Zum (vereinfachten) Sachverhalt: A verkaufte ein Grundstück an B und verpflichtete sich, dort ein Fachmarktzentrum zu errichten. Bezugsfertig sollte das Zentrum am Ende Juni 2008 sein. In dem Kaufvertrag zwischen A und B fand sich eine Klausel, nach der derjenige Teil, der einen Rücktritt des anderen Teils zu vertreten hat, die Vertragskosten und die Kosten der Rückabwicklung tragen muss. Mitte Mai kündigte A an, nach Rücksprache mit den zukünftigen Mietern den Übergabetermin auf Anfang September verschoben zu haben. Damit war B nicht einverstanden. Anfang Juni setzte er A eine Frist zur Fertigstellung des Fachmarktzentrums bis Ende Juli 2008. B konnte diese Frist nicht einhalten. Daher erklärte B gegenüber A Anfang August den Rücktritt. Anfang September konnten dann jedoch die ersten Mieter einziehen. A verlangt nun von B Ersatz der Vertragskosten.
Ein Anspruch auf Ersatz der Vertragskosten könnte sich aus der Bestimmung im Kaufvertrag ergeben. Danach müsste A zurückgetreten sein und B müsste den Rücktritt zu vertreten haben. Ein Rücktrittsrecht des A könnte sich aus § 323 Abs. 1 BGB ergeben. Dies erfordert, dass B nicht oder nicht vertragsgemäß geleistet hat und A ihm eine angemessene Frist zur Nacherfüllung gesetzt hat. Geschuldet war die Errichtung eines bezugsfertigen Fachmarktzentrums. Die Leistung war Ende Juni 2008 fällig, B leistete jedoch erst Anfang September. Eine Nichtleistung liegt demnach vor. Fraglich ist jedoch, ob A dem B auch ordnungsgemäß eine angemessene Frist zur Nacherfüllung gesetzt hat. Darauf käme es nicht an, wenn die Fristsetzung schon gemäß § 323 Abs. 2 BGB entbehrlich wäre. In Betracht kommt hier eine Entbehrlichkeit gemäß § 323 Abs. 2 Nr. 1 BGB, ernsthafte und endgültige Leistungsverweigerung des Schuldners. Hintergrund der Befreiung ist, dass es reine Förmelei wäre, den Schuldner zur Setzung einer Nachfrist zu zwingen, obwohl feststeht, dass diese nicht eingehalten werden kann. Der BGH stellt jedoch fest, dass ein solcher Fall hier nicht vorliegt: B habe allein angekündigt, er könne nicht bei Fälligkeit leisten – von einer Nichtleistung nach Ablauf der Nachfrist war nicht die Rede. Auch die Vereinbarung eines neuen Einzugstermins mit den Mietern könne nicht als Leistungsverweigerung iSd § 323 Abs. 2 Nr. 1 BGB gesehen werden. Die Fristsetzung war daher nicht gemäß § 323 Abs. 2 Nr. 1 BGB entbehrlich. Somit kommt es auf die Frage an, ob die Äußerung des A Anfang Juni 2008 eine Fristsetzung iSd § 323 Abs. 1 BGB darstellt. A hat B eine Nachfrist (Leistung bis Ende August) gesetzt. Allerdings hat A dies getan, bevor die Leistung überhaupt fällig war. Fälligkeit sollte nämlich erst Ende Juni 2008 eintreten. Deshalb kommt es entscheidend darauf an, ob eine Nachfrist auch vor Fälligkeit gesetzt werden kann. Die Ausführungen des BGH zu dieser Frage? Der Wortlaut des § 323 Abs. 1 BGB lasse keinerlei Rückschlüsse darauf zu, zu welchem Zeitpunkt eine Fristsetzung erfolgen müsse. Allerdings habe § 326 Abs.1 S.1 BGB a.F. die Fristsetzung sogar erst dann zugelassen, wenn der Schuldner sich im Verzug befand. Die Gesetzesmaterialien legten zwar fest, dass am Verzugserfordernis nicht festgehalten werden solle, klärten die Frage zum Zeitpunkt der Fristsetzung im übrigen jedoch nicht. Dies spreche dafür, dass an der alten Rechtslage festgehalten werden solle, die Fristsetzung also erst nach Fälligkeit erfolgen könne. Für diese Auffassung – so der BGH – spreche auch, dass nur eine Fristsetzung nach Fälligkeit ihre Warnfunktion erfüllen könne. Habe der Schuldner eine fällige Leistung zum versprochenen Termin nicht erbracht, könne er – wenn er vom Gläubiger unter Setzung einer angemessenen Frist zu Leistung aufgefordert werde – davon ausgehen, dass diese Aufforderung auch Folgen haben werde. Vor Fälligkeit werde der Schuldner hingegen nicht entsprechend klar vor möglichen Konsequenzen einer Nichtleistung gewarnt. Auch bestehe überhaupt kein schützenswertes Interesse des Gläubigers an einer Fristsetzung vor Eintritt der Fälligkeit. Denn die Nachfrist könne ohnehin nicht vor Fälligkeit der Leistung beginnen und im übrigen sei es dem Gläubiger in der Regel auch zumutbar bis zur Fälligkeit abzuwarten. Sei ohnehin offensichtlich, dass die Voraussetzungen des Rücktritts eintreten, könne der Schuldner bereits gemäß § 323 Abs. 4 BGB zurücktreten. Damit hält der BGH also fest, dass Fälle, in denen vor Fälligkeit der Leistung bereits ernsthafte und endgültige Zweifel an der Leistungsfähigkeit oder Leistungsbereitschaft des Schuldners bestehen, ausschließlich über § 323 Abs. 4 BGB zu lösen sind. Eine Fristsetzung vor Fälligkeit ist hingegen nicht möglich.
Ein Rücktritt nach § 323 Abs. 4 BGB scheiterte hier daran, dass A den Rücktritt erst Anfang August, also NACH Fälligkeit erklärte. Hierzu führt der BGH aus, § 323 Abs. 4 BGB erfasse nur den Fall der Erfüllungsgefährdung. Nach Fälligkeit sei die Pflichtverletzung erwiesen, der Rücktritt könne nunmehr nur noch über § 323 Abs. 1 BGB erfolgen. Damit stand A kein Rücktrittsrecht gemäß § 323 BGB zu. Ein Rücktritt scheidet damit aus. Darauf, ob B den Rücktritt zu vertreten hat, kommt es damit nicht mehr an. A hat keinen Anspruch auf Ersatz der von ihm aufgewendeten Vertragskosten.
Mehr über die Fristsetzung ist in unserem GuKO ZR II und dem entsprechenden ExO zu finden. Einen Einblick in das Probeskript gibt es hier.