Die Klägerin machte mit ihrem Hund einen Spaziergang auf einem nahegelegenen Feldweg. Dabei war der Hund nicht angeleint. Der Beklagte bog nun mit seinem Traktor auf ebendiesen Weg ein und überrollte dabei den Hund. Dieser musste in der Folge eingeschläfert werden. Die Klägerin macht nun geltend, durch den Schock über den Tod ihres Haustieres seien bei ihr pathologische Trauerreaktionen eingetreten. Diese hätten einige Monate angedauert und seien so stark gewesen, dass sie Psychopharmaka habe einnehmen müssen. Hat die Klägerin gegen den Beklagten einen Anspruch auf Schmerzensgeld?
Bevor man in die Prüfung einsteigt, ist es sinnvoll, sich die Grundsätze zur Behandlung von sog. Schockschäden ins Gedächtnis zu rufen. Diese ergibt sich aus den folgenden Grundprinzipien des Deliktsrechts: Gemäß § 249 BGB ist der Schädiger für jeden von ihm verursachten Schaden verantwortlich; dies gilt grundsätzlich sowohl für physisch als auch für psychisch vermittelte Schäden. Andererseits lässt sich den Ausnahmevorschriften der §§ 844, 845 BGB entnehmen, dass bloß indirekt Geschädigte grundsätzlich keine eigenen Ansprüche gegen den Schädiger geltend machen können. § 253 Abs. 2 BGB fordert zudem eine restriktive Handhabung des Ersatzes immaterieller Schäden. Daher kommt nach der Rechtsprechung ein Ersatz von Schockschäden nur dann in Betracht, wenn der Schock so stark ist, dass der Betroffene durch die seelische Erschütterung selbst krank wird, das heißt in einem eigenen Rechtsgut iSd § 823 Abs. 1 BGB (hier: Gesundheit) betroffen ist. Ein pauschales „Angehörigenschmerzensgeld“ ist dem deutschen Deliktsrecht hingegen fremd.
Nun zum Fall: Ein Anspruch könnte sich aus § 823 Abs. 1 BGB ergeben. Dazu müsste der Beklagte in zurechenbarer Weise ein Rechtsgut der Klägerin rechtswidrig und schuldhaft verletzt haben und der Klägerin müsste hierdurch ein Schaden entstanden sein. Eine Verletzung des Rechtsguts Gesundheit liegt durch die schweren körperlichen Beeinträchtigungen der Klägerin im Zuge des Todes ihres Haustieres vor. Auch ist mit dem Überfahren des Tieres eine Verletzungshandlung des Beklagten gegeben. Fraglich ist jedoch, ob die erforderliche haftungsbegründende Kausalität gegeben ist. Das Überfahren des Tieres war nach der conditio-sine-qua-non-Theorie ursächlich für die Gesundheitsverletzung. Auch sind körperliche Reaktionen auf den Tod eines Haustieres nachvollziehbar und liegen nicht außerhalb jeder Lebenswahrscheinlichkeit. Damit ist ein Äquivalenz-und Adäquanzzusammenhang zwischen Verletzungshandlung und Rechtsgutsverletzung gegeben. Die Zurechnung könnte jedoch nach den Grundgedanken des Schutzzwecks der Norm entfallen. Danach muss sich in der konkreten Rechtsgutsverletzung gerade die Gefahr realisieren, vor der die vom Schädiger verletzte Verhaltenspflicht schützen soll. Dies verneint der BGH. Körperliche Reaktionen auf eine Verletzung oder Tötung eines Tieres seien zwar menschlich nachvollziehbar, gehörten jedoch zum allgemeinen Lebensrisiko. Die Rechtsprechung zu Schmerzensgeldansprüchen in Fällen psychisch vermittelten Gesundheitsverletzungen bei Verletzung oder Tod nahestehender Personen oder Angehöriger könne also nicht auf den Tod oder die Verletzung von Haustieren übertragen werden. Ein Anspruch auf Schmerzensgeld scheidet damit aus.
Mehr über entsprechende Zurechnungsfragen ist in unserem GuKO ZR II und dem entsprechenden ExO zu lesen. Einen Einblick in das Probeskript gibt es hier.