A Sachverhalt (vereinfacht):
Der Beklagte errichtete auf seinem Grundstück ein Doppelhaus, das nur über eine Heizungsanlage verfügt, die in der einen Doppelhaushälfte untergebracht ist und die andere mit Heizwärme und Warmwasser mitversorgt. Die mit der mitversorgten Doppelhaushälfte bebaute Teilfläche verkaufte er 1995 an ein Ehepaar. Der Kaufvertrag enthielt einen Hinweis auf das Fehlen einer eigenen Heizungsanlage und die Vereinbarung, dass B die verkaufte Doppelhaushälfte gegen Erstattung der Verbrauchskosten und der Hälfte der Kosten für Instandhaltung, Wartung und Erneuerung mit Heizwärme und Warmwasser versorgt und für die Funktionsfähigkeit der Heizung Sorge trägt. Diese Vereinbarung sollte auch den Rechtsnachfolger des B binden.
2001 verkauften E ihre Doppelhaushälfte an den Kläger. Dieser Kaufvertrag enthält zu der Beheizung keine Regelung. B versorgte die Hälfte des K zunächst – gegen Zahlung entsprechender Beträge – weiter mit Heizwärme und Warmwasser. Mit Schreiben vom 8. Februar 2010 kündigte B die Vereinbarung und teilte mit, die Kappung der Leitungen solle im Zusammenhang mit einer Veränderung der Heizungsanlage erfolgen und werde rechtzeitig vorher angekündigt. K verlangt von B in erster Linie, seine Doppelhaushälfte gegen Abrechnung der anteiligen Kosten weiterhin mit Heizwärme und Warmwasser mitzuversorgen.
Hat K einen Anspruch auf weitere Mitversorgung durch B?
B Lösung:
I § 311 I
1 Vertragsschluss
Da keine ausdrückliche Vereinbarung zwischen den Parteien erfolgt ist und eine Einigung mit E bloß einen unzulässigen Vertrag zu Lasten Dritter darstellen würde, muss hier auf einen konkludenten Vertragsschluss zwischen den Parteien abgestellt werden.
Das Angebot kann hier in der weiteren Versorgung gesehen werden und die Annahme des Angebots in der Empfangnahme der Leistung und Zahlung der Aufwandsentschädigung. Aufgrund der herausragenden Bedeutung der Leistung für den Empfänger und der Erkennbarkeit dieser Bedeutung kann nach den §§ 133, 157 auch von einem entsprechenden Rechtsbindungswillen ausgegangen werden.
2 Kündigung
Der Vertrag könnte allerdings gekündigt worden sein. Fraglich ist nach welchen Vorschriften eine Kündigung erfolgen könnte. Vorschriften aus den entgeltlichen Verträgen kommen nicht in Betracht, da vorliegend kein Entgelt vereinbart worden ist.
In Betracht kommt eine Analogie zu § 604 III, § 671 I.
„Der Beklagte sollte für die Mitversorgung der Doppelhaushälfte des Klägers kein Entgelt erhalten. Nach der aus den genannten Vorschriften zu entnehmenden Wertung des Gesetzgebers entspricht dem Fehlen eines Entgelts das Recht, das Vertragsverhältnis jederzeit zu beenden.“
Die Kündigung ist insbesondere daher möglich, da nicht vorgetragen wurde, dass der Kläger zu einer alternativen Art der Versorgung nicht in der Lage wäre.
3 Konkludenter Ausschluss der Kündigung
Schon die ausdrückliche Vereinbarung des Beklagten mit den Rechtsvorgängern des Klägers enthielt keine entsprechende ausdrückliche Regelung.
„Veranlassung, sich auf eine Einschränkung des Kündigungsrechts einzulassen, hatte der Beklagte allenfalls gegenüber den Rechtsvorgängern des Klägers. Diesen hatte er die Doppelhaushälfte ohne eine eigene Heizung verkauft, was ihn bewogen haben mag, sich stärker zu binden. Ein vergleichbares Motiv hat der Beklagte gegenüber dem Kläger jedenfalls nicht. Das Vorhandensein der Anlage legte es zwar nahe, es vorläufig bei der bisherigen Praxis zu belassen. Ebenso nahe lag es aber, sich die Möglichkeit zu erhalten, sich jederzeit von der Vereinbarung zu lösen. Die unentgeltliche Mitversorgung der anderen Doppelhaushälfte ließ sich auf Dauer sinnvoll nur fortführen, wenn der Kläger und der Beklagte ähnlich gut miteinander auskamen wie der Beklagte mit den Rechtsvorgängern des Klägers. Das konnten weder der Beklagte noch der Kläger überblicken. Sie durften die Vereinbarung deshalb beide jederzeit kündigen.“
4 Ergebnis
Ein Anspruch aus Weiterversorgung aus Vertrag besteht nicht, da der Vertrag wirksam gekündigt wurde.
II Nachbarschaftliches Gemeinschaftsverhältnis in Verbindung mit § 242
1 Einordnung
Der Gedanke von Treu und Glauben im Rahmen eines nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses begründet in der Regel keine selbständigen Ansprüche, sondern wirkt sich hauptsächlich als bloße Schranke der Rechtsausübung aus.
„Diese Schranke kann den Grundstückseigentümer zwingen, eine bestimmte eigene Nutzung seines Grundstücks zu unterlassen oder eine bestimmte Nutzung seines Grundstücks durch den Nachbarn zu dulden.“
Ausnahmsweise können sich jedoch auch aus dem nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnis Ansprüche auf Leistung ergeben. Dies jedoch nur dann, wenn dies für einen billigen Ausgleich der widerstreitenden Interessen zwingend geboten erscheint.
Ob ein solcher Anspruch besteht, ist im Rahmen der umfassenden Abwägung des Einzelfalls zu ermitteln.
2 Leistungsanspruch i.v.F.
Gegen eine entsprechende Ausnahmesituation spricht insbesondere, dass der Kläger das Grundstück in Kenntnis der fehlenden Heizung erworben hat. Auch hat er sich hier keine dingliche Sicherung etwaiger Rechte bewirkt. Er hat sich auf die schuldrechtliche Vereinbarung ohne jede Einschränkung der Kündigungsmöglichkeit eingelassen. Vielmehr wurde der Vertrag hier bloß stillschweigend geschlossen. Besondere schutzwürdige Belange erwachsen aus einer solchen Vereinbarung nicht ohne weitere hinzutretende Umstände. Es wurde auch nicht vorgetragen, dass der Bau einer eigenen Heizungsanlage nicht möglich sei. Weiterhin gilt es zu berücksichtigen, dass bloß eine unentgeltliche Mitbenutzung gewährt wurde. Hieraus konnte kein schutzwürdiges Vertrauen dahingehend geschaffen werden, dass ein unkündbares quasi ewiges Recht zur Mitversorgung erlangt wurde.
Insgesamt liegt daher keine zwingende Lage im oben genannten Sinne vor und ein Anspruch aus dem nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnis ist zu verneinen.
3 Ergebnis
Kein Anspruch auf Fortsetzung der Versorgung aus dem nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnis
III § 1004
Die Norm setzt eine Beeinträchtigung des Eigentums des Klägers in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes voraus. Hierunter ist jeder dem Inhalt des Eigentums (§ 903 BGB) widersprechende Zustand zu verstehen.
„Um die Abwehr eines solchen Zustands geht es hier aber nicht. Der Kläger wendet sich mit seinen Anträgen nicht gegen eine Beeinträchtigung in seinen Rechten als Eigentümer durch den Beklagten. Dieser soll ihm durch die weitere Versorgung mit Heizwärme und Warmwasser oder die Duldung einer entsprechenden Selbstversorgung unter Benutzung der Heizungsanlage vielmehr Nutzungsmöglichkeiten erhalten, die sein Grundstück ohne diese Leistungen des Beklagten mangels einer eigenen Heizungsanlage nicht hätte. Das ist keine Abwehr einer Eigentumsbeeinträchtigung.“
IV § 743 II, 745 II
Beides - Mitbeheizung wie Duldung der Heizungsnutzung - kann der Kläger von dem Beklagten auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer gemeinschaftlichen Berechtigung an der Heizung auf Grund von § 743 Abs. 2 und § 745 Abs. 2 BGB verlangen. Anders als der Kläger meint, steht die Heizungsanlage in der Doppelhaushälfte des Beklagten nicht im Miteigentum der Parteien, mit der Folge, dass sie diese bis zu einer Auflösung der Gemeinschaft nach § 749 BGB gemeinschaftlich nutzen dürften, sondern im Alleineigentum des Beklagten.
Dafür muss nicht entschieden werden, ob eine Heizungsanlage überhaupt wesentlicher Bestandteil zweier verschiedener Gebäude sein kann.
„Eine Heizungsanlage ist zwar auch dann Bestandteil des Gebäudes, dessen Beheizung sie dient, wenn sie sich auf einem anderen Grundstück befindet als demjenigen, dem das Gebäude zugeordnet ist (Senat, Urteil vom 19. Oktober 2012 - V ZR 263/11, juris Rn. 11 bis 13). Voraussetzung hierfür ist aber, dass die Heizungsanlage zur Errichtung des Gebäudes oder bei der Erneuerung oder dem Austausch der Heizungsanlage in das Gebäude eingefügt worden ist (Senat, Urteile vom 13. März 1970 - V ZR 71/67, BGHZ 53, 324, 326 und vom 19. Oktober 2012 - V ZR 263/11 aaO Rn. 11).
Daran fehlt es hier. Die Doppelhaushälfte des Klägers sollte nach dem Kauf- und Bauvertrag des Beklagten mit den Rechtsvorgängern des Klägers abweichend von dem üblichen Standard ohne eine eigene Heizungsanlage errichtet und an ihrer Stelle ein Anschluss an die Heizungsanlage in der Doppelhaushälfte des Beklagten vorgesehen werden. Das hat zur Folge, dass die Heizungsanlage nur zur Errichtung der Doppelhaushälfte des Beklagten eingefügt worden ist und allein deren Bestandteil geworden ist.“
V Gesamtergebnis
Ein Anspruch auf Fortsetzung der Versorgung besteht nicht.