Der Entscheidung (BGH 4 StR 265/22 – NStZ 2023, 291) lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Im Oktober 2020 hebelte der Angeklagte A mit einem Schraubenzieher ein Küchenfenster auf und drang in ein Einfamilienhaus ein, in welchem er verschiedene Gegenstände im Wert von insgesamt mindestens 8.000 € entwendete. Da das Haus vollständig möbliert war, glaubte er, es sei bewohnt. Tatsächlich war der einzige Bewohner bereits im Juni 2020 verstorben.
A könnte sich nun gem. §§ 242, 244 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 4 StGB wegen eines Wohnungseinbruchsdiebstahls strafbar gemacht haben. Der Grundtatbestand des einfachen Diebstahls ist wahrscheinlich bereits durch das Einstecken der Wertgegenstände, spätestens aber durch das Entfernen mit selbigen vollendet.
Indem A mit einem Schraubenzieher das Küchenfenster aufgehebelt und in das Innere des Hauses eingedrungen ist, ist er auch gem. § 244 Abs. 1 Nr. 3 sowohl eingebrochen (Beseitigen eines Hindernisses durch Aufwendung von Kraft) als auch eingestiegen (Betreten des Objekts auf eine nicht dafür vorgesehen Weise).
Fraglich ist nun, ob der „nur“ in eine Wohnung gem. Abs. 1 Nr. 3 StGB oder aber in eine „dauerhaft privat genutzte Wohnung“ gem. Abs. 4 eingedrungen ist oder nichts davon verwirklicht hat, da der einzige Bewohner bereits einige Monate zuvor verstorben ist.
Hätten wir es mit einer Brandstiftung zu tun gem. § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB, dann wäre mit dem Tod des einzigen Bewohners eine Entwidmung eingetreten (BGH NStZ 2020, 484).
Der BGH (NStZ 2020, 484) beurteilt die Situation bei § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB aber anders und argumentiert entlang den Auslegungsmethoden wie folgt:
„„Wohnungen sind abgeschlossene und überdachte Räume, die Menschen zumindest vorübergehend als Unterkunft dienen... Dadurch, dass ihre ehemaligen Bewohner nicht (mehr) in ihnen lebten, verloren sie die Eigenschaft als Wohnung im Sinne des § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB nicht....
Dafür spricht zunächst der Wortlaut der Vorschrift. Der Begriff „Wohnung“ bezeichnet eine für die private Lebensführung geeignete und in sich abgeschlossene Einheit von gewöhnlich mehreren Räumen …Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch ist somit der Zweck der Stätte maßgebend, nicht deren tatsächlicher Gebrauch.
...Diese Betrachtungsweise erfährt ihre Bestätigung in der Gesetzessystematik. Das Strafgesetzbuch sieht bei Einbruchdiebstählen eine Staffelung in Deliktsschwere und Strafmaß vor, die vom besonders schweren Fall des Diebstahls gemäß § 243 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 StGB über den Wohnungseinbruch im Sinne des § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB bis zum Einbruch in eine dauerhaft genutzte Privatwohnung nach § 244 Abs. 4 StGB reicht.
Für § 306 a Abs. 1 Nr. 1 StGB gilt deshalb etwas anderes, weil der Wortlaut dieser Vorschrift es erfordert, dass die in Brand gesetzte Räumlichkeit „der Wohnung von Menschen dient“. Daraus folgt, dass das Brandobjekt zur Tatzeit tatsächlich bewohnt sein muss. Dies ist nicht der Fall, wenn der einzige Bewohner gestorben ist....
Schließlich gebieten Sinn und Zweck der Qualifikation aus § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB die Einbeziehung von unbewohnten Immobilien, jedenfalls so lange sie nicht als Wohnstätte entwidmet sind … Die Vorschrift soll das Eigentum an höchstpersönlichen Gegenständen und die häusliche Integrität an sich schützen. Diese Rechtsgüter können auch dann verletzt sein, wenn sie neben den aktuellen Bewohnern weiteren Personen zuzuordnen sind, die einen Bezug zu den Räumlichkeiten aufweisen – etwa, weil sie sich häufig in ihnen aufhalten, weil es sich um ihr Elternhaus handelt oder weil sie in dem Haus private Gegenstände lagern.“
Darauf Bezug nehmend kommt der BGH im vorliegenden Fall (a.a.O.) zu dem Ergebnis, dass jedenfalls ein vollendeter Wohnungseinbruchsdiebstahl gem. §§ 242, 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB verwirklicht wurde.
Einen vollendeten schweren Wohnungseinbruchsdiebstahl gem. § 244 Abs. 4 StGB lehnt er hingegen mit folgender Begründung ab:
„Hinsichtlich des schweren Wohnungseinbruchdiebstahls gem. § 244 Abs. 4 StGB fällt ihm hingegen nur ein (untauglicher) Versuch zur Last, da das Haus nach dem Tod des Bewohners nicht mehr tatsächlich bewohnt wurde und damit keine dauerhaft genutzte Privatwohnung iSd Vorschrift mehr war.“
Nun stellt sich natürlich die Frage, in welchem Konkurrenzverhältnis sich der vollendete, einfache Wohnungseinbruchsdiebstahl und der versuchte schwere Wohnungseinbruchsdiebstahl zueinander befinden. Da im Falle der Vollendung des § 244 Abs. 4 StGB dieser asl speziellere Vorschrift den Abs. 1 Nr. 3 verdrängen würde (Schönke/Schröder-Bosch, StGB, § 244 Rn. 32), könnte man gleiches auch für den vorliegenden Fall annehmen. Dem tritt aber der BGH, der aus Klarstellungsgründen Tateinheit gem. § 52 StGB annehmen möchte, mit folgender Begründung entgegen:
„Wird der Grundtatbestand vollendet, während der Qualifikationstatbestand nur ins Versuchsstadium gelangt, ist aus Gründen der Klarstellung regelmäßig nicht Gesetzes-, sondern Idealkonkurrenz anzunehmen. Andernfalls bliebe die Vollendung des Grunddelikts allein deshalb unberücksichtigt, weil der Täter mit dem Qualifikationstatbestand noch schwereres Unrecht verwirklichen wollte, als er tatsächlich verwirklicht hat …Durch die Annahme von Tateinheit wird dagegen bereits im Schuldspruch zum Ausdruck gebracht, dass der Täter einerseits den durch das Einbrechen in eine Wohnung qualifizierten Angriff auf das Rechtsgut des Eigentums vollendet und somit den Tatbestand des Wohnungseinbruchdiebstahls gem. § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB vollständig verwirklicht, darüber hinaus aber nach seiner Vorstellung von der Tat auch noch unmittelbar dazu angesetzt hat (§ 22 StGB), aus einer dauerhaft genutzten Privatwohnung iSv § 244 Abs. 4 StGB zu stehlen und damit noch schwereres Unrecht zu verwirklichen, das in dem Eingriff in den persönlichen Lebensbereich des Betroffenen liegt …“