Der Revisionsentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts liegt folgender Sachverhalt zu Grunde.Die muslimische Klägerin besucht in hessisches Gymnasium. In der Jahrgangsstufe 5 steht koedukativer Schwimmunterricht auf dem Stundenplan. Die Eltern stellten namens ihrer Tochter einen Befreiungsantrag nach § 69 Abs. 3 Hessisches Schulgesetz, wonach Schüler aus einem wichtigen Grund von Lehrveranstaltungen befreit werden können. Begründet wurde der Antrag damit, dass islamische Bekleidungsvorschriften es nicht erlauben würden, dass Mädchen und Jungen gemeinsam am Schwimmunterricht teilnehmen würden. Der Schulleiter lehnte den Antrag ab und verwies darauf, dass die Schülerin in einer Badekleidung am Schwimmunterricht teilnehmen könne, die den Vorgaben des Islam entsprechen würde. Die Klage vor dem VG und die Berufung vor dem VGH Kassel (NVwZ 2013, 159 ff.) blieben erfolglos.
Die hiergegen eingelegte Revision musste klären, ob der Klägerin ein grundrechtlicher Anspruch auf Befreiung vom koedukativen Schwimmunterricht zu steht. Die Grundrechte können den unbestimmten Rechtsbegriff des wichtigen Grundes im Befreiungsanspruch aus dem Schulgesetz ausfüllen. Das Bundesverwaltungsgericht entwickelt zunächst sehr ausführlich einen sehr breiten Prüfungsmaßstab, der grundsätzlich für ähnlich gelagerte Konstellationen wieder bemüht werden könnte. Einige Passagen klingen sehr nach einem Grundsatzurteil zu diesem Fragekomplex.
Zunächst stellt das Gericht fest, dass die Ablehnung eines Befreiungsantrags, der aus religiösen Motiven gestellt wurde, in den Schutzbereich des Art. 4 Abs. 1 GG eingreife. Umfasst sei auch das Recht des Einzelnen, sein gesamtes Verhalten an den Lehren des Glaubens auszurichten und im Alltag seiner Glaubensüberzeugung gemäß zu handeln. Die Teilnahme am koedukativen Schwimmunterricht greift vor diesem Hintergrund in die Religionsfreiheit ein. Danach bestimmt das Gericht sehr ausführlich den Prüfungsmaßstab, um die Entscheidung vorzubereiten:
Grundrechtlich ist die Religionsfreiheit vorbehaltlos, aber nicht schrankenlos gewährleistet. Es wird daher auf verfassungsrechtlicher Ebene durch das staatliche Bestimmungsrecht im Schulwesen nach Art. 7 Abs. 1 GG beschränkt. Beide Positionen stehen sich grundsätzlich gleichrangig gegenüber und müssen im Wege der praktischen Konkordanz in Einklang gebracht werden. Allerdings würde die Glaubensfreiheit auf erster Ebene durch die Eigenstzändigkeit der staatlichen Wirkungsbefugnisse im Schulbereich bereits relatviert. Dies resultiere aus der unerlässlichen "Integrationsfunktion" der Schule für die Gesellschaft und dem Erziehungsauftrag, verantwortungsvolle Bürger heranzubilden. Im Folgenden betont das Gericht, dass der Staat bei der Ausgestaltung des Unterrichts Neutralität und Toleranz vor allem in religiöser und weltanschaulicher Hinsicht zu wahren hat. Wörtlich heißt ed dann:
"Die Entscheidung über Inhalt und Modalitäten des Unterrichts ist dem Staat überantwortet, der im Gegenzug aber Gewähr dafür tragen muss, religiöse Positionen wenigstens nicht absichtsvoll zu konterkarieren."
Im Weiteren zeigt das Gericht auf, dass grundsätzlich Konfliktsituationen zwischen dem staatlichen Erziehungsauftrag und einzelnen Grundrechtspositionen entstehen können. Die Befreiung von einzelnen Unterrichtseinheiten darf aber nicht die routinemäßige Auflösung dieses Konfliktes sein, da ansonsten der staatliche Erziehungsauftrag nachrangig werden würde. Vielmehr müsste der Einzelne gewisse Beeinträchtigungen akzeptieren. Hierzu das Gericht:
"Ist die staatliche Pflicht zur Rücksichtnahme auf religiöse Belange aus Gründen der Praktibilität und insbesondere auch auf Grund der Integrationsfunktion der Schule im Prinzip begrenzt, so folgt hieraus für alle Beteiligte, dass sie in einem bestimmten Umfang Beeinträchtigungen ihrer religiösen Überzeugungen als typische, von der Verfassung von vornherein einberechnete Begleiterscheinung des staatlichen Bildungs- und Erziehungsauftrags und der seiner Umsetzung dienenden Schulpflicht hinzunehmen haben, d. h. nicht über das Recht verfügen, ihnen beliebig auszuweichen. Hierdurch ist zugleich sichergestellt, dass der staatliche Bildungs- und Erziehungsauftrag - der auch für die Schule im Grundsatz nicht disponibel ist - glleichmäßig gegenüber sämtlichen Schülern erfüllt wird."
Summierend stellt das Gericht zudem fest, dass Gründe der Glaubensfreiheit in aller Regel keine Unterrichtsbefreiung rechtfertigen und Ausnahmen auf das für den Grundrechtsschutz unerlässliche Maß beschränkt bleiben müssen. Des Weiteren führt es aus, dass auch nicht solche Unterrichtseinheiten von der Schulpflicht auszunehmen seien, die für den Einzelnen nur einen geringen Bildungsertrag bringen würden. Grundsätzlich seien alle Unterrichtseinheiten gleichbedeutend für den Erziehungs- und Bildungsauftrag und damit für die schulische Integrationsfunktion. In Hinblick auf einen möglichen Befreiungsanspruch stellt das Gericht ausdrücklich sehr hohe Hürden auf. Das religiöse Verhaltensgebot müsse aus Sicht des Betroffenen imperativen Charakter aufweisen. Für den konkreten Fall würde dies bedeuten, dass die Schülerin durch das Anziehen eines Burkinis die religiösen Verhüllungspflichten erfüllen könnte. Die Unterrichtsteilnahme im Burkini stelle für die Schülerin eine annehmbare Ausweichmöglichkeit dar. Zudem hält das Gericht den Burkini auch insoweit für sozialadäquat. Eine religiöse oder soziale Stigmatisierung sei nicht zu befürchten. Hierfür findet das Gericht zudem auch noch die folgenden klaren Worte:
"Allerdings muss derjenige, der auf die konsequente Umsetzung seiner religiösen Überzeugungen im Rahmen des Schulunterrichts dringt und von der Schule in diesem Zusammenhang Rücksichtnahme einfordert, seinerseits grundsätzlich akzeptieren, dass er sich hierdurch in eine gewisse, für andere augenfällig hervortretene Sonderrolle begeben kann. (...) Die Vorgabe der Herstellung praktischer Konkordanz im Einzelfall verlangt von allen Beteilgten die Bereitschaft, von einer optimalen Verwirklichung ihrer Anliegen Abstand zu nehmen und bis zun einer Grenze Nachteile in Kauf zu nehmen."
Im Weiteren erteilt das Bundesverwaltungsgericht der Klägerin auch eine Abfuhr auf ihren Vorschlag hin, zumindest monoedukativen Schwimmunterricht anzubieten. Nach ausführlicher Prüfung fällt die Entscheidung in Hinblick auf die kollidierenden Verfassungsgüter zu lasten der Klägerin aus. Ihre Revision ist somit im Ergebnis unbegründet.