Sachverhalt:
Der Kläger begehrt die Rückabwicklung eines Kaufvertrages über einen Audi TT RS Coupé. Der Beklagte, ein Kraftfahrzeughändler, hatte dieses Fahrzeug auf der Internetplattform "mobile. de" mit der Beschreibung "inklusive Audi-Garantie bis 11/2014" zum Verkauf angeboten. Das Bestehen der Herstellergarantie wurde zwischen den Parteien vereinbart. Der Kläger erwarb das Fahrzeug am 6. Juli 2013 mit einer Laufleistung von 45.170 km zum Preis von 42.200 €.
Als das Fahrzeug zwecks Reparatur ins Audi Zentrum gebracht wurde, wurde festgestellt, dass der Tacho im Jahr 2012 manipuliert wurde und daher die Herstellergarantie ihre Gültigkeit verloren hat.
Der Kläger tritt nach fruchtlosem Ablauf einer angemessenen Frist vom Vertrag zurück und verlangt Rückzahlung des Kaufpreises. Der Beklagte macht geltend er sei nicht zur Rückzahlung ohne Rückgabe des Fahrzeugs verpflichtet.
Hat der Kläger einen Anspruch auf Rückzahlung?
Außer Betracht bleibt die Frage, ob schon das Abweichen des Kilometerstandes einen Mangel darstellt.
Lösung:
Anspruch des Klägers aus §§ 437 Nr. 2, 433, 434 I 1, 323 I, 346 I, 348, 320, 322
- Kaufvertrag
Die Parteien haben laut Sachverhalt einen Kaufvertrag geschlossen.
- Mangel bei Gefahrübergang
Ein Mangel könnte sich aus § 434 I 1 ergeben.
Ob ein Mangel vorliegt, richtet sich danach welche Beschaffenheitsdefinition man zugrunde legt.
Nach einer veralteten Ansicht, welche die Vorinstanz (OLG München) vertreten hat, sind als Beschaffenheit einer Sache im Sinne von § 434 I nur solche Faktoren anzusehen, die der Sache selbst anhaften.
Die Herstellergarantie ist ein außerhalb der Kaufsache liegender Umstand und nach diesem Ansatz keine Beschaffenheit. Ein Mangel wäre nach dieser Theorie abzulehnen.
Nach der Ansicht des BGH und großen Teilen der Literatur ist von einem weiten Beschaffenheitsbegriff auszugehen.
„Damit sind als Beschaffenheit einer Sache im Sinne von § 434 Abs. 1 BGB sowohl alle Faktoren anzusehen, die der Sache selbst anhaften, als auch alle Beziehungen der Sache zur Umwelt, die nach der Verkehrsauffassung Einfluss auf die Wertschätzung der Sache haben (BGH, Urteile vom 19. April 2013 - V ZR 113/12, NJW 2013, 1948 Rn. 15; vom 30. November 2012 - V ZR 25/12, aaO; Senatsbeschluss vom 26. August 2014 - VIII ZR 335/13, juris Rn. 17; OLG Koblenz, MDR 2012, 507, 508; ähnlich Staudinger/Matusche-Beckmann, BGB, Neubearb. 2013, § 434 Rn. 54; MünchKommBGB/Westermann, 7. Aufl, § 434 Rn. 10; Reinking/Eggert, Der Autokauf, 12. Aufl., Rn. 2441; jeweils mwN; enger hingegen Erman/Grunewald, BGB, 14. Aufl., § 434 Rn. 3)“
Der weite Beschaffenheitsbegriff ist Ausfluss des gesetzgeberischen Bestrebens die Komplikationen, welche auf die nach früherer Gesetzeslage vorgenommene Unterscheidung zwischen Fehlern und dem Fehlen zugesicherter Eigenschaften zurückzuführen waren, zu vermeiden.
Für den weiten Beschaffenheitsbegriff sprechen ferner europarechtliche Erwägungen.
„Hinzu kommt, dass ein enges Verständnis des Beschaffenheitsbegriffs dem Wortlaut des Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Mai 1999 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter (Verbrauchsgüterkaufrichtlinie, ABl. EG Nr. L 171 S. 12) widerspricht, welcher für den Verbrauchsgüterkauf den Verkäufer ohne Einschränkung auf physische Eigenschaften verpflichtet, "dem Kaufvertrag gemäße Güter zu liefern". Die Umsetzung dieser Richtlinie war eines der Hauptanliegen des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes.“
Der BGH lässt in seiner Entscheidung offen, ob nicht nur Beziehungen der Sache zur Umwelt, die ihren Ursprung im Kaufgegenstand haben, umfasst sind, sondern sogar jede tatsächliche Beziehung zum Kaufgegenstand ausreicht. Der letztgenannte Ansatz wird in der Literatur bereits vertreten (u.a. Reinicke/Tiedke, Kaufrecht Rn. 303ff).
Legt man im vorliegenden Fall den weiten Beschaffenheitsbegriff zugrunde, so stellt das Fehlen der Herstellergarantie ein Beschaffenheitsmerkmal und damit einen Sachmangel dar. Das Bestehen einer Herstellergarantie bei einem Kraftfahrzeug stellt ein auf das Fahrzeug bezogenes rechtliches Verhältnis zwischen Fahrzeughalter und Fahrzeughersteller dar, in dessen Rahmen in der Regel gemäß den Garantiebedingungen Ersatz für die Kosten bestimmter Reparaturen geleistet wird. Damit handelt es sich um eine Beziehung der Sache zur Umwelt, die nach der Verkehrsauffassung Einfluss auf die Wertschätzung der Sache hat. Das Bestehen einer Herstellergarantie kann großen Einfluss auf den Wert des Fahrzeugs haben.
Der Mangel lag zudem laut Sachverhalt vor Gefahrübergang (2012) vor.
- Rücktrittserklärung
Der Kläger hat den Rücktritt vom Kaufvertrag erklärt.
- Fristsetzung
Der Kläger hat eine erfolglos eine angemessene Frist gesetzt.
- Rechtsfolge
Der Kläger kann gemäß § 346 I das Geleistete zurückverlangen. Infolge der Einrede des Beklagten ist die Rückzahlung Zug um Zug gegen Rückübereignung des Fahrzeugs gem. §§ 348, 320, 322 zu bewirken.
Merke
§ 348 ist notwendig, da das Rückgewährschuldverhältnis kein gegenseitiger Vertrag im Sinne von § 320 darstellt. Da jedoch das Rückgewährschuldverhältnis auf einem gegenseitigen Vertrag basiert, ist die gesetzliche Verweisung erfolgt.