A. Tatbestand (vereinfacht):
Zwischen Mieter M und Vermieter V bestand ein Mietverhältnis. M kündigte das Mietverhältnis ordnungsgemäß zum 4.6.2021 und nutzte das Mietobjekt noch bis zum 31.12.2020. Am selben Tag warf er die Schlüssel in den Briefkasten des V. Dieser entdeckte die Schlüssel am 7.1.2021 und widersprach der Rückgabe mit Schreiben vom selben Tag, ohne die Schlüssel an M zurückzusenden.
M hatte die in den Mieträumen bei Vertragsschluss bereits installierte Küche abgebaut und anderweitig zwischengelagert. Vor dem Auszug hat er die Küche unmontiert in die Räumlichkeiten gestellt und die Wohnung i.Ü. geräumt.
Nachdem V im April 2021 die Wohnung inspiziert hatte, forderte er M mit Schreiben vom 10.5.2021 auf, die Küche ordnungsgemäß zu montieren und setzte vorsorglich eine Ausführungsfrist bis zum 10.06.2021. M verweigerte die Ausführung endgültig.
Daraufhin ließ V den Einbau am 12.6.2021 vornehmen, hierdurch entstanden ihm Kosten i.H.v. 2.500 €. Diesen Schadensersatzanspruch macht V mit am 26.08.2021 beim Mahngericht beantragten Mahnbescheid geltend. M beruft sich auf Verjährung.
Ist der - dem Grunde nach bestehende - Anspruch des V verjährt?
B. Lösung
Als Anspruchsgrundlage kommt hier §§ 280 I, III, 281 in Betracht.
I. Verjährung, § 214
Fraglich ist, ob der dem Grunde nach bestehende Anspruch verjährt ist.
Der Anspruch des V wäre nicht durchsetzbar, wenn er bereits verjährt wäre. M hat die Einrede der Verjährung erhoben, der Eintritt der Verjährung kommt gem. § 548 I 1 in Betracht.
1. Anwendungsbereich
Hierfür müsste die Vorschrift auf den Schadensersatzanspruch i.v.F. anwendbar sein.
„Die Vorschrift soll zwischen den Parteien des Mietvertrags eine rasche Auseinandersetzung gewährleisten und eine beschleunigte Klarstellung der Ansprüche wegen des Zustands der überlassenen Sache bei Rückgabe erreichen. Ihr Anwendungsbereich ist deshalb weit auszulegen. So unterfallen u.a. Ansprüche auf Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands der Mietsache ebenso der kurzen Verjährung wie Ansprüche wegen einer vertraglich übernommenen Instandsetzungs- und Instandhaltungspflicht. Ferner sind sämtliche Schadensersatzansprüche des Vermieters umfasst, die ihren Grund darin haben, dass der Mieter die Mietsache als solche zwar zurückgeben kann, diese sich aber nicht in dem bei der Rückgabe vertraglich geschuldeten Zustand befindet.“
Der vorliegende Anspruch auf Schadensersatz fällt damit in den Anwendungsbereich des § 548.
2. Beginn der Verjährungsfrist
Die Verjährungsfrist gemäß § 548 I beträgt 6 Monate und beginnt in dem Zeitpunkt, in dem der Vermieter die Mietsache zurückerlangt. Dabei ist der Begriff nicht identisch mit der Rückgabe in § 546.
Ein Zurückerhalten der Mietsache im Sinne von § 548 Abs. 1 S. 2 setzt nach seinem Wortlaut nicht voraus, dass das Mietverhältnis zum Zeitpunkt der Rückgabe bereits beendet war. Deshalb kann die Verjährung der Ansprüche des Vermieters auch bei fortbestehendem Mietverhältnis beginnen, wenn der Vermieter eine Art von Sachherrschaft erlangt, die ihn in die Lage versetzt, die Mietsache auf etwaige Mängel oder Veränderungen hin zu untersuchen (BGH NJW 2006, 1588).
M hat die Schlüssel am 31.12.2020 in den Briefkasten des V geworfen und die Wohnung geräumt verlassen.
Der BGH hat in BGH NJW 2012, 144 jedoch klargestellt, dass der Vermieter ein Mietobjekt nicht auf Zuruf zurücknehmen muss und den Besitz am selbigen auch nicht dadurch erhalte, dass die Schlüssel in den Briefkasten des Mietobjekts eingeworfen würden.
Im vorliegenden Fall hat der Vermieter den tatsächlichen Besitz (durch Einwurf des Schlüssels in den VERMIETERbriefkasten) an dem Mietobjekt jedoch zurückerhalten und insbesondere die Schlüssel behalten. Die vorliegende Konstellation ist daher mit derjenigen in BGH NJW 2021, 144 nicht vergleichbar.
M hat durch Einwurf der Schlüssel und Räumung der Wohnung den Besitz an derselben vollständig aufgegeben. V hat am 07.01.2021 Kenntnis hiervon erlangt.
a. Auswirkungen fehlenden Besitzbegründungswillens
Fraglich ist, wie sich der Umstand auswirkt, dass V zur Rücknahme der Mietsache nicht bereit war. Damit fehlte das tatsächliche Element des Besitzbegründungswillens auf Seiten des V.
Hierbei ist gerade streitig, unter welchen Voraussetzungen der Lauf der Verjährungsfrist beginnt.
b. Ansichten
Hierzu werden im Wesentlichen drei Ansichten vertreten.
„Nach einer Auffassung sind die Bestimmungen über den Annahmeverzug heranzuziehen mit der Folge, dass der Lauf der Verjährungsfrist des § 548 Abs. 1 BGB ausgelöst werde, sobald der Mieter die erfüllungstaugliche Rückgabe der geräumten Mietsache anbiete.“
„Nach anderer Auffassung bleibt der Annahmeverzug mit der Rücknahme der Mietsache ohne Einfluss auf den Beginn der Verjährung nach § 548 Abs. 1 BGB; vielmehr könne nur die tatsächliche Besitzaufgabe durch den Mieter (z.B. durch Schlüsseleinwurf bei dem Vermieter) den Lauf der Verjährungsfrist auslösen, weil erst dadurch der Vermieter die Möglichkeit der ungestörten Untersuchung der Mietsache erhalte, von der der Beginn der Verjährungsfrist abhänge.“
„Schließlich wird vertreten, dass es – unabhängig vom Vorliegen eines Annahmeverzugs – der Erlangung der unmittelbaren Sachherrschaft durch den Vermieter gleichstehe, wenn dieser sich selbst der Möglichkeit begebe, die unmittelbare Sachherrschaft auszuüben, etwa indem er ein Angebot des Mieters auf Übergabe der Schlüssel zurückweist.“
Hinweis: Diese Fragestellung wurde höchstrichterlich noch nicht entschieden. Auch in der vorliegenden Entscheidung war eine abschließende Bewertung nicht notwendig.
c. Anwendung auf den vorliegenden Fall
Die Verjährung beginnt nach allen Ansichten gem. § 187 I am 8.1.2021.
„Nach den letztgenannten beiden Auffassungen hat die tatsächliche Besitzaufgabe durch M den Lauf der Verjährungsfrist ausgelöst, weil V hierdurch die Möglichkeit der ungestörten Untersuchung der Mietsache erhalten oder er sich mit der Verweigerung der Besitzergreifung selbst dieser Möglichkeit begeben hat.
Soweit nach der erstgenannten Ansicht die Bestimmungen über den Annahmeverzug heranzuziehen sind, ergibt sich schon deshalb kein anderes Ergebnis, weil nach dieser Rechtsauffassung sogar ein Verjährungsbeginn ohne Rückerhalt des Mietobjektes durch den Vermieter möglich sein soll.
Davon abgesehen lagen aber auch die Voraussetzungen eines Annahmeverzugs (tatsächliches Angebot nach § 294) vor. Die von V bemängelten nicht durchgeführten Arbeiten hätten allenfalls eine Schlechterfüllung der Rückgabeverpflichtung begründet, jedoch nicht schon eine Erfüllungsleistung an sich entfallen lassen. V konnte die tatsächliche Inbesitznahme des Mietobjekts auch mit Blick auf das (lediglich) noch bis zum 04.06.2021 fortdauernde Mietverhältnis nicht berechtigt verweigern. Er war bereits nach Erhalt der Schlüssel ohne weiteres dazu in der Lage, das Mietobjekt ungestört zu untersuchen, ohne dass eine Besitzposition des M verblieben war. Bis zum Mietende bestand kein erheblicher Zeitraum. Entgegenstehende schutzwürdige Belange des V sind weder dargetan noch sonst ersichtlich. Da ein Vermieter jedenfalls in einer solchen Lage nicht den Eintritt der kurzen Verjährung zu Lasten des Mieters hinauszögern können sollte, lässt es sich der Erlangung des unmittelbaren Besitzes durch den Vermieter gleichsetzen, wenn er – aus den vorgenannten Gründen – davon absieht, die Mieträume in Besitz zu nehmen, obwohl er von der Besitzaufgabe durch den Mieter weiß und die Möglichkeit der Inbesitznahme hat.“
3. Verjährungsfrist
Die Verjährungsfrist begann damit als Ereignisfrist spätestens am Tag nach Kenntniserlangung, also am 8.1.2021, und endete am 8.6.2021. Damit wurde der Mahnbescheid am 26.08.2021 bereits zu spät beantragt.
Hinweis
§ 200 S. 1 Hs. 1 führt vorliegend zu keinem anderen Fristbeginn, da § 548 I 2 insoweit spezieller ist
II. Ergebnis
Der Anspruch des V gegen M ist verjährt.