Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die REWE-AG wollte den französischen Johannislikör Cassis de Dijon in Deutschland einführen. Dies verweigerte ihr die Bundesmonopolverwaltung für Branntwein, da der Likör nicht den nach dem Branntweinmonopolgesetz erforderlichen Mindestalkoholgehalt von 25 % aufwies. Die REWE-AG erhob daraufhin Klage gegen die Bundesmonopolverwaltung und berief sich dabei auf den freien Warenverkehr innerhalb der EG. Das zuständige Finanzgericht legte dem EuGH u.a. die Frage zur Vorabentscheidung vor, ob die gesetzliche Festsetzung eines Mindestalkoholgehalts eine Maßnahme gleicher Wirkung i.S.d. Art. Art. 30 EWGV (heute Art. 34 AEUV) darstellt.
Der EuGH setzte seine Dassonville-Rspr. konsequent fort und bejahte ein Hemmnis für den gemeinschaftlichen Binnenhandel, obwohl die Regelung unterschiedslos auf in- und ausländische Waren anwendbar war. Zugleich reagierte er auf das mit der Dassonville-Formel geschaffene Bedürfnis nach einer Erweiterung der Rechtfertigungsgründe. So stellte er fest, dass Handelshemmnisse dann hinzunehmen sind, wenn sie notwendig sind, um zwingenden Erfordernissen gerecht zu werden, insbesondere den Erfordernissen einer wirksamen steuerlichen Kontrolle, des Schutzes der öffentlichen Gesundheit, der Lauterkeit des Handelsverkehrs und des Verkehrsschutzes. Diese Aufzählung der zwingenden Interessen des Allgemeinwohls ist nicht abschließend und wurde später durch weitere Erfordernisse erweitert. Wichtig in diesem Zusammenhang ist, dass die ungeschriebenen Rechtfertigungsgründe nur für nicht diskriminierende Maßnahmen gelten, während offene oder versteckte Diskriminierungen nur nach Art. 36 AEUV zu rechtfertigen sind. Weiterhin gilt zu beachten, dass die auf ein zwingendes Gemeinwohlinteresse gestützte Einschränkung der Warenverkehrsfreiheit den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahren muss.
Zur Rechtfertigung der in Rede stehenden Vorschrift kam zunächst der Schutz der öffentlichen Gesundheit in Betracht, d.h. die Festsetzung eines Mindestalkoholgehalts sollte der Gewöhnungsgefahr bei niedrigprozentigen Getränken entgegenwirken. Dieses Argument hielt der EuGH jedoch für wenig stichhaltig und verwies auf das reichhaltige Angebot von Erzeugnissen mit geringem Alkoholgehalt sowie auf die weit verbreitete Praxis der Verdünnung hochprozentiger Getränke. Auch der Verbraucherschutz konnte mangels Verhältnismäßigkeit nicht als Rechtfertigungsgrund überzeugen, da dieses Ziel auch schon durch eine angemessene Etikettierung erreicht werden könnte. Der EuGH antwortete daher dem Ausgangsgericht, dass eine Regelung, die einen Mindestalkoholgehalt als Voraussetzung für die Verkehrsfähigkeit alkoholischer Getränke festsetzt, eine mit der Warenverkehrsfreiheit unvereinbare Maßnahme gleicher Wirkung darstellt.
Das Cassis de Dijon-Urteil führte nicht nur den neuen Begriff der zwingenden Erfordernisse ein, sondern schrieb auch den Grundsatz des gegenseitigen Respekts vor den jeweiligen nationalen Produkten fest. Was einer der Mitgliedstaaten zugelassen hat, muss auch in den anderen Staaten als gut genug anerkannt und zum Markt zugelassen werden. Hierdurch soll verhindert werden, dass die grenzüberschreitende Vermarktung eines Produkts zu einer doppelten Belastung mit Zulassungsverfahren und -voraussetzungen führt. Dasselbe Prinzip findet auch auf Personen Anwendung, die in einem Mitgliedstaat für eine bestimmte Tätigkeit zugelassen sind und diese später in einem anderen Mitgliedstaat ausüben möchten.