberechtigung des Staates in die Rechte eines Abgeordneten durch eine Gefahrenabwehrbehörde.
Materiell rechtlich hatte das Gericht zu entscheiden, ob die Beobachtung eines frei gewählten Abgeordneten des Bundestags durch den Verfassungsschutz ein verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigter Eingriff in die Rechtstellung des Abgeordneten ist. Diese wird durch Art. 38 Abs. 1 und Abs. 2 GG statuiert und wird als die "Freiheit des Mandats" bezeichnet.
Zunächst bejaht das Gericht, dass die Beobachtung eines Abgeordneten durch die Verfassungsschutzbehörden, ein Eingriff in Art. 38 Abs. 1 und Abs. 2 GG darstellt. Zum Schutzbereich führt das Gericht aus:
"Das freie Mandat gemäß Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG gewährleistet die freie Willensbildung des Abgeordneten und damit auch eine von staatlicher Beeinflussung ferie Kommunikationsbeziehung zwischen dem Abgeordneten und den Wählerinnen und Wählern sowie die Freiheit des Abgeordneten von exekutiver Beobachtung, Beaufsichtigung und Kontrolle. Dies gilt über Art. 28 Abs. 1 GG auch für die Mitglieder der Volksvertetungen der Länder."
Letzere Bezugnahme auf das Homogenitätsgebot und die Erstreckung auf die Landesparlamentarierer war der Tatsache geschuldet, dass streitgegenständlich auch die Beobachtung von Ramelow als Landtagsabgeordneter in Frage stand.
Die systematische Sammlung und Auswertung öffentlich zugänglicher -ohne den Einsatz von Methoden der heimlichen Beschaffung erlangter- Informationen, auch wenn diese nicht digitalisiertb sind, stellt einen Eingriff in die Mandatsfreiheit dar. Die Mandatsfreiheit ist jedoch nicht schrankenlos gewährleistet. Eine verfassungsschutzliche Beobachtung kann daher verfassungsrechtlich zulässig sein, wenn es eine Rechtsgrundlage gibt, die dem Gesetzesvorbehalt genügt. Zudem muss sie im Interesse des Schutzes der freiheitlichen demokratischen Grundordnung erfolgen. Die Beobachtung selbst unterliegt dann den strengsten Verhältnismäßigkeitsanforderungen. Nachdem das Gericht dies abstrakt herausgearbeitet hat, prüft es den konkreten Fall.
Zunächst bejaht es die grundsätzliche Möglichkeit der Beobachtung. Die Normen des Verfassungsschutzgesetzes über die Befugnisse des Amtes (§ 8 Bundesverfassungsschutzgesetz) finden auch gegenüber Abgeordneten Anwendung. Dies ergebe sich auch aus der Gesetzeshistorie. Nach 8 Abs. 5 Bundesverfassungsschutzgesetz muss die Beobachtung dabei verhältnismäßig sein. Für Abgeordnete bedeutet dies, dass die Behörden die Wertung des Art. 38 Abs. 1 GG bei ihren Maßnahmen zu berücksichtigen haben.
Im konkreten Fall sei die jahrelange Beobachtung von Ramelow unverhältnismäßig gewesen. Ihm selbst seien sowieso nie verfassungsfeindliche Bestrebungen zur Last gelegt worden, sondern nur gewissen Teile der Partei, der auch Ramelow zugehörig ist. Die Sammlung und Auswertung parlamentarischer Drucksachen sei zudem ein unverhältnismäßiger Eingriff in den besonders geschützten Bereich des Art. 46 Abs. 1 GG. Weitere mögliche Grundrechtsverletzungen prüft das Gericht nicht mehr.
So geht ein jahrelanger Rechtsstreit mit der Erkenntnis zu ende, dass die langjährige Beobachtung des Abgeordneten Ramelow durch den Verfassungsschutz verfassungswidrig war. Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts wurde aufgehoben und der Rechtsstreit wieder an dieses verwiesen.