Das OLG Köln (Urt. v. 09.06.2020 - BeckRS 2020, 13032) hat das bejaht. Im konkreten Fall betrieb der Angeklagte A ein Internetforum und verfasste dort verschiedene, öffentlich abrufbare Beiträge, in welchen er Frauen herabwürdigte, indem er sie als parasitäre, minderwertige Menschen, den Tieren gleichstehend und nur zu Reproduktionszwecken zu gebrauchen darstellte.
Zu prüfen war, ob A sich dadurch gem. § 130 II Nr. 1 a) und c) StGB strafbar gemacht haben könnte. 130 I StGB spricht in Abs. 1, auf welchen in Abs. 2 Nr. 1 a und c Bezug genommen wird, von nationalen, rassischen, religiösen oder durch ihre ethnische Herkunft bestimmten Gruppen aber auch allgemein von „Teilen der Bevölkerung“. Fraglich ist nun, was unter „Teilen der Bevölkerung“ zu verstehen ist.
Das OLG beginnt mit dem Wortlaut: „Gängiger Begriffsbestimmung zufolge ist unter einem „Teil“ der Bevölkerung eine Personenmehrheit zu verstehen, die individuell nicht mehr überschaubar ist und sich von der Gesamtheit der Bevölkerung aufgrund bestimmter Merkmale äußerer oder innerer Art unterscheidet…..Semantisch ist es zunächst zwanglos möglich, die Frauen als Teil der Bevölkerung anzusprechen…..“
Es vertieft sich dann anschließend in die Gesetzgebungsgeschichte (historische Auslegung) und kommt zu dem Ergebnis, dass im Laufe der Zeit der Anwendungsbereich durch neu eingefügte Begriffe sukzessive erweitert wurde so vor allem auch durch den Begriff „Teile der Bevölkerung“. Der Vorschlag des Rechtsausschusses, der diese Bezeichnung beinhaltete, wurde alsdann zum Gesetz.
Der Rechtsausschuss (BT-Drs. 3/1746) hat dazu folgendes ausgeführt: „Während die Regierungsvorlage zur Änderung des § 130 StGB … und auch die Ergebnisse der früheren Beratungen des Rechtsausschusses … sich auf die strafrechtliche Würdigung bestimmter Angriffe auf nationale, rassische, religiöse oder durch ihr Volkstum bestimmte Gruppen beschränkten, sieht der nunmehr erarbeitete Vorschlag von einer solchen Beschränkung bewußt ab. Dabei wird der Begriff der „Gruppe“ überhaupt nicht mehr verwendet, sondern stattdessen von „Teilen der Bevölkerung“ gesprochen. … Mit der Bezeichnung … soll deutlich gemacht werden, daß die Bevölkerung in ihrer vielfältigen Gliederung nach Stämmen, religiösem Bekenntnis und anderen Merkmalen ein Ganzes darstellt, das sich aus eben diesen verschiedenen Teilen zusammensetzt, ja daß das Ganze des Volkes ohne diese verschiedenen Teile nicht denkbar ist…..„Diese Änderung bedeutet, wie dem Ausschuß bewußt ist, eine erhebliche Ausweitung des Tatbestandes gegenüber der Regierungsvorlage zu § 130 StGB insofern, als die Beschränkung auf einzelne, nach bestimmten Merkmalen bezeichnete Gruppen entfällt.“
130 II StGB gilt seitdem als „allgemeine Anti-Diskriminierungsvorschrift“, so dass auch aus teleologischen Gründen nur wenig gegen die Aufnahme der Frauen in den Anwendungsbereich spricht. Dazu das OLG:
„Unter teleologischen Aspekten ist zunächst kein Grund ersichtlich, die von der Berufungsstrafkammer in erster Linie für leitend erachteten Unterscheidungskriterien für einen „Teil“ der Bevölkerung und die darüber hinaus anerkannten Kriterien (Behinderung, geschlechtliche Orientierung) einerseits, die Geschlechtszugehörigkeit als mögliches Unterscheidungsmerkmal andererseits unterschiedlich zu behandeln und ausschließlich letzteres aus dem Anwendungsbereich der Vorschrift herauszunehmen. Allenfalls könnte erwogen werden, dass die Vorschrift nur dem Minderheitenschutz zu dienen bestimmt ist und aus diesem Grund die Frauen als statistische Mehrheit der Bevölkerung aus dem Anwendungsbereich auszuscheiden seien (in diese Richtung: NK-StGB-Ostendorf, 5. Auflage 2018, § 130 Rz. 1, 19 [„ein allg. Minderheitenschutz“]). Für eine solche Sichtweise könnte ins Feld geführt werden, dass Angehörige der Mehrheitsbevölkerung von Anderen nichts zu befürchten hätten, weil ihnen alleine die zahlenmäßige Überlegenheit genügend Schutz biete. Doch abgesehen davon, dass eine solche Konzeption im Gesetzeswortlaut keinen Ausdruck gefunden hat, könnte die Rechtsanwendung kaum von Zufälligkeiten der (möglicherweise wechselnden) Majoritätenbildung abhängig gemacht werden (zutr. B a.a.O. S. 381).“
Eine Strafbarkeit des A gem. § 130 II Nr. 1 a) und c) StGB ist damit zu bejahen.
Expertentipp
Eine Strafbarkeit aus § 185 StGB kommt dagegen nicht in Betracht. Denken könnte man an die Beleidigung der einzelnen Frau unter einer Kollektivbezeichnung. Hier ist aber die Größe des Kollektivs zu beachten. Das Kollektiv muss deutlich abgrenzbar und zahlenmäßig überschaubar sein.