Der BGH (Beschl. v. 07.03.2017, 1 StR 41/17) musste sich mit einem klassischen „Heiratsschwindler-Fall“ befassen, indem sich u.a. folgendes zugetragen hatte:
A, der sich in einer Liebesbeziehung mit L befand, hatte diese unter Vorspiegelung eines Rückzahlungswillens zur Auszahlung von 121.500,00 € als vermeintliche Darlehn bewegt. Als L nunmehr über keine Barmittel mehr verfügte, fasst A den Entschluss, sie in Zukunft als „institutionalisierte Geldquelle“ zu benutzen. Er spiegelte ihr vor, Schulden bei unangenehmen Gläubigern zu haben, die ihn unter Druck setzten und bat sie, ihm wertvolle Gegenstände zu überlassen, die er dann verpfänden könne, um seine Gläubiger zu befriedigen. Wahrheitswidrig erklärte es des Weiteren, dass er die Gegenstände später wieder auslösen und L zurückgeben werde. Tatsächlich finanzierte er seinen aufwändigen Lebensstil mit den Barmitteln, die er infolge der Verpfändung erlangte. Auf diese Weise erlangte er sukzessiv im Zeitraum von 3 Monaten Gegenstände im Wert von insgesamt 608.700,00 €. Die Gegenstände befanden sich in dem von L und ihren Eltern bewohnten Anwesen und wurden überwiegend in Tresoren aufbewahrt. Sie standen nur teilweise in ihrem Eigentum, ansonsten im Eigentum der Eltern.
Fraglich ist nun, ob A sich im Hinblick auf die im Eigentum der Eltern stehenden Gegenstände wegen Betruges strafbar gemacht haben könnte. Der Obersatz würde also lauten: Strafbarkeit gem. § 263 I gegenüber L und zu Lasten der Eltern.
Täuschung, Irrtum und Vermögensverfügung sind unproblematisch. A täuschte über seinen Willen, die verpfändeten Gegenstände später wieder auszulösen und sie L zurückzugeben. Dementsprechend irrte sich L und übergab A die Gegenstände. Mit der Übergabe verfügte sie über den Besitz an den Gegenständen. Problematisch ist jedoch, dass die Vermögensminderung, die durch die Verfügung eintreten muss und alsdann der Vermögensschaden nicht bei ihr eintrat, sondern bei den Eigentümern der Gegenstände, ihren Eltern. Nun müssen beim Dreiecksbetrug Verfügender und Geschädigter nicht identisch sein. Wesentlich in den Fällen das Auseinanderfallens der beiden Personen ist aber, dass die Verfügung dem Geschädigten zugerechnet werden kann mit der Folge, dass die Handlung des Verfügenden im Ergebnis als eine des Geschädigten erscheint. Streitig sind die Voraussetzungen einer solchen Zurechnung.
Nach einer in der Lit. vertretenen Auffassung bedarf es für die Zurechnung einer rechtlichen Befugnis (Satzger, SSW-StGB, § 263, Rn 192). Nach der h.M., auch der des BGH, reicht es aus, wenn der Verfügende im Lager des Geschädigten steht. Der BGH zu den Anforderungen:
„Voraussetzung hierfür ist ein – faktisches oder rechtliches – Näheverhältnis des Verfügenden zu dem geschädigten Drittvermögen, das schon vor der Tat bestanden hat … Ein solches liegt etwa dann vor, wenn der Getäuschte mit dem Einverständnis des Vermögensinhabers eine Schutz- oder Prüfungsfunktion wahrnimmt …. Als ausreichend hierfür wird die Stellung als Mitgewahrsamsinhaber angesehen …“
Ob diese Voraussetzungen im vorliegenden Fall vorlagen, vermochte der BGH anhand der Feststellungen des Landgerichts nicht zu festzustellen. Er führt dazu aus:
„Ausgehend von diesen Maßstäben belegen die Urteilsfeststellungen nicht das für einen Dreiecksbetrug erforderliche Näheverhältnis zwischen L. und den von ihr dem Angeklagten übergebenen Vermögenswerten ihrer Familienangehörigen. Mangels ausreichender Feststellungen zu den Gewahrsamsverhältnissen, insbesondere hinsichtlich der im Kellertresor aufbewahrten Gegenstände, bleibt unklar, ob L. als Inhaberin des Gewahrsams oder Mitgewahrsams für die Vermögensgegenstände eine Schutzfunktion wahrnahm und ob das erforderliche Näheverhältnis zu den geschädigten Drittvermögen bestand. Allein die bloße Zugehörigkeit von L. zur Familie und das Bewohnen eines gemeinsamen Anwesens rechtfertigen es nicht, ihre Verfügung über nicht in ihrem Eigentum stehende Vermögensgegenstände dem jeweiligen Vermögensinhaber zuzurechnen.“
Sofern L keine Erlaubnis hatte, die Tresore (mit) zu benutzen und zu öffnen und sich auch sonst nicht in einer Schutzposition befand, würde Betrug ausscheiden.
Zu prüfen wäre dann Diebstahl in mittelbarer Täterschaft gem. §§ 242, 25 I 2. Alt. StGB, wobei hier der klausurrelevante Fall des absichtslos dolosen Werkzeugs in Betracht kommt.
Beginnen würde man in einer Klausur mit einer Strafbarkeit der L gem. § 242 StGB. Der objektive Tatbestand ist unproblematisch. Subjektiv könnte aber die Zueignungsabsicht zu verneinen sein, wenn L davon ausging, dass A die Gegenstände kurze Zeit später wieder auslösen und ihr zurückgeben werde. Dann fehlte der Vorsatz gerichtet auf die dauerhafte Verdrängung ihrer Eltern aus der Eigentümerposition und damit die Zueignungsabsicht. Vorsatz bzgl. der Verwirklichung des objektiven Tatbestandes läge aber vor.
Bei der Strafbarkeit des A stellte sich nun die Frage, ob das Herausnehmen der Gegenstände aus dem Safe, welches zu einem Gewahrsamsbruch führte, ihm über § 25 I 2. Alt. StGB zugerechnet werden kann. Ein Strafbarkeitsmangel des Vordermannes liegt vor. Die Tatherrschaft ist aber problematisch, da L vorsätzlich handelte, mithin also A keine Tatherrschaft kraft überlegenen Wissens hatte. Er hatte auch keine Dominanzherrschaft über L und damit auch keine Tatherrschaft kraft überlegenen Wollens. Die h.L. löst das über die „formal-juristische“ Tatherrschaft, wonach in der Absicht des Hintermannes dessen rechtlich beherrschender Einfluss liege. (Wessels/Beulke/Satzger SR AT Rn. 754). Nach Meinung des BGH werden auch andere Indizien zur Bestimmung des Täterwillens, wie z.B. das Interesse an der Beute, herangezogen. Nach beiden Auffassungen käme eine Zurechnung in Betracht, so dass eine Strafbarkeit gem. §§ 242, 25 I 2. Alt. StGB möglich ist.
Bzgl. der eigenen Wertgegenstände der L hätte sich A also wegen Betruges gem. § 263 I StGB, hinsichtlich der Wertgegenstände der Eltern gem. §§ 242 I, 25 I 2. Alt StGB strafbar gemacht. Mit einer Tathandlung also sowohl Betrug als auch Diebstahl? Dazu der BGH:
„Zwar besteht hinsichtlich ein und desselben Vermögensgegenstandes zwischen Betrug (§ 263 StGB) und Diebstahl (§ 242 StGB) ein Exklusivitätsverhältnis … Tateinheit kann aber dann vorliegen, wenn nebeneinander verschiedene Tatobjekte betroffen sind, hinsichtlich derer unterschiedliche Eigentumsverhältnisse bestehen …“
Fraglich ist nun noch, in welchem die an unterschiedlichen Tagen begangenen Täuschungshandlungen, die dann einzeln zum Herausnehmen der Gegenstände aus dem Safe führten, stehen. Das Landgericht hatte diese Taten, obwohl sie über einen Zeitraum von 3 Monaten durch mehrere natürliche Handlungen verwirklicht wurden, als tateinheitlich verwirklicht angesehen, da sie durch den Vorsatz des Täters, den dieser zu Beginn gefasst hatte, miteinander zu einer natürlichen Handlungseinheit verbunden seien. Dem widersprach der BGH.
„Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs liegt eine natürliche Handlungseinheit und damit eine Tat im materiell-rechtlichen Sinn bei einer Mehrheit gleichartiger strafrechtlich erheblicher Verhaltensweisen nur dann vor, wenn die einzelnen Betätigungsakte durch ein gemeinsames subjektives Element verbunden sind und zwischen ihnen ein derart unmittelbarer räumlicher und zeitlicher Zusammenhang besteht, dass das gesamte Handeln des Täters objektiv auch für einen Dritten als einheitliches zusammengehöriges Tun erscheint …. Dagegen vermag allein der Umstand, dass der Täter den Entschluss mehrerer Taten gleichzeitig gefasst hat und ein einheitliches Ziel verfolgt, weder die Annahme einer natürlichen Handlungseinheit noch eine Tateinheit zu begründen, wenn sich die Ausführungshandlungen nicht überschneiden …“