Der BGH (Urt. v. 23.4.2015 − 4 StR 607/14 - abrufbar unter www.bundesgerichtshof.de) musste sich mit folgendem Sachverhalt beschäftigen:
Die drei Mittäter A, B und C verfolgten auf der Autobahn einen LKW der Firma X, der Produkte der Firma Y im Wert von 450.000,00 € geladen hatte. Kurz vor einem Rastplatz fuhren sie auf die mittlere Spur und setzten sich neben den LKW. Dem Fahrer F gaben sie durch Hupen und Handzeichen zu verstehen, er möge bei der nächsten Gelegenheit rechts ran fahren. F nahm an, es handele sich bei A, B und C um eine zivile Polizeistreife, die eine Fahrzeugkontrolle durchführen wolle. Dementsprechend lenkte er den LKW auf den Rastplatz, hielt an und stellte den Motor aus. Nachdem A das Fahrzeug dort ebenfalls zum Stehen gebracht hatte, ging B auf die Fahrertür des Lkw zu und rief: „Polizeikontrolle! Papiere bitte!“ Während dessen streifte sich C eine Unterziehhaube über das Gesicht, öffnete die Fahrertür des Lkw und bedrohte F mit einer nicht geladenen Pistole. Er zwang ihn, sich auf das Bett in der Kabine hinter dem Fahrersitz zu legen, wo er ihn fesselte und ihm eine Jacke über den Kopf legte. Dann fuhr er mit dem Lkw zu einem für das Umladen der Beute vorgesehenen Platz, wo weitere Komplizen warteten, die die Waren in ein eigenes Fahrzeug umluden und damit wegfuhren.
Verwirklicht haben A, B und C zunächst einen gemeinschaftlich begangenen, schweren Raub gem. §§ 249, 250 jedenfalls Abs. 1 Nr. 1a StGB.
Die Waren stellen für A, B und C fremde bewegliche Sachen dar, die zunächst im Gewahrsam des LKW Fahrers F standen. Mit der Fesselung des F und der Abfahrt vom Rastplatz wurde dieser Gewahrsam gebrochen und neuer Gewahrsam begründet. Dies geschah auch gegen den Willen des F. Im Hinblick auf die Abgrenzung zur räuberischen Erpressung, die an dieser Stelle vorzunehmen ist, muss festgestellt werden, dass sowohl nach der Auffassung des BGH als auch jener der Literatur der Tatbestand des Raubes anzunehmen ist. Die Fesselung ist vis absoluta, so dass eine Verfügung des F insoweit ausscheidet. Auch das infolge der vorgehaltenen Waffe erduldete Fesseln stellt keine Verfügung dar, da nicht ersichtlich ist, welche Entscheidungsalternative F gehabt hätte. Vom äußeren Tatbild her liegt ein "Nehmen" vor, so dass der BGH den Raub zugrunde legen würde.
Sieht man schon in der Fesselung den Gewahrsamsbruch, so erfolgte diese aufgrund des Vorhaltens der ungeladenen Schusswaffe und damit infolge einer Drohung.
Die ungeladene Waffe ist keine Waffe iSd § 250 Abs. 1 Nr. 1a StGB, da ihr die objektive Gefährlichkeit fehlt. Sie ist aber ein sonstiges Mittel gem. § 250 Abs. 1 Nr. 1b StGB, welches die Täter zur Überwindung eines Widerstandes einsetzen wollten und auch eingesetzt haben.
Inwieweit die Täter zudem eine Bande bildeten, ist den Entscheidungsgründen nicht zu entnehmen.
Subjektiv handelten die Täter vorsätzlich und mit rechtswidriger Zueignungsabsicht. Da auch Rechtfertigungs- und Schuldaufhebungsgründe fehlen, ist eine Strafbarkeit wegen schweren Raubes zu bejahen.
Fraglich war nun aber, ob darüber hinaus auch ein räuberischer Angriff auf Kraftfahrer gem. § 316a Abs. 1 StGB verwirklicht wurde.
In dem Augenblick, in welchem einer der Täter F die ungeladene Waffe vorhielt, war dieser kein Kraftfahrzeugführer mehr, da das Fahrzeug auf dem Rastplatz stand und der Motor ausgeschaltet war. F war damit nicht mehr mit Vorgängen des fließenden Verkehrs befasst.
Denkbar ist jedoch, dass mit der durch Hupen und Winken vorgetäuschten Polizeikontrolle auf der Autobahn bereits ein Angriff auf die Entschlussfreiheit des F verübt wurde. Zu diesem Zeitpunkt war F unproblematisch noch Kraftfahrzeugführer. Auch lagen zu diesem Zeitpunkt noch die besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs vor, die die Täter ausgenutzt haben könnten. Der BGH (a.a.O.) führt dazu folgendes aus:
"Einen solchen Angriff verübt, wer in feindseliger Absicht auf dieses Rechtsgut einwirkt. Ausreichend, aber auch erforderlich ist eine gegen die Entschlussfreiheit gerichtete Handlung, sofern das Opfer jedenfalls deren objektiven Nötigungscharakter wahrnimmt; die feindliche Willensrichtung des Täters braucht das Opfer dagegen nicht erkannt zu haben. Ebenfalls nicht vorausgesetzt ist, dass der verübte Angriff sich bereits unmittelbar gegen das Eigentum bzw. das Vermögen des Opfers richtet
Zwar reicht es für das Merkmal des „Angriffs“ nach der (neueren) Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und der herrschenden Meinung in der Literatur nicht aus, wenn auf den Führer eines Kraftfahrzeugs mit List eingewirkt wird, um ihn in eine Situation zu bringen, in der ein Raub durchgeführt werden soll. Dies ist etwa der Fall, wenn ein vermeintlicher Fahrgast beim Taxifahrer ein falsches Fahrtziel angibt (vgl. BGH, Urteil vom 20. November 2003 – 4 StR 150/03, BGHSt 49, 8, 13 f.); das Gleiche gilt für das Vortäuschen einer Autopanne (jedenfalls außerhalb des Anwendungsbereichs des § 323c StGB) sowie in den Anhalterfällen. Hiervon abzugrenzen sind aber Handlungen, welche auf den Führer eines Kraftfahrzeugs eine objektiv nötigungsgleiche Wirkung haben (vgl. dazu im Einzelnen Fischer, StGB, 62. Aufl., § 316a Rn. 6 f.; Lackner/Kühl, StGB, 28. Aufl., § 316a Rn. 2; jew. mwN). Es kommt hierfür nicht darauf an, ob diese Wirkung vorgetäuscht ist oder ob der objektiv Genötigte von einer Rechtswidrigkeit der Einwirkung ausgeht.
Fälle einer – wie hier – vorgetäuschten Polizeikontrolle unterscheiden sich daher substantiell von bloßen Vortäuschungen allgemein motivierender Umstände der oben genannten Art; sie entsprechen vielmehr der Konstellation einer Straßensperre. Denn dem Kraftfahrzeugführer ist bei der Einwirkung durch das Haltezeichen eines Polizeibeamten kein Ermessen eingeräumt; er ist vielmehr bei Androhung von Geldbuße (§ 49 Abs. 3 Nr. 1 StVO) verpflichtet, Haltezeichen Folge zu leisten, wobei der Senat dahinstehen lässt, ob die Täter hier eine Weisung zur Regelung einer konkreten Verkehrssituation nach § 36 Abs. 1 StVO oder eine solche zur Durchführung einer allgemeinen Verkehrskontrolle nach § 36 Abs. 5 StVO vorgespiegelt haben (vgl. zur Abgrenzung OLG Köln, VRS 67, 293; Janker in Burmann/Heß/Jahnke/Janker, Straßenverkehrsrecht, 23. Aufl., § 36 StVO Rn. 3 f., 12). Der Nebenkläger sollte jedenfalls das Vorgehen der Täter im fließenden Verkehr als polizeiliche Weisung verstehen und hat dies auch so verstanden; das Tragen von Zivilkleidung steht der von den Angeklagten und ihren Tatgenossen angestrebten Vorgabe einer Polizeikontrolle nicht entgegen (Kudlich, JA 2015, 235, 236; vgl. hierzu auch BayObLGSt 1974, 137; OLG Düsseldorf, NZV 1996, 458, 459; OLG Hamm, NJW 1972, 1769 für die telefonische Weisung eines „Kreispolizeibeamten“; zw. Jahn, JuS 2014, 1135, 1137).
Auf die Entschlussfreiheit eines Kraftfahrzeugführers wird daher bereits dann durch einen Angriff eingewirkt, wenn vom Täter eines geplanten Raubes eine Polizeikontrolle vorgetäuscht wird und sich der Geschädigte dadurch zum Anhalten gezwungen sieht.
Die Angeklagten und ihre Tatgenossen haben als Mittäter bei der Begehung der Tat in der tatbestandsmäßigen Absicht die besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs ausgenutzt. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist dieses zusätzliche Tatbestandsmerkmal in der Regel erfüllt, wenn der Angriff im Sinne des § 316a StGB zu einem Zeitpunkt erfolgt, an dem sich der Fahrer mit dem Kraftfahrzeug im fließenden Verkehr befindet (BGH, Urteil vom 20. November 2003 – 4 StR 150/03, BGHSt 49, 8, 14 f.; Beschlüsse vom 28. Juni 2005 – 4 StR 299/04, BGHSt 50, 169, 172 f., und vom 22. August 2012 – 4 StR 244/12, NStZ 2013, 43); so liegt es auch hier."
Der objektive Tatbestand des § 316 a Abs. 1 StGB ist damit verwirklicht. Die Täter hatten zudem zu diesem Zeitpunkt bereits die Absicht, durch das spätere Vorhalten der Waffe einen Raub zu begehen, so dass auch der subjektive Tatbestand verwirklicht ist und A, B und C sich zudem gem. § 316 a Abs. 1 StGB strafbar gemacht haben.
Eine Strafbarkeit gem. § 239 a Abs. 1 StGB scheidet aus, da das Raubmittel zugleich das Bemächtigungsmittel ist und es von daher an der bei einem Zwei-Personen-Verhältnis erforderlichen stabilen Bemächtigungslage fehlt.
Weitere Ausführungen zu diesen Themen finden Sie im GuKO SR III sowie in unseren ExO`s. Einen Auszug aus dem Skript finden Sie hier: http://www.juracademy.de/web/topic.php?id=12492.