Folgender Sachverhalt lag der Entscheidung zu Grunde:
„Der Kläger nimmt die Beklagte als Haftpflichtversicherer seines Unfallgegners auf Ersatz restlichen Sachschadens aus einem Verkehrsunfall vom 15. Juli 2010 in H. in Anspruch, bei dem sein Fahrzeug, ein zum Unfallzeitpunkt fast fünf Jahre alter Mercedes E 220 CDI mit einer Laufleistung von ca. 75.000 km, beschädigt wurde.
Die Parteien streiten nur noch über die Frage, ob sich der Kläger im Rahmen der fiktiven Abrechnung seines Fahrzeugschadens auf niedrigere Stundenverrechnungssätze dreier von der Beklagten benannter, nicht markengebundener Fachwerkstätten verweisen lassen muss oder ob er auf der Grundlage des von ihm eingeholten Sachverständigengutachtens die Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Vertragswerkstatt des Kraftfahr-zeugherstellers erstattet verlangen kann.
Bei zwei der von der Beklagten benannten Reparaturbetriebe, der S . Autolackierbetrieb OHG und der F. S. GmbH Lackier- und Karosseriefachbe-trieb, handelt es sich um Partnerwerkstätten der Beklagten, mit denen sie zur Regulierung von Schäden im Rahmen von Kaskoversicherungen mit Werkstatt-bindung vertragliche Beziehungen unterhält. Die Partnerwerkstätten haben sich verpflichtet, die mit der Beklagten vereinbarten Sonderkonditionen im Verhältnis zum jeweiligen Versicherungsnehmer der Beklagten anzuwenden, wenn sie eine "Dienstleisterbeauftragung" bekommen haben, d.h. vom Versicherungsnehmer infolge der Werkstattbindung im Rahmen des Kaskoversicherungsver-trags mit der Reparatur seines Fahrzeugs beauftragt werden. Bei der Firma A. GmbH Auto-Service P. GmbH handelt es sich um keine Partnerwerkstatt. Sie verfügt in H. nur über eine "Annahmehalle", in der eine Bestandsaufnahme erfolgen kann und kleinere Reparaturen und Ausbesserungsarbeiten durchgeführt werden können. Ihre Werkstatt zur Durchführung aufwendigerer Reparaturen befindet sich im ca. 130 km entfernten P.“
Wesentliche Entscheidungsgründe:
Ausgangspunkt:
Grundsätzlich kann eine fiktive Schadensberechnung vorgenommen und begehrt werden. Dies gilt unabhängig davon, ob die Reparatur so oder überhaupt tatsächlich vorgenommen wird. Allerdings muss die günstigere Möglichkeit für den Geschädigten mühelos und ohne weiteres zugänglich sein.
Der BGH führt folgendes hierzu aus:
„Der erkennende Senat hat in mehreren Entscheidungen grundsätzlich Stellung dazu bezogen, unter welchen Voraussetzungen ein Geschädigter, der den Ersatz fiktiver Reparaturkosten begehrt, gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB die Erstattung der Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt verlangen kann.
Der Geschädigte darf, sofern die Voraussetzungen für eine fiktive Schadensberechnung vorliegen, dieser grundsätzlich die üblichen Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt zugrunde legen, die ein von ihm eingeschalteter Sachverständiger auf dem allgemeinen regionalen Markt ermittelt hat (Senatsurteile vom 29. April 2003 - VI ZR 398/02, BGHZ 155, 1, 3 f.; vom 20. Oktober 2009 - VI ZR 53/09, BGHZ 183, 21 Rn. 7 f.; 2. Juni 2010 - VI ZR 302/08, VersR 2010, 1096 Rn. 6 und - VI ZR 337/09, VersR 2010, 1097 Rn. 6; vom 15. Juli 2014 - VI ZR 313/13, NJW 2014, 3236 Rn. 8).
Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats besteht in der Regel ein Anspruch des Geschädigten auf Ersatz der in einer markengebundenen Vertragswerkstatt anfallenden Reparaturkosten unabhängig davon, ob der Geschädigte den Wagen tatsächlich voll, minderwertig oder überhaupt nicht reparieren lässt (Senatsurteil vom 29. April 2003 - VI ZR 398/02, BGHZ 155, 1, 3 mwN; vom 15. Juli 2014 - VI ZR 313/13, NJW 2014, 3236 Rn. 8; vgl. auch Se-natsurteil vom 23. März 1976 - VI ZR 41/74, BGHZ 66, 239, 241).“
Eine solche Abrechnungsweise ist jedoch dann unzulässig, wenn den Geschädigten die Obliegenheit zur Schadensminderung trifft. Eine solche Pflicht trifft ihn jedoch dann nicht, wenn der Verweis auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit sich als unzumutbar darstellt.
Der BGH hierzu:
„Allerdings ist unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht gemäß § 254 Abs. 2 BGB ein Verweis des Schädigers auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit in einer mühelos und ohne Weiteres zugänglichen "freien Fachwerkstatt" möglich, wenn der Schädiger darlegt und ggf. beweist, dass eine Reparatur in dieser Werkstatt vom Qualitätsstandard her der Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt entspricht, und wenn er gegebenenfalls vom Geschädigten aufgezeigte Umstände widerlegt, die diesem eine Reparatur außerhalb der markengebundenen Fachwerkstatt unzumutbar machen (Senatsurteile vom 20. Oktober 2009 - VI ZR 53/09, BGHZ 183, 21 Rn. 13; vom 23. Februar 2010 - VI ZR 91/09, VersR 2010, 923 Rn. 9, 11; vom 22. Juni 2010 - VI ZR 302/08, VersR 2010, 1096 Rn. 7 und - VI ZR 337/09, VersR 2010, 1097 Rn. 7; vom 13. Juli 2010 - VI ZR 259/09, VersR 2010, 1380 Rn. 7; vom 14. Mai 2013 - VI ZR 320/12, VersR 2013, 876 Rn. 8; vom 15. Juli 2014 - VI ZR 313/13, NJW 2014, 3236 Rn. 8).“
Der BGH bildet im Wesentlichen 3 Fallgruppen wann eine Unzumutbarkeit anzunehmen ist.
Die erste Fallgruppe liegt vor, wenn das Fahrzeug im Zeitpunkt der Beschädigung nicht älter als 3 Jahre ist (diese Fallgruppe ist beim vorliegenden Fall nicht einschlägig).
Der BGH hierzu:
„Unzumutbar ist eine Reparatur in einer "freien Fachwerkstatt" für den Geschädigten im Allgemeinen dann, wenn das beschädigte Fahrzeug im Unfallzeitpunkt nicht älter als drei Jahre war.“
Die zweite Fallgruppe liegt vor, wenn der Geschädigte bisher stets in einer markengebundenen Fachwerkstatt seine Reparaturen hat vornehmen lassen.
Der BGH hierzu:
"Auch bei Kraftfahrzeugen, die älter sind als drei Jahre, kann es für den Geschädigten unzumutbar sein, sich auf eine technisch gleichwertige Reparaturmöglichkeit außerhalb der markengebundenen Fachwerkstatt verweisen zu lassen.
Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn der Geschädigte sein Fahrzeug bisher stets in einer markengebundenen Fachwerkstatt hat warten und reparieren lassen (vgl. Se-natsurteile vom 13. Juli 2010 - VI ZR 259/09, VersR 2010, 1380 Rn. 8; vom 22. Juni 2010 - VI ZR 302/08, VersR 2010, 1096 Rn. 7).“
Die dritte Fallgruppe liegt wiederum vor, wenn die Reparaturkosten deswegen günstiger ausfallen, weil der Haftpflichtversicherer des Schädigers besondere Vereinbarungen mit der Werkstatt vereinbart hat, mithin Tarife vereinbart worden sind, die dem allgemeinen Publikum nicht zur Verfügung stehen.
Der BGH hierzu:
„Unzumutbar ist eine Reparatur in einer "freien Fachwerkstatt" für den Geschädigten weiter dann, wenn sie nur deshalb kostengünstiger ist, weil ihr nicht die (markt-)üblichen Preise dieser Werkstatt, sondern auf vertraglichen Vereinbarungen mit dem Haftpflichtversicherer des Schädigers beruhende Sonderkonditionen zugrunde liegen. Andernfalls würde die dem Geschädigten nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB zustehende Ersetzungsbefugnis unterlaufen, die ihm die Möglichkeit der Schadensbehebung in eigener Regie eröffnet und ihn davon befreit, die beschädigte Sache dem Schädiger oder einer von ihm ausgewählten Person zur Reparatur anvertrauen zu müssen (vgl. Senatsurteile vom 20. September 2009 - VI ZR 53/09, BGHZ 183, 21 Rn. 13; vom 22. Juni 2010 - VI ZR 337/09, VersR 2010, 1097 Rn. 7; vom 18. März 2014 - VI ZR 10/13, VersR 2014, 849 Rn. 29).“
Jedoch kann aus dem Umstand allein, dass eine vertragliche Verbindung zwischen der Reparaturwerkstatt und dem Versicherer besteht noch keine Unzumutbarkeit abgeleitet werden.
Der BGH hierzu:
Allein der Umstand, dass die S. Autolackierbetrieb OHG und die F. S. GmbH Lackier- und Karosseriefachbetrieb mit der Beklagten für die Reparaturen in Kaskoschadensfällen von deren Versicherungsnehmern dauerhaft vertraglich verbunden sind, lässt eine Verweisung auf sie nicht unzumutbar erscheinen. Wie der Senat bereits entschieden hat, ist eine Reparatur in einer "freien Fachwerkstatt" dann unzumutbar, wenn sie nur deshalb kostengünstiger ist, weil ihr nicht die (markt-)üblichen Preise dieser Werkstatt, sondern auf vertraglichen Vereinbarungen mit dem Haftpflichtversicherer beruhende Sonderkonditionen zugrunde liegen (Senatsurteil vom 22. Juni 2010 - VI ZR 337/09, VersR 2010, 1097 Rn. 7).
Wenn der Schädiger oder sein Haftpflichtversicherer darlegen und beweisen können, dass die von ihnen benannte "freie Fachwerkstatt" für die Reparaturen am Kraftfahrzeug des Geschädigten ihre (markt-) üblichen, das heißt allen Kunden zugänglichen Preise zugrunde legt, wie hier für das Revisionsverfahren zu unterstellen ist, hindert eine Vereinbarung von Sonderkonditionen für Versicherungsnehmer des Haftpflichtversicherers die Verweisung nicht.“
Ferner (wie einleitend schon angedeutet) muss die Reparatur in der vom Versicherer avisierten „freien Werkstatt“ für den Geschädigten mühelos und ohne weiteres möglich sein. Dies kann unter anderem dann verneint werden, wenn die vorgeschlagene Werkstatt weit vom Wohnort des Geschädigten entfernt ist. Dies gilt sogar dann, wenn die Überführung des Fahrzeugs ohne Mehrkosten für den Geschädigten besorgt wird. Die Beurteilung der mühelosen Möglichkeit der Inanspruchnahme der Werkstatt ist stets anhand des Einzelfalls zu entscheiden (hier in der Klausur somit nah am Sachverhalt arbeiten und die besonderen Umstände des Einzelfalls sauber erarbeiten).
Der BGH hierzu:
„Zu Recht hat das Berufungsgericht dagegen den Verweis auf die Reparaturmöglichkeit bei der Firma A. GmbH Auto-Service P. GmbH abgelehnt. Nach der Rechtsprechung des Senats ist dem Geschädigten die Reparatur in einer "freien Fachwerkstatt" nur dann zuzumuten, wenn diese mühelos und ohne Weiteres zugänglich ist (vgl. Senatsurteile vom 22. Juni 2010 - VI ZR 302/08, VersR 2010, 1096 Rn. 7 und - VI ZR 337/09, VersR 2010, 1097 Rn. 7; vom 13. Juli 2010 - VI ZR 259/09, VersR 2010, 1380 Rn. 16; vom 14. Mai 2013 - VI ZR 320/12, VersR 2013, 876 Rn. 8; vom 3. Dezember 2013 - VI ZR 24/13, VersR 2014, 214 Rn. 9; vom 15. Juli 2014 - VI ZR 313/13, NJW 2014, 3236 Rn. 8).
Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts befindet sich in H., am Wohnsitz des Klägers, nur eine Annahmestelle der Fachwerkstatt, für größere Reparaturen wie im Streitfall müsste das Kraftfahrzeug - allerdings ohne zusätzliche Kosten für den Kläger - in das ca. 130 km entfernte P. transportiert werden.
Auf dieser Grundlage durfte sich das auch im Rahmen des § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB nach § 287 ZPO besonders freigestellte Berufungsgericht (vgl. dazu Senatsurteil vom 13. Juli 2010 - VI ZR 259/09, VersR 2010, 1380 Rn. 13) ohne Rechtsfehler die Überzeugung bilden, dass diese Werkstatt für den Kläger nicht mühelos und ohne Weiteres erreichbar ist. Dies kann nämlich grundsätzlich nur anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls entschieden werden. Dabei kann ein Anhaltspunkt die Entfernung zwischen dem Wohnort des Geschädigten und einer markengebundenen Fachwerkstatt sein (vgl. Senatsurteil vom 23. Februar 2010 - VI ZR 91/09, VersR 2010, 923 Rn. 12), darüber hinaus können sich Anhaltspunkte aus dem zusätzlichen Zeitaufwand für den Transport und die Gefahr zusätzlicher Schäden bei längeren Transportstre-cken ergeben, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat. Von Bedeutung für diese Bewertung ist auch der dem Geschädigten zugemutete Aufwand bei der Geltendmachung etwaiger Nacherfüllungsansprüche im Rahmen der Gewährleistung bei mangelhaften Reparaturleistungen.
Nachdem das Berufungsgericht aus seiner Sicht folgerichtig - offengelassen hat, ob sich die Beklagte bei der Regulierung auf Sonderkonditionen oder die (markt-)üblichen Preise der "freien Fachwerkstätten" gestützt hat, war das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit es die insoweit und gegebenenfalls zur Frage der Gleichwertigkeit der Reparaturen erforderlichen Feststellungen treffen kann.“
Eine recht strenge Handhabung der Möglichkeit fiktiver Abrechnungen auf Markenwerkstattbasis ist in dieser Form geboten, da das Schadensersatzrecht einen Ausgleich für Schäden und keine Bereicherung bewirken soll.