A Sachverhalt:
Die Beklagte (B) betreibt in A eine Therme mit Saunabereich, die die Klägerin (K) seit mehreren Jahren regelmäßig besucht. B führte K in einer Gästekartei für Stammkunden und informierte sie regelmäßig über Angebote. Über diese Angebote erwarb K zu Sonderkonditionen zahlreiche nicht personengebundene Eintrittskarten, welche teilweise noch nicht genutzt wurden. Am 12. Februar 2017 erteilte B der K ein schriftlich vorbereitetes, unbefristetes Hausverbot für die von ihr betriebene Therme. Weitere Thermen sind vom Wohnort der K 30km entfernt.
K verlangt von B das Hausverbot zurückzunehmen.
Hat K einen Anspruch auf Rücknahme des Hausverbots?
B Leitsätze:
Die Erteilung eines Hausverbots bedarf nicht schon dann eines sachlichen Grundes, wenn der Hausrechtsinhaber die Örtlichkeit für den allgemeinen Publikumsverkehr ohne Ansehen der Person öffnet, sondern nur unter der weiteren Voraussetzung, dass die Verweigerung des Zutritts für die Betroffenen in erheblichem Umfang über die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben entscheidet (im Anschluss an BVerfGE 148, 267).
b) Welche Bedeutung der Zugang zu einer Einrichtung für die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben hat, ist nicht aus der Perspektive des einzelnen Besuchers zu beurteilen; vielmehr ist aus objektivierter Sicht desjenigen, der die Einrichtung dem allgemeinen Publikumsverkehr öffnet, zu fragen, welche Funktion die von ihm willentlich eröffnete und betriebene Einrichtung bei typisierender Betrachtung hat.
c) Der Besuch einer Therme entscheidet nicht in erheblichem Umfang über die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben; der private Betreiber einer Therme bedarf daher für die Erteilung eines Hausverbots gegenüber einem Gast keines sachlichen Grundes.
C Lösung:
Ein entsprechender Anspruch bestünde nur, wenn das Hausrecht rechtswidrig ausgeübt worden wäre.
I Rechtmäßigkeit des Hausverbots gemäß des Hausrechts am Grundstückseigentum bzw. – besitz gem. §§ 858 ff., 903, 1004
1 Hausrecht und daraus entspringende Befugnisse
Aus der grundrechtlichen Eigentumsgarantie (Art. 14 GG) kommt die Befugnis des Eigentümers zum Ausdruck mit der Sache grundsätzlich nach Belieben zu verfahren und andere von der Einwirkung auszuschließen (§ 903 Satz 1 BGB). Darüber hinaus ist das Hausrecht Ausdruck der durch Art. 2 Abs. 1 GG gewährleisteten Privatautonomie, die die Selbstbestimmung des Einzelnen im Rechtsleben schützt. Dazu gehört, dass rechtlich erhebliche Willenserklärungen in der Regel keiner Rechtfertigung bedürfen; das gilt in gleicher Weise für die Entscheidung, ob und in welchem Umfang einem Dritten der Zugang zu einer bestimmten Örtlichkeit gestattet wird.
Das Hausrecht ermöglicht es dem Inhaber daher grundsätzlich frei darüber zu entscheiden wem er den Zutritt gestattet und wem er diesen verwehrt.
2 Einschränkungen
In besonderen Fällen können sich jedoch Einschränkungen ergeben. So können eine besondere vertragliche Bindung und das mittelbar im Zivilrecht wirkende Gleichbehandlungsgebot aus Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz eine Einschränkung begründen.
a Einschränkungen wegen vertraglicher Bindung?
Eine solche könnte hier wegen der bereits erworbenen Tickets angenommen werden. Bei Tickets, die die Person des Berechtigten nicht individualisieren, handelt es sich um sogenannte kleine Inhaberpapiere gemäß § 807.
Kleine Inhaberpapiere sind Karten, Marken oder ähnliche Urkunden, bei denen die Umstände der Ausgabe erkennen lassen, dass der Aussteller grundsätzlich jedem Inhaber zur Leistung verpflichtet sein will.
Sie werden ausgegeben, um dem Aussteller die schuldbefreiende Leistung zu erleichtern. Der Aussteller bzw. Schuldner ist jedem materiell berechtigten Inhaber gegen Aushändigung der Urkunde zur Leistung verpflichtet (§ 793 Abs. 1 Satz 1 BGB), dem Inhaber der Urkunde gegenüber aber auch zur Leistung berechtigt, selbst wenn diesem die materielle Berechtigung fehlt (sog. Liberationswirkung).
Die hier im Raum stehenden Eintrittskarten sind ohne Ansehen der Person frei übertragbar. Mit der Rechtsnatur des kleinen Inhaberpapiers ist daher eine zivilrechtliche Bindung, mit der Konsequenz einer Einschränkung des Hausrechts, nicht begründbar.
Zum einen hat der Aussteller nach Ausgabe der Eintrittskarten keinen Einfluss darauf, wer die Karten zum Eintritt in die Einrichtung verwendet und wann dies geschieht. Zum anderen wäre es den Kunden - hier der K - möglich, über Dritte in den Besitz weiterer Eintrittskarten zu gelangen, um sich sodann auf die vertragliche Bindung des Betreibers der Einrichtung - hier der B - zu berufen und eine Einschränkung von dessen Hausrecht geltend zu machen. Damit liefe das Hausrecht desjenigen, der übertragbare Eintrittskarten für die von ihm betriebene Einrichtung begibt, im Ergebnis leer.
Eine Einschränkung folgt hier nicht aus der zivilrechtlichen Bindung.
Hinweis
Anders ist dies im Rahmen einer Hotelbuchung: Durch die bestätigte Hotelbuchung erwerben der Buchende und etwaige Mitreisende einen auf die Erbringung der vereinbarten Leistung gerichteten Anspruch (vgl. Senat, Urteil vom 12. März 2012 - V ZR 115/11, NJW 2012, 1725 Rn. 10). Die zivilrechtliche Bindung besteht unmittelbar zwischen dem Hotelbetreiber und dem durch die Bestätigung individualisierten Gast. Der Hotelier wird von der Leistungsverpflichtung nicht frei, wenn er einem Dritten gegenüber die vereinbarte Leistung erbringt. Die Hotelbuchung ist auch nicht frei übertragbar.
b Einschränkung durch Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 I GG?
Grundsätzlich können sich - außer durch vertragliche Bindungen und die hier nicht einschlägigen Benachteiligungsverbote aus § 19 AGG - Einschränkungen bei der Ausübung des Hausrechts insbesondere daraus ergeben, dass der Hausrechtsinhaber die Örtlichkeit für den allgemeinen Publikumsverkehr öffnet und dadurch seine Bereitschaft zu erkennen gibt, generell und unter Verzicht auf eine Prüfung im Einzelfall jedem den Zutritt zu gestatten, der sich im Rahmen des üblichen Verhaltens bewegt.
Das Betreten oder der Aufenthalt in diesen Räumlichkeiten bzw. auf diesen Flächen kann aber noch durch weitere rechtlich zulässige Bedingungen eingeschränkt werden. Sind diese jedoch erfüllt, so bedarf ein Hausverbot grundsätzlich eines sachlichen Grundes.
In solchen Konstellationen tritt die Privatautonomie (Art. 2 Abs. 1 GG) des Hausrechtsinhabers in ihrem Gewicht zurück und es stehen die Grundrechte des Betroffenen, namentlich dessen allgemeines Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) und das Gebot der Gleichbehandlung (Art. 3 GG) bei der gebotenen Abwägung einem willkürlichen Ausschluss entgegen.
aa Einschränkung der Drittwirkung
Allerdings folgt aus Art. 3 Abs. 1 GG kein objektives Verfassungsprinzip, wonach Rechtsbeziehungen zwischen Privaten von diesen prinzipiell gleichheitsgerecht zu gestalten wären. Dahingehende Anforderungen ergeben sich auch nicht aus den Grundsätzen der mittelbaren Drittwirkung. Grundsätzlich gehört es zur Freiheit jeder Person, nach eignen Präferenzen darüber zu bestimmen, mit wem sie unter welchen Bedingungen Verträge abschließen will.
bb Ausnahmebereich
Gleichheitsrechtliche Anforderungen für das Verhältnis zwischen Privaten können sich aus Art. 3 Abs. 1 GG jedoch für spezifische Konstellationen ergeben, etwa wenn der Ausschluss von Veranstaltungen, die aufgrund eigener Entscheidung der Veranstalter einem großen Publikum ohne Ansehen der Person geöffnet werden, für die Betroffenen in erheblichem Umfang über die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben entscheidet (vgl. BVerfGE 148, 267 Leitsatz 2 und Rn. 41). Indem ein Privater eine solche Veranstaltung ins Werk setzt, erwächst ihm von Verfassungs wegen auch eine besondere rechtliche Verantwortung. Er darf seine aus dem Hausrecht - so wie in anderen Fällen möglicherweise aus einem Monopol oder aus struktureller Überlegenheit - resultierende Entscheidungsmacht nicht dazu nutzen, bestimmte Personen ohne sachlichen Grund von einem solchen Ereignis auszuschließen.
Vor diesem Hintergrund ist ein sachlicher Grund nur dann zu fordern, wenn der Hausrechtsinhaber die Örtlichkeit dem allgemeinen Publikumsverkehr ohne Ansehen der Person öffnet und die Verweigerung des Zutritts für die Betroffenen in erheblichem Umfang über die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben entscheidet.
Die Frage wann eine solche herausgehobene Bedeutung für den Zugang der Einrichtung vorliegt ist nicht aus Perspektive des einzelnen Besuchers zu beurteilen, sondern aus objektiver Sicht. Es ist die Frage zu stellen, welche Funktion die vom Betreiber eröffnete und betriebene Einrichtung bei typisierender Betrachtung hat.
(1) Einrichtung, die der Betreiber einem großen Publikum ohne Ansehen der Person öffnet?
Diese Voraussetzung kann recht unproblematisch angenommen werden. Der Betreiber behält sich typischerweise nicht in jedem Einzelfall eine individuelle Entscheidung darüber vor, ob er demjenigen, der die Therme besuchen will, Einlass gewährt, sondern macht den Zutritt allein von der Entrichtung des Entgelts und davon abhängig, dass sich der Besucher an die für die Benutzung der Therme aufgestellten Regeln hält. Der Identität des einzelnen Besuchers, die der Betreiber zumeist gar nicht erfährt, kommt regelmäßig keine Bedeutung zu. So liegt es auch hier. Dies folgt auch daraus, dass die Beklagte Einlasskarten verkauft, die nicht an eine bestimmte Person gebunden, sondern frei übertragbar sind. Die Beklagte macht nicht geltend, dass sie nur bestimmten Personen Einlass gewährt oder für jeden Gast eine gesonderte Einzelfallentscheidung über den Zutritt trifft.
Demnach ist eine entsprechende Einrichtung gegeben.
(2) Einrichtung, die für den Betroffenen in erheblichen Umfang über die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben entscheidet?
Fraglich ist, ob eine solche Einrichtung vorliegt?
Aus der objektivierten Sicht des Betreibers ist eine Therme eine Einrichtung, die bei typisierender Betrachtung für die Gäste der Erholung und Entspannung und, soweit sie - wie hier - einen Saunabereich aufweist, auch der Ruhe und der Förderung der Gesundheit dient. Ungeachtet der unterschiedlichen Leistungsangebote verschiedener Thermen sind diese Leistungen prinzipiell austauschbar. Für den Gast kommt es typischerweise nicht darauf an eine ganz bestimmte Therme besuchen zu können.
Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht daraus, dass der Gast bereits seit vielen Jahren die Einrichtung besucht und gegebenenfalls freundschaftliche Beziehungen aufgebaut hat und beim Besuch pflegt.
Für die Beurteilung, ob eine Einrichtung erhebliche Bedeutung für die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben hat, kommt es nicht auf etwaige besondere Übungen, Bedürfnisse oder Interessen des einzelnen Besuchers an, sondern darauf, für welche Art der Nutzung der Betreiber seine Einrichtung aus objektivierter Sicht willentlich geöffnet hat. Nur wenn der Private eine Einrichtung betreibt und für den allgemeinen Publikumsverkehr öffnet, die bei objektiv-typisierender Betrachtung erhebliche Bedeutung für die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben hat, erscheint die Anwendung des Grundrechts aus Art. 3 Abs. 1 GG auf das Privatrechtsverhältnis zwischen dem Betreiber und seinen Kunden und die damit verbundene Einschränkung seines Hausrechts gerechtfertigt. Betreibt er hingegen eine Einrichtung, der eine solche Bedeutung objektiv nicht zukommt, kann ihm eine verfassungsrechtliche Bindung gegenüber dem einzelnen Kunden nicht dadurch erwachsen, dass die Einrichtung für dessen gesellschaftliches Leben subjektiv eine größere Bedeutung hat als ihr bei objektiv typisierender Betracht zukommt.
Anderenfalls entstünde zudem eine bedenkliche Rechtsunsicherheit für den Betreiber einer dem allgemeinen Publikumsverkehr geöffneten Einrichtung. Dieser könnte, wenn es nicht auf den objektiven Charakter seiner Einrichtung, sondern auf die - ihm regelmäßig nicht bekannten - Bedürfnisse der einzelnen Kunden ankäme, vor der Erteilung eines Hausverbots nicht erkennen, ob er dieses frei oder nur bei Vorliegen eines sachlichen Grundes aussprechen darf und welche verfahrensrechtlichen Vorgaben für ihn gelten, namentlich ob er den Betroffenen anhören, ggf. auch abmahnen und ob er das Hausverbot ihm gegenüber begründen muss.
Nah objektiver Betrachtung liegt keine entsprechende Einrichtung vor.
(3) Drittwirkung der Grundrechte aufgrund Monopolstellung?
Die Beklagte hat auch keine Monopolstellung, aus der sich ebenfalls gleichheitsrechtliche Anforderungen für das Verhältnis zu den Gästen ergeben könnten (vgl. zu diesem Aspekt BVerfG, NJW 2019, 3769 Rn. 8). Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts befinden sich in G. in einer Entfernung von 30 km von der Therme der B weitere Bäder und Saunen. Dass die Therme der B am Wohnort der K liegt und somit für diese besonders einfach zu erreichen ist, begründet keine Monopolstellung der B.
VII Gesamtergebnis
Es besteht kein Anspruch auf Rücknahme des Hausverbots.