Dies wollte jedoch der 2. Senat des BGH ändern. Er erachtete das Rechtsinstitut der gesetzesalternativen (=echten) Wahlfeststellung nach Art. 103 II GG als verfassungswidrig, weswegen er mit Datum vom 28.1.2014 (2 StR 495/12 - abrufbar unter www.bundesgerichtshof.de) einen Anfragebeschluss erlassen hatte, zu welchem im Anschluss nicht nur andere Senate sondern mit Beschluss vom 08. Mai 2017 nun auch der große Senat (Beschluss vom 08.05.2017, GSSt 1/17) Stellung genommen haben.
Voaussetzungen für eine alternative Verurteilung im Wege einer echten Wahlfeststellung sind die rechtsethische und psychologische Vergleichbarkeit der infrage kommenden Straftatbestände. Diese Vergleichbarkeit wird ermittelt anhand des Strafrahmens sowie des geschützten Rechtsguts. Bejaht wird sie regelmäßig bei Diebstahl und Hehlerei. Nach der Rechtsprechung des BGH ist eine Vergleichbarkeit "dann gegeben, wenn bei Berücksichtigung aller Umstände, die den Unrechtscharakter der Straftatbestände ausmachen, den möglichen Taten im Rechtsempfinden der Allgemeinheit eine ähnliche sittliche Bewertung zuteil wird; psychologische Gleichwertigkeit liegt nur bei einer einigermaßen gleichgearteten seelischen Beziehung des Täters zu den alternativ in Frage kommenden Verhaltensweisen vor."
Nach Auffassung des 2. Senats des BGH "handelt sich bei der gesetzesalternativen Wahlfeststellung nicht nur um richterrechtliche Rechtsfortbildung im Bereich des Strafverfahrensrechts, für die Art. 103 II GG nicht gelten würde. Vielmehr wirkt die Rechtsfigur strafbegründend; sie verletzt daher das Analogieverbot aus Art. 103 II GG."
Begründet wird dies mit den o.g. Voraussetzungen der Wahlfeststellung. Diese beinhalteten ein materiell rechtliches Element, da der Schuldspruch bei einer alternativen Verurteilung letztlich nur auf dem gemeinsamen, durch das Gericht zu ermittelnden Unrechtskern der alternativ in Betracht kommenden, mitienander vergleichbaren Normen beruhe. Der 2. Senat führt hierzu aus:
"Wenn die Voraussetzungen der alternativ in Frage kommenden Strafnormen jeweils nicht sämtlich zur Überzeugung des Tatgerichts feststellbar sind, führt die gesetzesalternative Verurteilung, die keinen eindeutigen Schuldspruch anhand des mildesten Gesetzes zulässt, nicht zur Anwendung einer der in Frage kommenden Strafnormen, sondern zur Aburteilung nur aufgrund eines gemeinsamen Unrechtskerns; denn aus der exklusiven Alternativität von zwei Verdachtsfällen ergibt sich eine die Aburteilung tragende Sachverhaltsgewissheit nur in Bezug auf einen solchen Unrechtskern; sie lassen sich dagegen nicht zu einer einheitlichen Schuldfeststellung verbinden. Schließen sich die in Betracht kommenden Tatbestände gegenseitig aus, fehlt in der Wahlfeststellungssituation jeweils der Nachweis eines Tatbestandsmerkmals bei beiden Strafnormen. Die wahldeutige Verurteilung erfolgt nur aufgrund eines „Rumpftatbestands“. Dies läuft auf eine „Entgrenzung“ von Tatbeständen oder auf „Verschleifung“ zweier Straftatbestände durch alternative Vereinigung der Einzelvoraussetzungen hinaus, die über die Verschleifung von verschiedenen Tatbestandsmerkmalen einer einzigen Strafnorm noch weit hinausgeht. Die Verurteilung beruht nämlich praktisch auf einer ungeschriebenen dritten Norm, die ‑ angeblich ‑ übereinstimmende Unrechtselemente der beiden gerade nicht zur Anwendung gelangenden Normen in sich vereinigen soll. Da es an einem gemeinsamen Tatbestandsmerkmal fehlt, wird dies in Gestalt einer ‑ angeblichen ‑ rechtsethischen „Vergleichbarkeit“ fiktiv ergänzt."
Der 1. (Beschl. v. 24.6.2014 – 1 ARs 14/14), der 5, (Beschl. v. 16.7.2014 – 5 ARs 39/14), der 3. (Beschl. v. 30.9.2014 – 3 ARs 13/14) und der 4. Senat (Beschl. v. 11.9.2014 – 4 ARs 12/14) hatten im Anschluss beschlossen, an dem Institut der echten Wahlfeststellung festhalten zu wollen. Demnach handele es sich "bei der Wahlfeststellung ..um eine Entscheidungsregel, die, indem sie vorgibt, wie bei einer solchen Unaufklärbarkeit zu entscheiden ist, grundsätzlich mit dem Zweifelssatz vergleichbar ist. Da sie aber bei Vorliegen ihrer Voraussetzungen – anders als der Grundsatz „in dubio pro reo“ – für den Fall der sich gegenseitig ausschließenden Sachverhaltsalternativen nicht zu einer bestimmten Verurteilung oder zum Freispruch gelangt, sondern im Schuldspruch zu einer wahldeutigen Verurteilung bei Festsetzung der für die am wenigsten schwerwiegende Sachverhaltsalternative angemessenen Strafe, mag die Wahlfeststellung in der Tat in einem Spannungsverhältnis zum Zweifelssatz stehen, ändert indes nichts an der Eigenschaft dieses Rechtsinstituts als Entscheidungsregel, durch die die verfahrensrechtliche Frage beantwortet wird, wie mit der genannten Beweissituation umzugehen ist. Solche prozessualen Regelungen werden von Art. 103 II GG jedoch nicht erfasst."
Da die anderen Senate mithin an Ihrer Rechtsauffassung festzuhalten gedachten, musste gem. § 132 GVG der Große Senat entscheiden. Dieser hat sich nun der Rechtsauffassung der soeben genannten Senate angeschlossen und die echte Wahlfeststellung als verfassungskonform angesehen. Die Rechtsprechung des BGH hat sich damit nicht geändert.
Hinweis
Mittlerweile hat sich auch das BVerfG mit der echten, ungleichartigen Wahlfeststellung auseinandergesetzt und festgestellt, dass diese nicht gegen Art. 103 II GG verstoße, da sie dem Verfahrensrecht zuzuordnen sei, so dass Art. 103 II GG nicht zur Anwendung komme. (BVerfG NJW 2019, 2837)