In der BGH Entscheidung (abgedruckt in NJW 2018, 1411) ging es um folgenden, aufgrund der Beweiserhebung des Landgerichts festgestellten Sachverhalt:
A kaufte von B ein Wohnhaus, wobei die Finanzierung zum Zeitpunkt des Abschlusses des notariellen Vertrages noch nicht feststand. Gleichwohl bezog A in Absprache mit dem Verkäufer B noch vor Eigentumsübergang das Haus und vermietete die Wohnung im 1. OG an die X, die regelmäßig Besuch von Ihrem Lebensgefährten Y bekam, der auch bei ihr übernachtete, was wiederum A wusste. Als die Finanzierung endgültig platzte, beschloss A, das Haus Inbrandsetzen zu lassen, um die entsprechenden Beträge der Wohngebäude- und der Hausratsversicherung ausgezahlt zu bekommen. Für dieses Vorhaben gewann er den C, dem er versicherte, dass die Wohnung im 1. OG noch nicht vermietet sei. Nachdem zunächst seitens das A geplant war, den Brand in den Abendstunden zu legen (gegen 20.30 Uhr) schickte er dann aber C eine WhatsApp, dass er noch in der Nacht zur Tat schreiten solle. Wie geheißen, legte C um 4 Uhr den Brand, der dazu führte, dass das Gebäude komplett ausbrannte. X und Y, der an diesem Abend bei X übernachtete, wurden zwar aufgrund der Rauchentwicklung wach, konnten sich aber nicht mehr retten und starben an einer Kohlenmonoxidvergiftung. Die Hausratsversicherung zahlte eine Anzahlung in Höhe von 12.500 €, die Wohngebäudeversicherung zahlte nicht.
Natürlich wären in einer Klausur auch sämtliche Brandstiftungsdelikte zu prüfen, wobei man mit C beginnen sollte.
306 StGB ist tatbestandlich verwirklicht. Bei der Rechtswidrigkeit wäre interessant, ob C davon ausgegangen ist, das Haus stehe im Eigentum des A. Dann hätte er nämlich eine rechtfertigende Einwilligung angenommen, die nach h.M. möglich ist, tatsächlich aber nicht vorlag, da das Haus noch im Eigentum des Verkäufers stand, A also mithin nicht dispositionsbefugt war. In einer Klausur müsste man dann zu einem Erlaubnistatbestandsirrtum kommen.
Bei § 306a I StGB müsste überlegt werden, ob C nicht einem Tatbestandsirrtum unterlag, da er evtl. nicht wusste, dass das Haus noch der Wohnung von Menschen diente. A hatte ihm versichert, dass das 1. OG nicht vermietet sei. Aufgrund der Beauftragung zur Brandlegung könnte er dann das Haus entwidmet haben.
Bzgl. § 306a II StGB fehlte es am Vorsatz des C. Gleiches gilt für § 306b I StGB. Sofern § 306a StGB verneint würde, käme auch § 306b II nicht in Betracht.
Für A käme eine Strafbarkeit als Anstifter (§§ 306, 26 StGB) oder aber als mittelbarer Täter (§§ 306a und b, 25 I 2. Alt StGB) in Betracht, handelnd durch ein unvorsätzliches tätiges Werkzeug. Zudem natürlich auch ein vollendeter (Hausratsversicherung) und ein versuchter (Wohngebäudeversicherung) Betrug in einem besonders schweren Fall gem. § 263 I, III Nr. 5 StGB in Betracht.
Von besonderem Interesse soll vorliegend aber der Mord gem. §§ 211, 212 StGB mit gemeingefährlichen Mitteln sein. Für C scheidet eine solche Strafbarkeit aus, da er nicht wusste, dass sich Menschen im Gebäude aufhalten. Für A kommt sie hingegen – wiederum in mittelbarerer Täterschaft - in Betracht.
Erstaunlicherweise hat das LG aber den Tötungsvorsatz verneint. Bzgl. des Lebensgefährten wies das LG darauf hin, dass A nicht wusste bzw. nicht wissen konnte, dass dieser in dieser Nacht zu Besuch war. Zudem stützte es seine Überlegungen darauf, dass der Brand ursprünglich für 20.30 Uhr geplant gewesen sei, damit also zu einer Zeit, zu der die Bewohner noch wach gewesen und von daher besser in der Lage gewesen wären, sich evtl. durch einen beherzten Sprung aus dem Fenster zu retten.
Dieser Auffassung ist der BGH entgegengetreten.
Nun stellt sich natürlich zunächst einmal die Frage, in welchem Umfang der BGH die tatrichterlichen Feststellungen überhaupt überprüfen darf, ist doch die Beweiserhebung- und würdigung allein Aufgabe des Tatgerichts (§ 261 StPO).
Der BGH hat dazu folgendes ausgeführt:
„Das Revisionsgericht hat indes zu prüfen, ob die Beweiswürdigung des Tatgerichts mit Rechtsfehlern behaftet ist, etwa weil sie Lücken oder Widersprüche aufweist, mit den Denkgesetzen oder gesichertem Erfahrungswissen nicht in Einklang steht oder an die Überzeugung von der Schuld des Angeklagten überzogene Anforderungen gestellt werden“.
Expertentipp
Die vorgenannten Aspekte werden auch in einer Klausur bei der Überprüfung Ihres Ergebnisses berücksichtigt. Ist Ihre Darstellung also z.B. widersprüchlich, dann wird die Argumentation als „wenig überzeugend“ angesehen.
Der BGH hat dann festgestellt, dass, gemessen an diesen Anforderungen, die Beweiswürdigung des LG widersprüchlich und lückenhaft sei und das LG nicht immer sauber zwischen den beiden Vorsatzelementen unterschieden habe (ein Fehler, den wir auch immer wieder bei den Klausuren feststellen, die uns zur Korrektur im Rahmen des Klausurenkurses eingereicht werden).
Zunächst einmal hat er ausgeführt, was die Voraussetzungen des dolus eventualis sind:
„Bedingt vorsätzliches Handeln setzt voraus, dass der Täter den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges als möglich und nicht ganz fernliegend erkennt (Wissenselement) und dass er ihn billigt oder sich um des erstrebten Zieles willen mit der Tatbestandsverwirklichung zumindest abfindet (Willenselement). Beide Elemente der inneren Tatseite, also sowohl das Wissens- als auch das Willenselement, müssen in jedem Einzelfall umfassend geprüft, durch tatsächliche Feststellungen belegt und in eine individuelle Gesamtschau einbezogen und bewertet werden … Begeht der Täter eine das Leben Dritter in hohem Maße gefährdende Tat oder veranlasst er - wie hier - eine solche, so liegt es - vorbehaltlich in die Gesamtbetrachtung einzustellender gegenläufiger Umstände des Einzelfalls - nahe, dass er den Eintritt des Todes als mögliche Folge seines Tuns erkennt und, da er gleichwohl sein gefährliches Handeln beginnt oder fortsetzt, den Todeserfolg auch billigend in Kauf nimmt…“
Hinsichtlich des Todes des Lebensgefährten kommt es also nicht darauf an, ob A wusste oder wissen musste, dass dieser in dieser Nacht bei X übernachtete. Es reicht aus, dass er es für möglich hielt, was in Anbetracht des Umstandes, dass dieser dort häufiger übernachtete, was A auch bekannt war, wohl zu bejahen sein dürfte.
Darüber hinaus ist es widersprüchlich, dass das LG auf die Vorstellungen des A im Hinblick auf den ersten, geplanten Tatzeitpunkt abstellte, da A dem C in der Nacht noch eine WhatsApp geschickt und ihn aufgefordert hatte, die Tat noch in der Nacht zu begehen, zu einem Zeitpunkt also, in welchem die Bewohner der oberen Wohnung aller Voraussicht nach schliefen und in ihrer Abwehrbereitschaft eingeschränkt waren. Der BGH dazu:
„Schon indem die Strafkammer im Rahmen der bereits oben zitierten Feststellungen - ohne allerdings einen differenzierenden Bezug zum Wissens- oder Willenselement herzustellen - einen bedingten Tötungsvorsatz lediglich mit der Erwägung verneint, zur ursprünglich geplanten Tatzeit um 20:30 Uhr sei eine Rettung besser möglich gewesen als zum Zeitpunkt der dann tatsächlich ausgeführten Brandlegung um 04:00 Uhr am Morgen, bleiben seine Ausführungen lückenhaft. Denn danach war sich der Angeklagte gerade nicht sicher, dass es zu einer "Rettung" der beiden möglicherweise im Brandobjekt aufhältlichen Personen kommen werde; er hielt eine "Rettung" nur für "besser möglich". Zu der Frage, wie sich der Angeklagte subjektiv zu dem damit nicht ausgeschlossenen Tatablauf stellte, dass es nicht zu der zwar "besser möglichen", aber nicht sicheren Rettung kommen werde, verhält sich das Urteil an dieser Stelle aber nicht. Das Willenselement bleibt damit offen….
Ausgehend von den Feststellungen zu den ursprünglichen Vorstellungen des Angeklagten von den Rettungschancen für die beiden möglichen Hausbewohner bei einer Brandlegung um 20:30 Uhr, hatte sich die Gefahrenlage bei einer Tatzeit erst nach Mitternacht, mithin zu einem Zeitpunkt, als die beiden Personen möglicherweise schon zu Bett gegangen waren, auch aus Sicht des Angeklagten erheblich verstärkt. Warum er dennoch deren "Rettung" für naheliegend hielt und deren Tod im Hinblick auf sein erstrebtes Ziel der Versicherungsleistungen nicht billigend hinnahm, stellt das Landgericht nicht in seine Erwägungen ein. Ebenso wenig nimmt es in den Blick, dass ein Sprung aus dem Fenster des ersten Stocks von den beiden Geschädigten nicht nur einer zutreffenden Einschätzung ihrer Gefährdungslage und einer nicht unerheblichen Selbstüberwindung bedurfte, sondern zunächst überhaupt voraussetzte, dass sie den Brand zu einem Zeitpunkt bemerkten, als ihnen eine derartige Flucht überhaupt noch möglich war. Gerade aber schlafende Personen werden eines Brandes in vielen Fällen nicht mehr rechtzeitig gewahr, insbesondere weil sie durch Rauchgasvergiftungen schon an dem Erkennen der ihnen drohenden Gefahr oder zumindest an erfolgversprechenden Bemühungen, sich selbst in Sicherheit zu bringen, gehindert sind. Auch dies hat das Landgericht nicht erwogen, sodass sich seine Beweiswürdigung auch in diesem Punkt als lückenhaft erweist.“
Der BGH hat damit das Urteil aufgehoben und zur erneuten Verhandlung zurückverwiesen.
Expertentipp
Für die Klausur merken Sie sich bitte folgendes: Unterscheiden Sie bei der Prüfung sauber nach dem Wissens- und dem Willenselement. Insbesondere bei gefährlichen Handlungen und einer hohen Wahrscheinlichkeit des Erfolgseintritts ist häufig das Wissenselement nicht problematisch. Problematisch ist aber, ob der Täter sich innerlich gedacht hat „na wenn schon“ oder aber „es wird schon gut gehen“. Hier sind auch alle sonstigen Umstände des Täters und der Tat zu berücksichtigen. Kommen Sie dann zu dem einen oder anderen Ergebnis, dann ist Ihre Klausur auf jeden Fall überzeugend argumentiert. Man gewinnt in den Klausuren die Punkte nicht nur durch eine überzeugende juristische Argumentation sondern auch durch eine am Sacherhalt orientierte tatsächliche Argumentation.