Der Entscheidung des BGH (Urteil vom 25. Februar 2014, Az. VI ZR 144/13 – abrufbar unter www.bundesgerichtshof.de = NJW 2014, 2106 = MDR 2014, 525 = BeckRS 2014, 06951 (beck-online) = LSK 2014, 200822 (beck-online) lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Der Kläger (K) macht gegen die Beklagte (B) Schadensersatz wegen eines Überspannungsschadens geltend. Die B ist Betreiberin eines kommunalen Stromnetzes und stellt dieses den Stromproduzenten (Einspeisern) und Abnehmern zur Verfügung. Dazu transformiert sie den Strom auf eine andere Spannungsebene (Niederspannung). Der K ist mit seinem Haus an das Niederspannungsnetz der B angeschlossen.
Am 6. Mai 2009 gab es eine Störung der Stromversorgung im Wohnviertel des K. Nach einem Stromausfall trat in seinem Hausnetz eine Überspannung auf, durch die mehrere Elektrogeräte und die Heizung beschädigt wurden. Die Ursache für die Überspannung lag in der Unterbrechung von zwei sogenannten PEN-Leitern (PEN = protective earth neutral) in der Nähe des Hauses des K, über die sein Haus mit der Erdungsanlage verbunden war.
Steht dem K gegen B der geltend gemachte Schadensersatzanspruch wegen des Überspannungsschadens an seinen Elektrogeräten und der Heizung zu?
Anmerkung: Es ist davon auszugehen, dass B kein Verschulden trifft.
A. K könnte gegen B einen Schadenersatzanspruch wegen des Überspannungsschadens an seinen Elektrogeräten und der Heizung gemäß § 1 Abs. 1 ProdHaftG haben.
I. Rechtsgutsverletzung
Vorliegend wurden mehrere Elektrogeräte als auch die Heizung und damit das Eigentum des K beschädigt. Es handelt sich auch andere Sachen als das fehlerhafte Produkt. Mangels weiterer Sachverhaltsangaben, ist auch davon auszugehen, dass es K die Gegenstände überwiegend für den privaten Gebrauch genutzt hat, sodass die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 S. 2 ProdHaftG vorliegen.
II. Produkt i.S.v. § 2 ProdHaftG
Es müsste sich zunächst bei dem Strom um ein Produkt i.S.v. § 2 ProdHaftG handeln. Hiernach ist Produkt jede bewegliche Sache, auch wenn sie einen Teil einer anderen beweglichen Sache oder einer unbeweglichen Sache bildet, sowie Elektrizität. Zwar handelt es sich bei Strom nicht um eine bewegliche Sache, da es sich nicht um einen körperlichen Gegenstand handelt (vgl. § 90 BGB), jedoch wird Elektrizität ausdrücklich genannt in § 2 ProdHaftG. Mithin ist ein Produkt i.S.v. § 2 ProdHaftG gegeben.
III. Fehler i.S.v. § 3 ProdHaftG
Des Weiteren müsste ein Fehler i.S.v. § 3 ProdHaftG gegeben sein. Ein Produkt hat hiernach einen Fehler, wenn es nicht die Sicherheit bietet, die unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere seiner Darbietung, des Gebrauchs, mit dem billigerweise gerechnet werden kann und des Zeitpunkts, in dem es in den Verkehr gebracht wurde, berechtigterweise erwartet werden kann. Hier ist dies deshalb anzunehmen, da der gelieferte Strom (= Produkt) unzulässige Spannungs- und Frequenzschwankungen aufwies.
Hierzu führt der BGH aus: „Ein Produkt hat nach § 3 Abs. 1 ProdHaftG einen Fehler, wenn es nicht die Sicherheit bietet, die unter Berücksichtigung aller Umstände berechtigterweise erwartet werden kann. Abzustellen ist dabei nicht auf die subjektive Sicherheitserwartung des jeweiligen Benutzers, sondern objektiv darauf, ob das Produkt diejenige Sicherheit bietet, die die in dem entsprechenden Bereich herrschende Verkehrsauffassung für erforderlich hält [...]. Die nach § 3 Abs. 1 ProdHaftG maßgeblichen Sicherheitserwartungen beurteilen sich grundsätzlich nach denselben objektiven Maßstäben wie die Verkehrspflichten des Herstellers im Rahmen der deliktischen Haftung gemäß § 823 Abs. 1 BGB [...]. Dabei kann die Beachtung gesetzlicher Sicherheitsvorschriften oder die Befolgung technischer Normen, wie z.B. DIN-Normen oder sonstiger technischer Standards, von Bedeutung sein, wobei dies allerdings nicht bedeutet, dass ein Produkt bei Befolgung solcher Normen immer als fehlerfrei angesehen werden müsste [...].
Die Verordnung über Allgemeine Bedingungen für den Netzanschluss und dessen Nutzung für die Elektrizitätsversorgung in Niederspannung [...] (Niederspannungsanschlussverordnung – NAV [...]) konkretisiert in ihrem Anwendungsbereich die berechtigten Sicherheitserwartungen an das Produkt Elektrizität [...]. Gemäß § 16 Abs. 3 NAV hat der Netzbetreiber Spannung und Frequenz möglichst gleichbleibend zu halten; allgemein übliche Verbrauchsgeräte und Stromerzeugungsanlagen müssen einwandfrei betrieben werden können [...].
Danach liegt ein Verstoß gegen die berechtigten Sicherheitserwartungen in das Produkt Elektrizität jedenfalls dann vor, wenn eine Überspannung wie im Streitfall zu Schäden an üblichen Verbrauchsgeräten führt [...]. In diesem Fall ist der Bereich der Spannungsschwankungen, mit denen der Verkehr rechnen muss, nicht mehr eingehalten. Es wird allgemein angenommen, dass zumindest bei übermäßigen Frequenz- oder Spannungsschwankungen eine Haftung nach § 1 ProdHaftG ausgelöst werden [...].
Die Revision wendet ohne Erfolg ein, das Berufungsgericht habe nicht berücksichtigt, dass nach den Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen die redundante Auslegung des Niederspannungsnetzes der Beklagten dem Stand der Technik sowie der geübten Praxis in vielen deutschen Verteilungsnetzen entsprochen und die Anforderungen an die ausreichende Versorgungsqualität erfüllt habe. Denn abzustellen ist bei der verschuldensunabhängigen Haftung nach dem Produkthaftungsgesetz allein auf den Fehler des Produkts, nicht hingegen darauf, ob und ggf. welche Fehler dem Produktionsvorgang selbst oder den diesem nachfolgenden Prozessen anhafteten. Im Streitfall war das Produkt Elektrizität fehlerhaft, weil - wegen der Unterbrechung der beiden PEN-Leiter - eine übermäßige Überspannung auftrat. Offenbleiben kann, wie die von der Revision angesprochenen Fälle zu beurteilen sind, in denen die Unregelmäßigkeiten auf besondere Umstände wie etwa Naturgewalten zurückzuführen sind.“
IV. Herstellerin i.S.v. § 4 ProdHaftG
B müsste auch Herstellerin i.S.v. § 4 ProdHaftG sein. Hersteller ist gemäß § 1 Abs. 1 ProdHaftG, wer das Endprodukt, einen Grundstoff oder ein Teilprodukt hergestellt hat. Als Hersteller gilt auch jeder, der sich durch das Anbringen seines Namens, seiner Marke oder eines anderen unterscheidungskräftigen Kennzeichens als Hersteller ausgibt. Hier hat die B die Elektrizität durch Transformation auf eine andere Spannungsebene verändert. Mithin ist B Hersteller i.Sv. § 4 Abs. 1 S. 1 ProdHaftG.
Hierzu führt der BGH aus: „2. Die Beklagte ist als Herstellerin des fehlerhaften Produkts Elektrizität gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 ProdHaftG anzusehen.
a) Nach dieser Vorschrift ist Hersteller im Sinne des Produkthaftungsgesetzes, wer das Endprodukt, einen Grundstoff oder ein Teilprodukt hergestellt hat. Ebenso wie Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 85/374/EWG des Rates vom 25. Juli 1985 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Haftung für fehlerhafte Produkte [...] definiert § 4 Abs. 1 Satz 1 ProdHaftG weder den Begriff des Herstellens noch den Begriff des Herstellers direkt. Er bestimmt nur, wer dem Herstellerkreis haftungsrechtlich zugeordnet werden muss [...]. Wer im Einzelfall Hersteller des Produkts Elektrizität ist, ist im Wege einer richtlinienkonformen Auslegung des § 4 Abs. 1 Satz 1 ProdHaftG zu ermitteln [...]. Die Auslegung muss sich so weit wie möglich am Wortlaut und Zweck der Richtlinie ausrichten, um das mit der Richtlinie verfolgte Ziel zu erreichen [...]. In diesem Zusammenhang ist im Streitfall insbesondere zu berücksichtigen, dass die Richtlinie 85/374/EWG unter anderem das Ziel verfolgt, den Schutz der Verbraucher zu gewährleisten [...].
b) Zur Richtlinie 85/374/EWG hat der Europäische Gerichtshof unter Bezugnahme auf die Begründung des Richtlinienvorschlags vom 9. September 1976 [...] darauf hingewiesen, dass nach Abwägung der jeweiligen Rollen der verschiedenen in den Herstellungs- und Vertriebsketten tätig werdenden Wirtschaftsteilnehmer die Entscheidung getroffen wurde, die Haftung für durch fehlerhafte Produkte verursachte Schäden in der durch die Richtlinie geschaffenen rechtlichen Regelung grundsätzlich dem Hersteller und nur in einigen beschränkten Fällen dem Importeur und dem Lieferanten aufzubürden. Da der Lieferant in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle lediglich das gekaufte Produkt unverändert weitergibt und nur der Hersteller die Möglichkeit hat, auf die Qualität des Produktes einzuwirken, wird es als angebracht angesehen, die Haftung für fehlerhafte Produkte auf den Hersteller zu konzentrieren [...].
c) Bei der Auslegung des Herstellerbegriffs ist der enge Zusammenhang zu dem Produktbegriff des § 2 ProdHaftG zu berücksichtigen [...]. Der Herstellerbegriff setzt danach grundsätzlich das "Erzeugen eines Produkts" im Sinne des § 2 ProdhaftG voraus [...]. Nach der Begründung des Richtlinienvorschlags vom 9. September 1976 sind mit dem Begriff des Herstellers alle Personen gemeint, die in eigener Verantwortung an dem Prozess der Herstellung des Produkts beteiligt waren [...]. In diesem Sinne wird auch im vierten Erwägungsgrund der Richtlinie ausgeführt, dass es der Schutz des Verbrauchers erfordert, dass alle am Produktionsprozess Beteiligten haften, wenn das Endprodukt oder der von ihnen gelieferte Bestandteil oder Grundstoff fehlerhaft ist [...].
d) Hersteller ist demnach jeder, in dessen Organisationsbereich das Produkt entstanden ist [...]. Der Umkehrschluss aus der Lieferantenhaftung nach § 4 Abs. 3 ProdHaftG ergibt, dass die Herstellung vom Produktvertrieb bzw. Produkthandel abzugrenzen ist [...]. Für die Abgrenzung ist entscheidend, ob in die Produktgestaltung oder in eine wesentliche Produkteigenschaft eingegriffen wird oder ob eine im Vergleich mit dem Herstellungsprozess nur unerhebliche Manipulation am Produkt erfolgt [...]. Dabei kommt es insbesondere auf die sicherheitsrelevanten Eigenschaften des Produktes an [...]. Es kommt hingegen nicht darauf an, ob der Hersteller zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens des Produkts feststellbar war oder nicht. Dieser Gesichtspunkt kann allein für die Frage von Bedeutung sein, ob ein Lieferant gemäß § 4 Abs. 3 ProdHaftG wie ein Hersteller haftet [...].
e) Nach diesen Grundsätzen ist die Beklagte im Streitfall als Herstellerin des Produkts Elektrizität anzusehen. Dies ergibt sich bereits aus der Feststellung des Berufungsgerichts, dass die Beklagte als Betreiberin des Stromnetzes in W. Transformationen auf eine andere Spannungsebene, nämlich die sogenannte Niederspannung für die Netzanschlüsse von Letztverbrauchern, vornimmt. In diesem Fall wird - anders als bei einem reinen Lieferungs- oder Weiterverteilungsunternehmen - die Eigenschaft des Produkts Elektrizität durch den Betreiber des Stromnetzes in entscheidender Weise verändert, weil es nur nach der Transformation für den Letztverbraucher mit den üblichen Verbrauchsgeräten nutzbar ist. Folgerichtig wird auch im Schrifttum angenommen, dass in einem solchen Fall der "Lieferant" der Elektrizität mit der von ihm geänderten Eigenschaft als Hersteller anzusehen [...].“
V. Haftungsausschluss nach § 1 Abs. 2 Nr. 2 ProdHaftG
Fraglich ist, ob die Haftung des B wegen § 1 Abs. 2 Nr. 2 ProdHaftG ausgeschlossen ist. Hiernach ist die Ersatzpflicht des Herstellers ausgeschlossen, wenn nach den Umständen davon auszugehen ist, dass das Produkt den Fehler, der den Schaden verursacht hat, noch nicht hatte, als der Hersteller es in den Verkehr brachte. Das war hier jedoch abzulehnen, da der Strom nicht mit der Einspeisung in das Niederspannungsnetz in den Verkehr gebracht wurde, sondern dies erst mit der Belieferung des K über den Netzanschluss geschehen ist. Hier war die Elektrizität also schon fehlerhaft.
Der BGH führt hierzu aus: „3. Die Revision beruft sich auch ohne Erfolg auf den Haftungsausschluss nach § 1 Abs. 2 Nr. 2 ProdHaftG. Sie meint, das Berufungsgericht habe rechtsfehlerhaft nicht berücksichtigt, dass das Produkt Elektrizität zu dem Zeitpunkt, zu dem der Strom in das Niederspannungsnetz eingespeist worden sei, keine unzulässigen Spannungs- und Frequenzschwankungen aufgewiesen habe und damit nicht fehlerhaft gewesen sei. Damit setzt sie jedoch den Zeitpunkt des Inverkehrbringens zu früh an. Der Strom ist nicht mit der Einspeisung in das Niederspannungsnetz in den Verkehr gebracht worden, sondern erst mit der Belieferung des Klägers über den Netzanschluss. Zu diesem Zeitpunkt war das Produkt Elektrizität fehlerhaft.
a) Nach § 1 Abs. 2 Nr. 2 ProdHaftG ist die Ersatzpflicht des Herstellers ausgeschlossen, wenn nach den Umständen davon auszugehen ist, dass das Produkt den Fehler, der den Schaden verursacht hat, noch nicht hatte, als der Hersteller es in den Verkehr brachte. Der Begriff des Inverkehrbringens, den die Richtlinie nicht definiert, ist unter Berücksichtigung der Zielsetzung der Richtlinie und des mit ihr verfolgen Zwecks auszulegen. Die Fälle, in denen der Hersteller sich von seiner Haftung befreien kann (Art. 7 der Richtlinie), sind dabei im Interesse der durch ein fehlerhaftes Produkt Geschädigten eng auszulegen [...].
Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs setzt ein Inverkehrbringen voraus, dass das Produkt den vom Hersteller eingerichteten Prozess der Herstellung verlassen hat und in einen Prozess der Vermarktung eingetreten ist, in dem es in ge- oder verbrauchsfertigem Zustand öffentlich angeboten wird [...]. Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften und die Begründungen zum Entwurf des Produkthaftungsgesetzes haben eine Erläuterung des Begriffs des Inverkehrbringens nicht als erforderlich angesehen, weil sich der Begriff "aus seinem natürlichen Wortsinn von selbst verstehe[...]. Die amtliche Begründung zu § 1 ProdhaftG führt dazu aus, ein Produkt sei gewöhnlich in den Verkehr gebracht, wenn es in die Verteilungskette gegeben worden sei, also wenn der Hersteller es aufgrund seines Willensentschlusses einer anderen Person außerhalb seiner Herstellersphäre übergeben habe [...]. Diese Ansicht wird jedenfalls hinsichtlich des Endherstellers geteilt, weil aus seiner Perspektive ein Inverkehrbringen nur die Abgabe an den Handel oder an den Endverbraucher sein könne [...].
b) Bei der Übertragung dieser Grundsätze auf den Streitfall ist zu beachten, dass Art. 7 der Richtlinie 85/374/EWG im Unterschied zu deren Art. 11 eng auszulegen ist [...]. Zudem sind die Besonderheiten des Produkts Elektrizität zu berücksichtigen. Im Hinblick darauf liegt ein Inverkehrbringen des Produkts Elektrizität erst mit der Lieferung des von dem Netzbetreiber übergabefähig transformierten Stroms über den Netzanschluss an den Anschlussnutzer vor [...]. Denn aus der Niederspannungsanschlussverordnung ergibt sich, dass der Netzbetreiber gerade für die Stromqualität am Netzanschluss verantwortlich ist. Der Netzanschluss verbindet das Elektrizitätsversorgungsnetz der allgemeinen Versorgung mit der elektrischen Anlage des Anschlussnehmers. Er beginnt an der Abzweigstelle des Niederspannungsnetzes und endet grundsätzlich mit der Hausanschlusssicherung (vgl. § 5 NAV). Netzanschlüsse werden durch den Netzbetreiber hergestellt (§ 6 Abs. 1 Satz 1 NAV). Sie gehören noch zu den Betriebsanlagen des Netzbetreibers (§ 8 Abs. 1 Satz 1 NAV). Die Nutzung durch den Letztverbraucher mit den üblichen Verbrauchsgeräten beginnt mithin beim Netzanschluss und setzt einen fehlerfreien Strom zum Zeitpunkt der Entnahme des Stroms aus dem Elektrizitätsversorgungsnetz der allgemeinen Versorgung voraus. Nur dies wird den Interessen der durch die Richtlinie 85/374/EWG geschützten geschädigten Anschlussnutzer gerecht, für die entscheidend ist, dass ihnen eine fehlerfreie Elektrizität über ihren Stromanschluss zur Verfügung gestellt wird. Das Argument der Revision, der Herstellungsprozess "Umwandlung von Strom aus Mittelspannung in Niederspannung" sei mit der fehlerfreien Umspannung und Einspeisung in das Niederspannungsnetz abgeschlossen, greift zu kurz. Zwar qualifiziert - wie gezeigt - jedenfalls die Umspannung die Beklagte als Herstellerin im Sinne des Produkthaftungsgesetzes. Daraus folgt aber nicht, dass das Produkt Elektrizität mit Abschluss des Umspannungsprozesses auch ihre Sphäre als Herstellerin verlassen hätte. Denn ihre Verantwortung für die Qualität des gelieferten Stroms (vgl. § 16 Abs. 3 und 4, § 7 NAV) wirkt bis zum Zeitpunkt der Übergabe an den Anschlussnutzer weiter. Die Beklagte, welche dafür nach § 1 Abs. 4 ProdHaftG die Beweislast trägt, hat nichts dafür vorgetragen, dass zu dem nach den vorstehenden Ausführungen maßgeblichen Zeitpunkt ein fehlerfreies Produkt vorgelegen hat.“
VI. Haftungsausschluss wegen § 18 Niederspannungsanschlussverordnung (NAV)
Fraglich ist, ob eine verschuldensunabhängige Haftung wegen § 18 NAV ausgeschlossen ist. Hier ist jedoch festzustellen, dass der Norm keine Beschränkung der Haftung auf verschuldensabhängige Tatbestände entnommen werden kann.
Hierzu führt der BGH aus: „4. Das Berufungsgericht hat mit Recht und von der Revision unbeanstandet angenommen, dass die Vorschrift des § 18 NAV der Haftung der Beklagten nicht entgegensteht. Es hat zutreffend auf die Begründung der Niederspannungsanschlussverordnung hingewiesen, nach der § 18 NAV die Haftung der Netzbetreiber nach dem Produkthaftungsgesetz unberührt lässt [...]. Dementsprechend bezieht § 18 Abs. 1 Satz 1 NAV sich schon dem Wortlaut nach nur auf die Haftung aus Vertrag, Anschlussnutzungsverhältnis oder unerlaubter Handlung.“
VII. Rechtsfolge
Als Rechtsfolge ist Ersatz für die durch die Rechtsgutsverletzung verursachten Schäden an den Elektrogeräten und der Heizung zu leisten (§§ 7 ff. ProdHaftG, 249 ff. BGB). Gemäß § 11 ProdHaftG ist jedoch eine Selbstbeteiligung von 500 € abzuziehen.
VIII. Ergebnis
K hat daher im Ergebnis gegen B einen Schadenersatzanspruch wegen des Überspannungsschadens an seinen Elektrogeräten und der Heizung gemäß § 1 Abs. 1 ProdHaftG.
B. Ein Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 1 BGB scheidet jedenfalls aus, da B kein Verschulden trifft.
Anmerkung: Zur weiteren Vertiefung kann auf die Urteilsanmerkung von Schaub (LMK 2014, 357853 (beck-online) verwiesen werden. Darüber hinaus ist die Urteilsanmerkung von Oechsler (NJW 2014, 2080) interessant, der unter anderem auf die unterschiedlichen Voraussetzungen und Vor- und Nachteile von § 823 Abs. 1 BGB und § 1 ProdHaftG eingeht. Weitere Ausführungen zu diesem Thema finden Sie auch in unseren ExO`s und im GuKO ZR I. Eine Leseprobe aus unserem Skript finden Sie hier: http://www.juracademy.de/web/skript.php?id=37341.