Die Entscheidung des BGH ist abrufbar unter: http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&Datum=2016-5-24&nr=75136&pos=5&anz=8
Sachverhalt:
Der Mieter M klagt gegen seinen ehemaligen Vermieter V auf „Schmerzensgeld“, weil dieser ihn insbesondere in Kurzmitteilungen (SMS) in der Zeit vom 10. bis 11. Juni 2012 unter anderem bezeichnet hat als "Lusche allerersten Grades", "arrogante rotzige große asoziale Fresse", "Schweinebacke", "feiges Schwein", "feige Sau", "feiger Pisser", "asozialer Abschaum" und "kleiner Bastard".
Der Mieter erreichte im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens ein Anerkenntnisurteil, wonach der V es unter Androhung eines Ordnungsgelds zu unterlassen hat, den M zu beleidigen oder in irgendeiner Form - auch unter Verwendung von Fernkommunikationsmitteln - unmittelbaren Kontakt zu dem M aufzunehmen.
M erstattete zudem Strafanzeige. Das Ermittlungsverfahren wurde eingestellt und M auf den Privatklageweg verwiesen, von dieser Möglichkeit hat er kein Gebrauch gemacht.
Lösung:
Anspruch des M auf Schmerzensgeld gemäß § 823 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 I, 1 I BGB?
Das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist als sonstiges Recht anerkannt und wird durch § 823 geschützt.
Grundsätzlich kann auch bei Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts eine Entschädigung in Geld verlangt werden.
Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH begründet eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts einen Anspruch auf eine Geldentschädigung, wenn es sich um einen schwerwiegenden Eingriff handelt und die Beeinträchtigung nicht in anderer Weise befriedigend aufgefangen werden kann. Ob eine so schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts vorliegt, dass die Zahlung einer Geldentschädigung erforderlich ist, kann nur aufgrund der gesamten Umstände des Einzelfalls beurteilt werden. Hierbei sind insbesondere die Bedeutung und Tragweite des Eingriffs, Anlass und Beweggrund des Handelnden sowie der Grad seines Verschuldens zu berücksichtigen.
Bei der Gesamtwürdigung der Umstände ist auch zu berücksichtigen, ob ein Unterlassungstitel erwirkt wurde oder erwirkt werden könnte. Die aus diesem Titel folgenden Vollstreckungsmöglichkeiten können das Bedürfnis nach einer Entschädigung in Geld beeinflussen und im Zweifel sogar ausschließen.
Die Geldentschädigung soll nur Fälle schwerer Persönlichkeitsverletzungen erfassen und findet ihre Berechtigung darin, dass in besonders gelagerten Fällen die Würde des Menschen ohne jede Sanktion bleiben würde. Ein solcher Zustand sei jedoch nicht hinnehmbar.
Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze ist im vorliegenden Fall eine Geldentschädigung abzulehnen.
Zwar liegen grundsätzlich grobe Beleidigungen vor, doch wurden diese nur in einem kurzen Zeitraum geäußert. Zudem gilt es zu berücksichtigen, dass diese bloß im persönlichen Umfeld ohne Fortwirkung in der Öffentlichkeit stattgefunden haben. Die hieraus resultierende Beeinträchtigung kann durch den im einstweiligen Verfahren erwirkten strafbewehrten Unterlassungstitel aufgefangen werden.
Ferner hatte der M die Möglichkeit die Beleidigungen auf dem Privatklageweg zu verfolgen, um sich hierdurch Genugtuung zu verschaffen. Es liegen keine weiteren Umstände vor, welche die Notwendigkeit einer Geldentschädigung nahe legen würden.
Expertentipp
in einer Klausur, welche diese Frage enthält, wäre es wichtig einleitend darzulegen, ob eine Geldentschädigung im Falle einer Beleidigung überhaupt in Betracht kommt und unter welchen Voraussetzungen ein entsprechender Anspruch angenommen werden kann. Sodann gilt es den Einzelfall im Sachverhalt sauber auszuwerten und damit alle Punkte mitzunehmen.