Sachverhalt:
Millionärin und Patientin (P) begehrt Rückzahlung der ärztlichen Behandlungskosten für eine Krampfadertherapie. Chirurg (C) leitet eine auf Venenleiden spezialisierte Praxis. Er wählte bei der Behandlung von P ein neu entwickeltes Behandlungsverfahren.
Der Behandlung lag eine von der P am 20. November 2013 unterzeichnete "Einverständniserklärung, Behandlungsvertrag für neue Therapieverfahren" zugrunde, in der es u.a. heißt:
„Ich wurde darüber aufgeklärt, dass die genannten Therapieverfahren in der gegenwärtig gültigen Fassung der GOÄ nicht gelistet sind und deshalb eine sogenannte Analogabrechnung, angelehnt an die GOÄ-Ziffern, durchgeführt wird. Ich wurde darüber aufgeklärt, dass die PKV unter Umständen nicht alle Gebührenziffern der analogen GOÄ-Rechnung anerkennen wird…“.
Im Anschluss zahlte P 3500 € für die Behandlung. Die Kostenerstattung durch die private Krankenversicherung wurde abgelehnt. Zur Begründung führte die Versicherung an, dass es sich bei der als alternative Methode zum Venenstripping und Venenlasern durchgeführten Behandlung um ein wissenschaftlich nicht etabliertes Verfahren handle und eine medizinische Notwendigkeit nicht erkennbar sei. Die Klage gegen die Versicherung blieb erfolglos.
C ist der Ansicht, dass P sich auch bei vollständiger Aufklärung für die Behandlung entschieden hätte. C ist ferner der Ansicht, dass die erfolgte Aufklärung ausreichend sei.
Lösung:
I §§ 280 I, 630c III 1 BGB
Ein Anspruch könnte sich vorliegend aus der Pflichtverletzung im Rahmen eines Behandlungsvertrags ergeben.
1 Behandlungsvertrag
Ein Behandlungsvertrags ist zwischen beiden Parteien unproblematisch zustande gekommen.
2 Verletzung einer Pflicht aus dem Behandlungsvertrag
Fraglich ist, welche vertraglichen Pflichten im vorliegenden Fall als Anknüpfungspunkte für die Verletzung in Betracht kommen. Hier kommt insbesondere die Pflicht zur Beratung über die geeigneten Methoden und die zu erwartende Vergütungspflicht in Betracht.
Über die Vergütungspflicht ist nach § 630c III 1 vor Beginn der Behandlung in Textform zu informieren, wenn bekannt ist, dass eine vollständige Übernahme der Behandlungskosten durch einen Dritten nicht gesichert ist oder sich hierfür nach den Umständen hinreichende Anhaltspunkte ergeben.
Im Hinblick auf den Umfang der Auskunftspflicht gilt es zwischen der gesetzlichen Versicherung und der privaten Versicherung zu unterscheiden. Der Leistungskatalog der gesetzlichen Versicherung wird und sollte dem behandelnden Arzt bekannt sein. Bei der Privatversicherung existiert kein einheitliches Leistungsregister, weshalb die Kostenerstattung vom jeweiligen Einzelfall abhängig ist. Welche Leistungen erstattungsfähig sind muss demnach der Patient in Erfahrung bringen. Eine konkrete Anfrage bei der Versicherung ist diesem jedoch nur dann möglich, wenn über die konkreten Kosten der Behandlung aufgeklärt wurde.
Im vorliegenden Fall ergibt sich aus der unterschriebenen Einverständniserklärung, dass dem C bekannt war, dass die Kosten gegebenenfalls nicht übernommen werden könnten.
Es bestand damit eine Pflicht zur Unterrichtung über die Kosten in konkreter Höhe!
Fraglich ist, ob die unterlassene Unterrichtung die Verletzung einer vertraglichen oder einer vorvertraglichen Pflicht darstellt.
Für die Behandlung als vorvertragliche Pflichtverletzung spricht, dass die konkrete Behandlung erst nach Einigung über ein bestimmtes Vorgehen vereinbart wird. Insoweit ließe sich argumentieren, dass die Vorbesprechung bezüglich Behandlung und Kosten dem vorvertraglichen Bereich zuzuordnen sei.
Für die Zuordnung zum vertraglichen Bereich spricht, dass die Erörterung der Behandlungsalternativen inklusive der zugehörigen Vergütung als dem Behandlungsvertrag zugehörige Beratung eingeordnet werden kann.
Vorzugswürdig erscheint hier die zweitgenannte Ansicht. Diese wird dem umfassenden Charakter des Behandlungsvertrags gerecht und entspricht dem allgemeinen Verständnis vom Behandlungsvertrag, welchen gerade auch die Beratungsleistung über die verschiedenen Möglichkeiten der Behandlung und die zugehörigen Kosten immanent ist.
Da C über die konkreten Kosten nicht aufgeklärt hat, wurde die Pflicht aus § 630c III 1 verletzt.
3 Vertretenmüssen
C hat die Pflichtverletzung auch zu vertreten.
4 Kausaler Schaden
Fraglich ist, ob die Pflichtverletzung zu einem kausalen Schaden geführt hat. Der Schaden liegt im vorliegenden Fall in der fehlenden Ersatzfähigkeit der Leistung durch die Krankenkasse.
Der Schaden wäre dann äquivalent kausal, wenn die Pflichtverletzung nicht hinweggedacht werden könnte ohne dass der Schaden in seiner konkreten Gestalt entfiele.
C bestreitet, dass P von der Behandlung bei ordnungsgemäßer Aufklärung abgesehen hätte. Nach allgemeiner Beweislastverteilung ist P für die Voraussetzungen des Anspruchs beweispflichtig.
Fraglich ist, ob die Fallgruppe des aufklärungsrichtigen Verhaltens zu einer Umkehr der Beweislast führen kann.
„Zwar hat der Senat im Anschluss an die Rechtsprechung des I., II., VII. und VIII. Zivilsenats (BGH, Urteil vom 5. Juli 1973 - VII ZR 12/73 …) ausgesprochen, dass derjenige, der vertragliche Aufklärungspflichten verletzt hat, abweichend von den allgemeinen Grundsätzen die Darlegungs- und Beweislast dafür trägt, dass sich der Geschädigte bei ordnungsgemäßer Aufklärung nicht "aufklärungsrichtig" verhalten, den Rat oder Hinweis also unbeachtet gelassen. Der Senat hat die Beweislastumkehr aber von der Voraussetzung abhängig gemacht, dass es um einen auf eine bestimmte Verhaltensweise ausgerichteten Rat oder Hinweis ging und es für den anderen Teil vernünftigerweise nur eine bestimmte Möglichkeit gab, sich "aufklärungsrichtig" zu verhalten. Er hat eine Beweislastumkehr dagegen verneint, wenn es für den anderen Teil vernünftigerweise mehrere Möglichkeiten der Reaktion auf die erforderliche Aufklärung gegeben hätte.“
Im vorliegenden Fall standen gerade mehrere verschiedene Behandlungsmethoden im Raum.
Nach diesen Grundsätzen kommt eine Beweislastumkehr bei der Verletzung der wirtschaftlichen Informationspflicht nicht in Betracht. Denn in diesem Fall gibt es kein "aufklärungsrichtiges" Verhalten des Patienten. Der Behandler schuldet hier nicht einen auf eine bestimmte Verhaltensweise ausgerichteten Rat, über den sich der Patient nur unvernünftigerweise hinwegsetzen kann, sondern eine Information über die voraussichtlichen Kosten der Behandlung. Die Information hat den Zweck den Patienten vor finanziellen Überraschungen zu schützen und ihn in die Lage zu versetzen, die wirtschaftliche Tragweite seiner Entscheidung zu überblicken.
„Sie ist aber nicht darauf gerichtet, den Patienten von einer beabsichtigten medizinischen Behandlung abzuhalten. Dementsprechend ist es nicht als unvernünftige Missachtung der geschuldeten Information anzusehen, wenn sich ein Patient durch die Mitteilung der voraussichtlichen Kosten nicht von der ihm vorgeschlagenen und von ihm ins Auge gefassten Behandlung abbringen lässt. Hierfür kann er abhängig von seinen persönlichen Vorstellungen und Prioritäten unterschiedliche Gründe haben“.
II Ergebnis
Da P die Kausalität des Schadens nicht beweisen konnte, besteht kein Anspruch auf Erstattung des gezahlten Betrags.