Mietpreisbremse – Sozialstaatsprinzip konkret oder Eigentumsgarantie verletzt?
Die steigenden Mieten führen in immer mehr Städten und Gemeinden dazu, dass sich Familien mit Kindern oder Personen mit durchschnittlichem Einkommen keine Wohnung mehr leisten können. Um diese Entwicklung zu stoppen, wurden verschiedene Maßnahmen ergriffen. Eine davon ist die sog. „Mietpreisbremse“ mit der die Höhe der Miete bei Neuvermietung „gedeckelt“ werden soll. Das BVerfG hat sich in einer aktuellen Entscheidung damit befasst, ob das verfassungsgemäß ist.
Sachverhalt
Gesetzlich geregelt ist die sog. „Mietpreisbremse“ in § 556d BGB:
Zulässige Miethöhe bei Mietbeginn; Verordnungsermächtigung
(1) Wird ein Mietvertrag über Wohnraum abgeschlossen, der in einem durch Rechtsverordnung nach Absatz 2 bestimmten Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt liegt, so darf die Miete zu Beginn des Mietverhältnisses die ortsübliche Vergleichsmiete höchstens um 10 Prozent übersteigen.
(2) Die Landesregierungen werden ermächtigt, Gebiete mit angespannten Wohnungsmärkten durch Rechtsverordnung für die Dauer von höchstens fünf Jahren zu bestimmen. Gebiete mit angespannten Wohnungsmärkten liegen vor, wenn die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen in einer Gemeinde oder einem Teil der Gemeinde zu angemessenen Bedingungen besonders gefährdet ist.“
Die ortsübliche Vergleichsmiete wird in § 558 BGB bestimmt als Durchschnitt der Mieten, die in der Gemeinde für Wohnraum vergleichbarer Art, Größe, Ausstattung und Lage in den letzten vier Jahren vereinbart wurde. Weitere Vorschriften enthalten bestimmte Ausnahmen von der Mietpreisbremse bei Modernisierungen oder Neubauten.
B ist Eigentümer eines Mietshauses und Vermieter. Er wurde von einem seiner Mieter gerichtlich auf Rückzahlung überzahlter Miete und Feststellung der Geltung einer abgesenkten Miete in Anspruch genommen, weil die bei Mietbeginn vereinbarte Miete die nach § 556d BGB höchstzulässige Miete überschritten habe. Nach dem Amtsgericht gab auch das Landgericht der Klage statt. Eine weitere Instanz kam in dem Verfahren aufgrund zivilprozessualer Besonderheiten nicht in Betracht.
B macht mit seiner form- und fristgerecht erhobenen Verfassungsbeschwerde eine Verletzung in seiner Eigentumsgarantie geltend.
Eine mögliche Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes ist nicht zu prüfen.
Lösung des BVerfG
Zulässigkeit
Für die Verfassungsbeschwerde ist gem. Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 BVerfGG, §§ 13 Nr. 8, 90 ff. BVerfGG das Bundesverfassungsgericht zuständig.
Als natürliche Person ist der B ein „Jedermann“ und somit beschwerdefähig.
Als zulässiger Beschwerdegegenstand kommt nach § 90 BVerfGG grundsätzlich jeder Akt öffentlicher Gewalt in Betracht. Dies ist hier das Urteil des Landgerichts in der mietrechtlichen Streitigkeit. Damit handelt es sich um eine Urteilsverfassungsbeschwerde, die sich hier mittelbar auch gegen § 556d BGB richtet.
Die für die Beschwerdebefugnis gem. § 90 BVerfGG erforderliche mögliche Grundrechtsverletzung ergibt sich daraus, dass eine Verletzung der Eigentumsgarantie nicht von vornherein ausgeschlossen ist.
Zudem ist der B von der Gerichtsentscheidung selbst, gegenwärtig und unmittelbar betroffen. Er musste überzahlte Miete zurückzahlen und erhält in Zukunft weniger Mieteinnahmen als zwischen ihm und dem Mieter zunächst vereinbart.
Die Voraussetzung der Rechtswegerschöpfung gem. § 90 Abs. 2 BVerfGG ist hier nach den Angaben im Sachverhalt erfüllt.
Schließlich hat B laut Sachverhalt form- und fristgerecht seine Verfassungsbeschwerde eingereicht, also gem. § 23 BVerfGG schriftlich und begründet und innerhalb der Monatsfrist nach Zustellung der letztinstanzlichen Entscheidung gem. § 93 Abs. 1 BVerfGG.
Begründetheit
Die Verfassungsbeschwerde des B ist begründet, wenn er durch die Entscheidung des BVerwG in einem seiner Grundrechte verletzt ist.
Schutzbereich
Hier kommt eine Verletzung der Eigentumsgarantie nach Art. 14 Abs. 1 GG in Betracht. Davon ist grundsätzlich jede eigentumsfähige Position, jedes konkrete vermögenswerte Recht geschützt.
Im Hinblick auf den grundrechtlichen Schutz der Vermietung von Eigentum führt das BVerfG ergänzend aus:
„Der Eigentumsgarantie kommt im Gefüge der Grundrechte insbesondere die Aufgabe zu, dem Träger des Grundrechts einen Freiheitsraum im vermögensrechtlichen Bereich zu sichern. Das verfassungsrechtlich gewährleistete Eigentum ist durch Privatnützigkeit und grundsätzliche Verfügungsbefugnis des Eigentümers über den Eigentumsgegenstand gekennzeichnet. (…) Vom Schutz des Eigentums nach Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG umfasst ist das zivilrechtliche Sacheigentum, dessen Besitz und die Möglichkeit, es zu nutzen. Dazu gehört es, aus der vertraglichen Überlassung des Eigentumsgegenstands zur Nutzung durch andere den Ertrag zu ziehen, der zur finanziellen Grundlage für die eigene Lebensgestaltung beiträgt.“
Somit ist der sachliche Schutzbereich für den B im Hinblick darauf eröffnet, dass er sein Grundeigentum vermieten will.
Grundrechtseingriff
Zudem müsste hier ein Grundrechtseingriff vorliegen, also eine staatliche Maßnahme, die die Ausübung des Grundrechts beschränkt. Dabei wird im Hinblick auf die Eigentumsgarantie grundlegend zwischen einer Enteignung und einer Inhalts- und Schrankenbestimmung nach Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG differenziert. Bei einer Inhalts- und Schrankenbestimmung handelt es sich um die generelle und abstrakte Festlegung von Rechten und Pflichten durch den Gesetzgeber. Dagegen ist die Enteignung die auf die vollständige oder teilweise Entziehung konkreter subjektiver durch Art. 14 Abs. 1 GG gewährleisteter Rechtspositionen zur Erfüllung bestimmter öffentlicher Aufgaben gerichtet. Nach diesem Maßstab handelt es sich bei der gesetzlichen Regelung der Mietpreisbremse durch § 556d BGB um eine Inhalts- und Schrankenbestimmung.
Verfassungsrechtliche Rechtfertigung
Der Eingriff in das Eigentum durch die gesetzliche Mietpreisbreme könnte aber verfassungsrechtlich gerechtfertigt sein.
Jede Inhalts- und Schrankenbestimmung muss durch Gründe des öffentlichen Interesses und unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gerechtfertigt sein.
Formelle Verfassungsmäßigkeit
An der formellen Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes bestehen keine Zweifel, insbesondere folgt die Gesetzgebungskompetenz des Bundes aus Art. 72, Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG.
Materielle Verfassungsmäßigkeit
Schließlich muss das Gesetz auch materiell verfassungsgemäß, insbesondere verhältnismäßig sein.
Der legitime Zweck des Grundrechtseingriffs liegt hier in einer Begrenzung der Miethöhe, um einer Verdrängung wirtschaftlich weniger leistungsfähiger Personen aus stark nachgefragten Wohnvierteln entgegen zu wirken. Dies ist ein legitimes öffentliches Interesse, das zudem durch das Sozialstaatsprinzip gem. Art. 20 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich verankert ist.
Die gesetzliche Regelung müsste auch geeignet sein. Dabei genügt es, wenn der erstrebte Erfolg gefördert werden kann, also die Möglichkeit der Zweckerreichung besteht. Dabei hat der Gesetzgeber insbesondere bei sozial- und wirtschaftspolitischen Maßnahmen, deren Folgewirkungen nicht exakt vorauszusagen sind einen Beurteilungs- und Gestaltungsspielraum. So kann nicht völlig ausgeschlossen werden, dass vereinzelt Eigentümer aufgrund der durch die Miethöhenregulierung verringerten Ertragsaussichten von der Vermietung von Wohnungen Abstand nehmen und das Angebot dadurch sogar noch weiter sinkt. Dennoch ist mit dem BVerfG davon auszugehen, dass
„die Miethöhenregulierung Preisspitzen auf angespannten Wohnungsmärkten abschneidet und damit zumindest die Voraussetzungen für einen Marktzugang einkommensschwächerer Mieter schaffen kann. (…) Sie kann der Verdrängung von einkommensschwächeren Mietern aus ihren angestammten Stadtteilen entgegenwirken.“ Also ist die Regelung geeignet.
Weiter muss das Gesetz erforderlich sein, um die angestrebten Ziele zu erreichen. Die Erforderlichkeit ist erst dann zu verneinen, wenn ein sachlich gleichwertiges, zweifelsfrei gleich wirksames, die Grundrechte weniger beeinträchtigendes Mittel zu Verfügung steht, um den mit dem Gesetz verfolgten Zweck zu erreichen. Hier könnte man als gegenüber einer Mietpreisbremse milderes Mittel an die Förderung sozialen Wohnungsbaus denken. Aber es ist nicht klar, wie effektiv und vor allem in welchem Zeitraum solche Maßnahmen wirken. somit ist die Regelung in § 556d Abs. 1 BGB auch erforderlich.
Schließlich muss der Eingriff angemessen sein, was im Rahmen einer Gesamtabwägung zu bewerten ist. Dabei ist einerseits zu beachten, dass
„die Eigentumsgarantie dem Grundrechtsträger einen Freiraum im vermögensrechtlichen Bereich erhalten und dem Einzelnen damit die Entfaltung und eigenverantwortliche Gestaltung seines Lebens ermöglichen soll. Geschützt ist dabei auch die Freiheit, aus der vertraglichen Überlassung des Eigentums zur Nutzung durch andere den Ertrag zu ziehen, der zur finanziellen Grundlage für die eigene Lebensgestaltung beiträgt.“
Auf der anderen Seite ist zu berücksichtigen, dass
„die Befugnis des Gesetzgebers zur Inhalts- und Schrankenbestimmung umso weiter geht, je mehr das Eigentumsobjekt in einem sozialen Bezug und in einer sozialen Funktion steht. Das trifft auf die Miethöhenregulierung in besonderem Maße zu. Eine Wohnung hat für den Einzelnen und dessen Familie eine hohe Bedeutung“.
Aus der Eigentumsgarantie folgt kein Anspruch, eine einmal erhaltene Rechtsposition für alle Zukunft inhaltlich unverändert zu behalten. Zudem enthält die gesetzliche Regelung selbst wieder mehrere Einschränkungen. So darf der Vermieter immer noch eine Miete in Höhe von bis zu 10 Prozent über der örtlichen Vergleichsmiete vereinbaren. Auch die ortsübliche Vergleichsmiete sichert dem Vermieter noch einen am örtlichen Markt orientierten Mietzins, der die Wirtschaftlichkeit der Wohnung regelmäßig sicherstellen wird. Somit liegt kein Eingriff in die Eigentumssubstanz vor.
„Dauerhafte Verluste für den Vermieter oder eine Substanzgefährdung der Mietsache oder der Wegfall jeder sinnvollen Nutzungsmöglichkeit sind nicht ersichtlich.“
Zudem ist die Regulierung der Miete räumlich auf bestimmte Gebiete mit angespannten Wohnungsmärkten und zeitlich auf fünf Jahre beschränkt.
Insgesamt zeigt sich, dass der Gesetzgeber die schutzwürdigen Interessen des Eigentümers und die Belange des Gemeinwohls in einen gerechten Ausgleich und in ein ausgewogenes Verhältnis gebracht hat.
Die Miethöhenregulierung in § 556d Abs. 1 BGB ist demzufolge für die Vermieter zumutbar und angemessen und damit insgesamt verhältnismäßig.
Die gesetzliche Regelung ist also gerechtfertigt und verfassungsgemäß. Damit beruht auch das Urteil auf einer verfassungsmäßigen Grundlage.
B ist nicht in seiner Eigentumsgarantie verletzt.
Seine Verfassungsbeschwerde ist demnach zwar zulässig, aber unbegründet.