Der BGH (Beschluss v. 12.07.2016, 3 StR 157/16 – abrufbar unter www.bundesgerichtshof.de) hatte sich mit folgendem Sachverhalt zu befassen:
A, B und 3 weitere Mittäter suchten den geschädigten X in seiner Wohnung auf, um ihn wegen eines Vorfalls zur Rede zu stellen. Dabei trug A einen Teleskopschlagstock und ein weiterer Mitangeklagter einen Elektroschocker bei sich. In der Wohnung setzen sie X auf einen Stuhl und umzingelten ihn. Während sie aggressiv auf ihn einredeten, stand A mit dem deutlich sichtbaren Schlagstock in der Hand vor ihm. Im Laufe der Auseinandersetzung erhielt X schließlich von einem der anderen Mittäter einen Stromstoß versetzt und wurde von B ins Gesicht geschlagen. Als er aufstehen wollte, trat A mit dem Schlagstock drohend auf ihn zu, so dass er zurückwich. Jetzt kam B auf die Idee, „die Wohnung leer zu machen“, was von allen begeistert aufgegriffen wurde. Während B zusammen mit 2 anderen Mittätern Wertgegenstände zusammensuchte, verblieb A mit einem anderen Mittäter bei X und forderte diesen aus, Portemonnaie und Handy herauszugeben, was X auch tat. Allen war bewusst, dass X aufgrund der vorangegangenen Tätlichkeiten keinen Widerstand leistete, da er Angst vor weiteren Misshandlungen hatte. Sie erkannten, dass die körperlichen Übergriffe als Drohung fortwirkten. Zusammen mit den aufgefundenen Gegenständen verließen sie dann die Wohnung.
A und B haben sich zunächst der gemeinschaftlich begangenen gefährlichen Körperverletzung gem. §§ 223, 224 I Nr. 2 und 4, 25 II StGB strafbar gemacht. Die mittels des Elektroschockers begangene Körperverletzung war gem. § 224 I Nr. 2 StGB qualifiziert, da ein Elektroschocker geeignet ist, je nach Intensität und Konstitution des Opfers eine erhebliche Körperverletzung herbeizuführen. Zudem handelten A und B jeweils mit einem anderen Beteiligen gemeinschaftlich gem. § 224 I Nr. 4 StGB.
Darüber hinaus könnten sich A und B auch des gemeinschaftlich begangenen Raubes gem. §§ 249, 25 II StGB strafbar gemacht haben, indem sie auf X einschlugen, ihn mit einem Schlagstock bedrohten und Wertgegenstände aus der Wohnung brachten.
Die Wertgegenstände sind für A und B fremde bewegliche Sachen. Diese wurden mit dem Entfernen aus der Wohnung auch weggenommen. Diese Wegnahme kann sowohl nach der Auffassung des BGH, der auf das äußere Erscheinungsbild abstellt, um den Raub von der räuberischen Erpressung abzugrenzen, als auch nach jener der Literatur, die eine Wegnahme im Falle einer Vermögensverfügung ablehnt, angenommen werden, da die Gegenstände tatsächlich weggetragen wurden und X in Ansehung der Übermacht und der Gewaltbereitschaft der Täter keine Entscheidungsmöglichkeit hatte, mithin also auch nicht durch ein „Dulden“ verfügte.
Hinweis
Hinsichtlich des Portemonnaies und des Handys könnte der BGH zusätzlich eine räuberische Erpressung annehmen, da diese Gegenstände herausgegeben wurden. A und B wurden aber insgesamt nur wegen Raubes bestraft, wohl weil eine tatbestandliche Handlungseinheit angenommen wurde und die verschiedenen Handlungen auf der Ebene des Raubes zusammengefasst wurden zu einer Tat.
Durch das Schlagen und den Stromstoß haben sie mittäterschaftlich Gewalt angewendet. Auch wenn der Stromstoß von einem anderen Mittäter ausgeführt wurde, handelten sie doch im Rahmen eines gemeinsamen Tatplans. Demnach sind auch die von B ausgeführten Schläge dem A zuzurechnen.
Allerdings wurde diese Gewalt zu einem Zeitpunkt ausgeübt, als A und B noch keinen Vorsatz im Hinblick auf die spätere Wegnahme hatten. Insoweit fehlt es also an einem subjektiv finalen Zusammenhang.
Die Gewalt könnte aber als Drohung fortwirken. Dafür spricht, dass A sich mit dem Schlagstock in der Hand vor X aufbaute, als dieser versuchte, auszustehen, woraufhin X sofort wieder zurückwich. Auch verblieb A in dieser drohenden Position zusammen mit einem anderen Mittäter, während B die Wertgegenstände zusammensuchte. Tatsächlich leistete X auch aufgrund seiner Angst vor weiteren Misshandlungen keinen Widerstand, was A und B bewusst war. Von daher kann eine konkludente Drohung mit der Fortsetzung der bisherigen Misshandlungen und damit ein Raubmitteln angenommen werden. Zwischen dieser Drohung und der Wegnahme kann auch der subjektiv finale Zusammenhang angenommen werden.
Da auch die anderen tatbestandlichen Voraussetzungen sowie Rechtswidrigkeit und Schuld bejaht werden können, liegt eine Strafbarkeit gem. §§ 249, 25 II StGB vor.
Eine darüber hinausgehende Qualifizierung des Raubes gem. § 250 II Nr.1 StGB hat der BGH aber überraschender Weise abgelehnt.
Zwar kann der Teleskopschlagstock recht unproblematisch unter den Begriff des gefährlichen Werkzeugs gefasst werden, dessen Definition bei § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB anders als bei Abs. 1 jener des § 224 I Nr. 2 StGB ähnelt (zum Überblick vgl. Kudlich, NStZ 2017, 27). Der BGH hat jedoch das „Verwenden“ dieses Schlagstocks abgelehnt. Dazu führt er folgendes aus:
„Eine Waffe wird nur dann im Sinne von § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB "bei der Tat verwendet", wenn der Täter sie als Raubmittel zweckgerichtet einsetzt, das Opfer die Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben mittels des Gegenstandes wahrnimmt und dadurch in die entsprechende qualifizierte Zwangslage versetzt wird …
Dass der Mitangeklagte … die Waffe zur Verwirklichung der raubspezifischen Nötigung verwendet hat, ist indes nicht festgestellt. Ein entsprechender zweckgerichteter Gebrauch des Schlagstockes scheidet nach den getroffenen Feststellungen vielmehr aus, da dessen Einsatz vor dem Entschluss der Angeklagten zur Wegnahme der Wertgegenstände des Geschädigten lag und zum Zeitpunkt der Entwendung bereits abgeschlossen war ….. Dass der Geschädigte weiterhin Angst vor einem nochmaligen Einsatz des Schlagstocks oder auch des Elektroschockgeräts hatte, ist insoweit nicht ausreichend, denn eine erneute, zumindest konkludente Drohung mit der Verwendung einer der Waffen nach dem Raubentschluss der Angeklagten ist nicht festgestellt.“
Wesentlich war demnach für den BGH, dass A den Schlagstock nicht „zweckgerichtet“ zur Begehung des Raubes eingesetzt hatte, sondern nur dessen Wirkung hatte fortwirken lassen. Eine derart konkludente Wirkung scheint nicht auszureichen für die Verwirklichung der Qualifikation. Diese restriktive Auslegung muss sicherlich vor dem Hintergrund des erhöhten Strafrahmens (mindesten 5 Jahre) verstanden werden, erstaunt aber, wenn man bedenkt, dass der Schlagstock eine erhebliche motivatorische Wirkung auf das Opfer hatte, weswegen u.a. die Drohung beim Raub bejaht wurde (kritisch zu dieser Entscheidung dann auch Kudlich NStZ 2017, 27).