A Sachverhalt (leicht vereinfacht):
Die Klägerin erwarb aufgrund notariellen Kaufvertrags vom 6. April 2013 von den Beklagten unter Ausschluss der Haftung für Sachmängel ein mit einem Wohnhaus bebautes Grundstück zu einem Kaufpreis von 120.000€. In dem Verkaufsexposé des Maklers wurde das Objekt u.a. wie folgt beschrieben:
„… Es stammt aus den 50iger Jahren und wurde 2005 - 2007 komplett saniert. D.h., Fenster, Türen, Bad und Gäste-WC, Leitungen und Böden wurden erneuert, das Dachgeschoss wurde ausgebaut, das Dach wurde - wie die Hohlschicht des Hauses - gedämmt. Das Gebäude ist technisch und optisch auf dem neuesten Stand …. Zudem ist das Haus unterkellert (trocken).“
Die Beklagten haben vor der eigentlichen Hausbesichtigung die Kellerwände mit weißer Farbe überstrichen, also eine „Verkaufslackierung“ angebracht, um so den Eindruck zu vermitteln, der Keller sei in jeder Hinsicht trocken, was er nicht war. Der Keller wurde nicht als Wohnraum ausgewiesen.
Gestützt auf die Behauptung, sie sei über Feuchtigkeitserscheinungen im Keller arglistig getäuscht worden, hat die Klägerin den Rücktritt erklärt und die Beklagte auf Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückübereignung des Grundstücks in Anspruch genommen.
Hat die Klägerin einen Anspruch auf Rückabwicklung des Vertrags?
B Leitsätze:
„Zu den Eigenschaften, die der Käufer eines Grundstücks nach den öffentlichen Äußerungen des Verkäufers oder seines Gehilfen erwarten darf, zählen auch Angaben (hier: zu der Trockenheit eines Kellers) in einem Exposé, wobei es keinen Unterschied macht, ob es sich um ein von dem Verkäufer selbst erstelltes Exposé oder um ein Maklerexposé handelt (Bestätigung von Senat, Urteil vom 22. April 2016 - V ZR 23/15, NJW 2017, 150 Rn. 7).“
„Ein Haftungsausschluss für Sachmängel umfasst auch die nach den öffentlichen Äußerungen des Verkäufers oder seines Gehilfen zu erwartenden Eigenschaften eines Grundstücks (Bestätigung von Senat, Urteil vom 22. April 2016 - V ZR 23/15, NJW 2017, 150 Rn. 12). Hierauf kann sich der Verkäufer jedoch nicht berufen, wenn er einen Mangel arglistig verschwiegen hat.“
C Lösung:
I Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte aus §§ 437 Nr. 2, 346 I, 323, 433
1 Mangel
Hierfür müsste zunächst ein Mangel vorliegen. In Betracht kommt ein Mangel nach § 434 Abs. 1 Satz 1 insoweit die Parteien eine Beschaffenheit vereinbart haben.
„Dass der Keller trocken sein sollte, hat in dem notariellen Kaufvertrag keinen Ausdruck gefunden. Damit scheidet grundsätzlich - und auch hier - die Annahme einer Beschaffenheitsvereinbarung aus.“
Allerdings kommt im vorliegenden Fall ein Mangel nach § 434 Abs. 1 Satz 2 Nummer 2 in Betracht. Von einem Mangel nach Nummer 2 kann nicht ausgegangen werden, wenn die Kaufsache eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann.
„Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ist der Keller nicht zu Wohnzwecken und zu einer Zeit (50-iger Jahre) errichtet worden, als Kellerabdichtungen noch nicht zum Stand der Technik gehörten.“ Aus diesem Grund liegt kein Mangel nach Nummer 2 vor.
Ein Mangel könnte sich vorliegend aus § 434 Abs. 1 Satz 2 Nummer 2 in Verbindung mit Satz 3 ergeben. Nach der Rechtsprechung des BGH gilt die Vorschrift auch für den Kauf von Grundstücken (Urteil vom 22. April 2016 - V ZR 23/15, NJW 2017, 150 Rn. 18).
„Zur Beschaffenheit nach § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB gehören die Eigenschaften, die der Käufer nach den öffentlichen Äußerungen des Verkäufers oder seines Gehilfen erwarten darf. Dazu zählen auch Angaben in einem Exposé (vgl. Senat, Urteil vom 22. April 2016 - V ZR 23/15, NJW 2017, 150 Rn. 7; so auch bereits Senat, Urteil vom 16. März 2012, V ZR 18/11, NJW-RR 2012, 1078 Rn. 16), wobei es keinen Unterschied macht, ob es sich um ein von dem Verkäufer selbst erstelltes Exposé oder um ein Maklerexposé handelt.“
Hier fand sich in dem Verkaufsexposé des Maklers der ausdrückliche Hinweis darauf, dass der Keller trocken sei. Diese Beschaffenheit durfte die Klägerin erwarten. Ob diese Angabe in den Notarvertrag Eingang gefunden hat, ist im Fall des § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB nicht erheblich. Auch haben die Beklagten nicht dargelegt, dass sie das Maklerexposé nicht kannten oder nicht kennen mussten, bzw. haben diese Angabe nicht bei Vertragsschluss berichtigt.
Da der Keller tatsächlich feucht war, liegt ein Mangel nach § 434 Abs. 1 Satz 2 Nummer 2 in Verbindung mit Satz 3 vor.
2 Bei Gefahrübergang
Der Mangel lag auch bei Gefahrübergang vor.
3 Kaufvertrag
Zwischen den Parteien wurde unstreitig ein Kaufvertrag geschlossen.
4 Rücktrittsgrund
Ein Rücktrittsgrund könnte sich vorliegend aus der mangelhaften Leistung ergeben. Im Falle der Schlechtleistung steht dem Käufer grundsätzlich ein Recht zum Rücktritt zu.
5 Fristsetzung
Fraglich ist, ob der Rücktritt ausgeschlossen ist, weil keine Frist gesetzt wurde. Dies wäre dann nicht der Fall, wenn die Frist ausnahmsweise entbehrlich wäre. Die Frist könnte im vorliegenden Fall nach § 323 Abs. 2 Nummer 3 entbehrlich sein. Dies wird insbesondere dann angenommen, wenn der Verkäufer einen Mangel der gekauften Sache arglistig verschwiegen hat (BGH NJW 10, 2503). Im vorliegenden Fall wussten die Beklagten, dass der Keller feucht ist und haben dies bewusst durch einen kurzfristigen Anstrich verschleiert, womit Arglist zu bejahen ist.
6 Ausschlussgründe
Da die Schlechtleistung auch nicht unerheblich ist, liegt kein Ausschluss nach § 323 Abs. 5 HS 2 vor.
Fraglich ist, ob sich ein Ausschluss der Haftung aus Vertrag ergibt. Die Parteien haben einen umfassenden Haftungsausschluss vereinbart. Die Reichweite eines Haftungsausschlusses ist im Wege der Auslegung gemäß §§ 133, 157 unter Berücksichtigung der Grundsätze von Treu und Glauben zu ermitteln. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung steht dem Haftungsausschluss der Mangel aus § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr.2 i.V.m. Satz 3 nicht entgegen (anders, wenn eine Beschaffenheitsvereinbarung nach Abs. 1 Satz 1 betroffen ist).
Der Haftungsausschluss ist im vorliegenden Fall aber wegen der Arglist der Beklagten unwirksam, vgl. § 444.
7 Rechtsfolge
Der Kläger hat demnach einen Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückübereignung des Grundstücks.
II Anspruch des Klägers aus §§ 437 Nr. 3, 280 Abs. 1, 3, 281
Die Beklagten haben mangelhaft geliefert und damit eine Schlechtleistung erbracht. Der Vorrang der Nacherfüllung schließt den Anspruch jedenfalls deshalb nicht aus, weil bei einer arglistigen Täuschung die Nacherfüllung unzumutbar ist (Senat, Urteil vom 15. Juli 2011 - V ZR 171/10, BGHZ 190, 272 Rn. 14).
Auch diesem Anspruch steht der oben geprüfte Gewährleistungsausschluss infolge seiner Unwirksamkeit nicht entgegen. Die Beklagten haben die Pflichtverletzung ferner zu vertreten, da sie arglistig handelten.
Der Schadensersatz ist im vorliegenden Fall durch Rückabwicklung des Grundstückskaufvertrags zu vollziehen, § 249 I.
III Anspruch des Klägers gegen die Beklagten aus culpa in contrahendo gem. §§ 280 I, 241 II, 311 II
1 Anwendbarkeit
Fraglich ist ob die culpa in contrahendo im vorliegenden Fall Anwendung finden kann. Grundsätzlich findet die culpa in contrahendo dann keine Anwendung, wenn die Verletzung einer vorvertraglichen Aufklärungspflicht einen gewährleistungspflichtigen Mangel betrifft. Dann bildet das Kaufrecht die speziellere Regelungsmaterie und ist grundsätzlich abschließend. Auf diese Weise soll das grundsätzlich notwendige Fristsetzungserfordernis gewahrt werden und die besonderen Verjährungsregeln greifen.
Eine Ausnahme ist jedoch dann veranlasst, wenn der Verkäufer nicht schutzwürdig ist. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn dieser – wie hier – arglistig gehandelt hat.
Demnach ist die culpa in contrahendo im vorliegenden Fall anwendbar.
2 Vorvertragliche Pflichtverletzung
Die Beklagten müssten eine Pflicht bei Anbahnung des Vertrags verletzt haben. Im Rahmen der culpa in contrahendo hat jede Partei auf die Rechte und Rechtsgüter der anderen Partei Rücksicht zu nehmen, vgl. § 241 II.
Hierzu gehört es offensichtlich unrichtige Angaben zu berichtigen und über solche Umstände aufzuklären, die für den anderen Teil von entscheidender Bedeutung sind und seine Kaufentscheidung wesentlich mitprägen. Diesen Pflichten sind die Beklagten nicht nachgekommen.
3 Vertretenmüssen
Das Vertretenmüssen wird gemäß § 280 Abs. 1 Satz 2 vermutet. Eine Exkulpationsmöglichkeit der Beklagten ist nicht ersichtlich, vielmehr handelten diese arglistig und demnach vorsätzlich.
4 Rechtsfolge
Fraglich ist welche Rechtsfolge aus der culpa in contrahendo folgt. Grundsätzlich ist das negative Interesse in Gestalt des Vertrauensschadens zu ersetzen. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH sind im vorliegenden Fall zwei Wege denkbar.
„Nach einer Verletzung von Aufklärungspflichten kann der Geschädigte grundsätzlich Ersatz des Vertrauensschadens verlangen (Senat, Urteil vom 19. Mai 2006 - V ZR 264/05, BGHZ 168, 35, 39). Er ist so zu stellen, wie er bei Offenbarung der für seinen Vertragsentschluss maßgeblichen Umstände stünde. Da in aller Regel anzunehmen ist, dass der Vertrag bei der gebotenen Aufklärung nicht oder mit einem anderen Inhalt zustande gekommen wäre, ist der Geschädigte in erster Linie berechtigt, sich von diesem zu lösen und Ersatz seiner im Vertrauen auf den Vertragsschluss getätigten Aufwendungen zu verlangen (vgl. Senat, Urteil vom 11. Juni 2010 - V ZR 144/09, WuM 2011, 524 Rn. 8; Urteil vom 4. Dezember 2015 - V ZR 142/14, NZM 2016, 582 Rn. 18; BGH, Urteil vom 28. März 1990 - VIII ZR 169/89, BGHZ 111, 75, 82). Daneben räumt die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dem Geschädigten das Recht ein an dem für ihn ungünstigen Vertrag festzuhalten. Geschieht dies, reduziert sich der zu ersetzende Vertrauensschaden auf dessen berechtigte Erwartungen, die durch den zustande gekommenen Vertrag nicht befriedigt werden (Senat, Urteil vom 19. Mai 2006 - V ZR 264/05, BGHZ 168, 35, 39; Urteil vom 11. Juni 2010 - V ZR 144/09, WuM 2011, 524 Rn. 8). Er kann verlangen so behandelt zu werden, als wäre es ihm bei Kenntnis der wahren Sachlage gelungen, den Vertrag zu einem günstigeren Preis abzuschließen (BGH, Urteil vom 14. Januar 1993 - IX ZR 206/91, NJW 1993, 1323; Senat, Urteil vom 11. Juni 2010 - V ZR 144/09, WuM 2011, 524 Rn. 8).“
Demnach ist der Kläger im vorliegenden Fall berechtigt Rückabwicklung des Vertrags zu verlangen und etwaige im Vertrauen auf den Vertragsschluss getätigte Aufwendungen geltend zu machen.
IV Anspruch der Klägerin gegen die Beklagten aus §§ 812f.
Die Klägerin hat laut Sachverhalt keine Anfechtung erklärt. Vielmehr wurde im vorliegenden Fall der Rücktritt erklärt. Damit ist ein Rückgewährschuldverhältnis entstanden, welches durch die vertraglichen Regelungen über die Rückabwicklung spezieller geregelt wird.
Hinweis
Auch die allgemeine Regelung aus § 313 findet im vorliegenden Fall keine Anwendung.