Sachverhalt:
Der Beklagte fuhr als verantwortlicher Schiffsführer mit einem Tankmotorschiff (TMS) "Patmos" rheinaufwärts. Gegen 21.00 Uhr ging er linksrheinisch bei Rhein-km 838,1 in einem durch das Tafelzeichen A5 gekennzeichneten Stillliegeverbots-Bereich vor Anker.
Während des Ankermanövers kam das TMS "Patmos" etwa 100 Meter vom Ufer entfernt mittschiffs fest und verfiel mit dem Bug zum linken Ufer. Der Bug lag etwa 20 Meter vom Ufer entfernt unterhalb der Einmündung des Xantener Yachthafens. Ein Buganker war quer vor der Einfahrt zum Yachthafen ausgebracht.
Die Einfahrt bildete die einzige Zufahrt zu dem seinerzeitigen Baufeld 7 des Bauvorhabens "Reeser Flutmulde", wo sich Schiffe der Klägerin befanden. Diese wurde nun vom Beklagten blockiert.
Das TMS "Patmos" kam erst am einige Tage später mit Hilfe zweier Schubboote und durch eigenes Freiturnen wieder frei.
Die Klägerin macht Stillstandskosten geltend.
Frage 1:
Bestehen dem Grunde nach Ansprüche auf Schadensersatz.
Frage 2:
Wo wäre die Frage zu verorten, wenn die eingeschlossenen Schiffe nicht im Eigentum der Klägerin stünden, sondern bloß gemietet wären?
Lösung Frage 1
Anspruch des Klägers gegen die Beklagte auf Schadensersatz aus § 823 Abs. 1?
1. Verletzung eines Rechtsguts/Handlung
Fraglich ist, ob vorliegend eine Eigentumsverletzung angenommen werden kann.
Die Verletzung des Eigentums kann nicht nur durch Verletzung der Sachsubstanz, sondern grundsätzlich auch durch eine objektive Verhinderung der Nutzungsmöglichkeit bewirkt werden.
Doch führt nicht jede bloße Einschränkung der Nutzungsmöglichkeit zur Annahme einer Eigentumsverletzung. Um eine uferlose Haftung für bloße Nutzungsbeeinträchtigungen zu vermeiden, muss eine Abgrenzung vorgenommen werden. Dem Schutz über § 823 Abs. 1 sollen nur solche Beeinträchtigungen unterfallen, welche einem Sachentzug nahe kommen.
Hier gilt es im Wesentlichen zwei Konstellationen zu unterscheiden:
- Die Verletzungshandlung führt bloß zu einer Einengung der möglichen Verwendung. Dies kann zum Beispiel dann angenommen werden, wenn ein Vehikel nur ein bestimmtes Ziel nicht erreichen kann, jedoch im Übrigen in seiner Fortbewegungsfreiheit nicht eingeschränkt wird. In diesen Fällen ist die Sache dem Grunde nach frei nutzbar und nur durch die faktischen Beschränkungen in seiner Umwelt nicht in der Lage einen bestimmten Ort (auf einem bestimmten Weg) zu erreichen.
Eine solche Konstellation ist mit dem Entzug der Sache nicht vergleichbar, da der Eigentümer die Sache weiterhin bestimmungsgemäß nutzen kann, die Konstellation unterfällt daher nicht der Eigentumsverletzung im Sinne von § 823 Abs. 1.
- Führt die Verletzungshandlung allerdings dazu, dass die Verwendungsmöglichkeiten des Vehikels gänzlich aufgehoben wird, so kann die Sache nicht mehr bestimmungsgemäß genutzt werden.
In diesen Konstellationen kommt die Einschränkung der Nutzungsmöglichkeit einem Sachentzug faktisch gleich. Aus diesem Grund ist diese Fallgruppe von der Eigentumsverletzung umfasst.
Im vorliegenden Fall wurden die Schiffe der Klägerin im Yachthafen eingesperrt.
Die im Hafen eingesperrten Schiffe konnten den Hafen nicht verlassen und damit nicht bestimmungsgemäß genutzt werden. Die vollständige Aufhebung der Verwendungsfähigkeit führt, wie oben bereits dargelegt, zu einer Eigentumsverletzung.
2. Haftungsbegründende Kausalität
Die Rechtsgutsverletzung beruht adäquat kausal auf der Verletzungshandlung, auch bestehen keine Bedenken im Hinblick auf den Schutzzweck der Norm.
3. Rechtswidrigkeit
Die Rechtswidrigkeit wird durch die Rechtsgutsverletzung indiziert.
4. Verschulden
Da der Steuermann im Stillliegeverbots-Bereich vor Anker ging, war die Handlung zumindest fahrlässig.
Damit besteht dem Grunde nach eine Schadensersatzpflicht des Schädigers.
Frage 2:
Wären bloß gemietete Schiffe betroffen, so hätten sie die Ausführungen im Rahmen des Besitzes zu prüfen.
Zunächst müssten sie darlegen, ob der Besitz von § 823 Abs. 1 erfasst ist. Nach überwiegender Ansicht ist nur der berechtigte Besitz (mithin das Recht zum Besitz) vom Schutz des § 823 Abs. 1 erfasst. Die Abgrenzung zwischen bloßer Einschränkung der Nutzungsmöglichkeit und Eigentumsverletzung wäre sodann inzident vorzunehmen. Der Schutz des Rechts zum Besitz ist auch nur dann anzunehmen, wenn im Falle einer Nutzungseinschränkung eine Eigentumsverletzung (wie oben) anzunehmen wäre.
Exkurs
„Fleetfall“ das Original (vereinfacht):
Im sogenannten „Fleetfall“ des BGH vom 21.12.1970 waren zwei Posten, die sie als Grundfälle unterscheiden sollten, enthalten.
Ein Schiff wurde durch herabstürzende Hindernisse derart im Hafen eingesperrt, dass es jede Bewegungsmöglichkeit verloren hatte.
Hier bestand aufgrund der faktischen Beseitigung der Verwendungsmöglichkeit eine Eigentumsverletzung.
Anderen Schiffen wiederum, war es wegen dem Hindernis nicht möglich den Hafen zu erreichen. Jedoch hatten diese Schiffe theoretisch die Möglichkeit die Rückfahrt anzutreten.
Hier war eine Eigentumsverletzung zu verneinen. Die Verwendungsmöglichkeit dieser Schiffe war hier gerade nicht aufgehoben worden. Vielmehr konnten diese nach Belieben genutzt werden. Einzig die Strecke, auf welcher diese unterwegs waren, war nicht befahrbar. Dies unterfällt jedoch nicht der Eigentumsverletzung im Sinne von § 823 Abs. 1.
Amtliche Leitsätze:
Wird ein Schiff durch ein vom Unterhaltungspflichtigen eines schiffbaren Gewässers schuldhaft verursachtes Schiffahrtshindernis (hier: Balkensperre eines Anliegers zur Stützung einer bereits teilweise eingestürzten Haus- und Ufermauer) in einem Teil des Gewässers derart eingeschlossen, daß es jede Bewegungsmöglichkeit verliert, so haftet der Unterhaltungspflichtige dem Schiffseigentümer nach § 823 Abs. 1 BGB wegen Verletzung des Eigentums für den durch das Festliegen des Schiffes entstandenen Schaden.
Können Schiffe wegen der durch Verletzung der Unterhaltungspflicht herbeigeführten Sperrung eines schiffbaren Gewässers nicht zu einer hinter der Sperre liegenden und dadurch vom Wasser her nicht mehr zugänglichen Verladestelle gelangen, so liegt kein Eingriff des Unterhaltungspflichtigen in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der Schiffseigentümer vor, die an dieser Verladestelle laden oder löschen wollen.