Es stellte fest, dass das Eisenbahn-Bundesamt der Deutsche Bahn Station & Service AG zurecht die Pflicht auferlegt hat, ihre Bahnhöfe und Haltepunkte mit dynamischen Schriftanzeigern auszustatten. Die unionsrechtlich geregelte Fahrgastinformationspflicht verlange von den Transportunternehmen nicht bloß, dass die Passagiere mithilfe vorhandener personeller oder technischer Mittel informiert werden. Vielmehr fordere sie auch, dass Haltestellen und Bahnhöfe gegebenenfalls technisch umgerüstet werden, um eine möglichst zeitnahe und umfassende Information erst zu ermöglichen.
Sachverhalt:
Die Deutsche Bahn (DB) Station & Service AG (im Folgenden: die Klägerin) unterhält bundesweit etwa 5500 Bahnhöfe und Haltepunkte. Das Eisenbahn-Bundesamt (im Folgenden: die Beklagte) bemängelte 2010, dass nicht alle Bahnhöfe und Haltepunkte so ausgestattet waren, dass sich Fahrgäste über Verspätungen oder Ausfälle von Zügen informieren können.
Daraufhin verpflichtete das Eisenbahn-Bundesamt mit Bescheid vom 26. November 2011 die Klägerin, alle Bahnhöfe und Haltepunkte bis spätestens zum 31. Dezember 2015 mit sogenannten dynamischen Schriftanzeigern auszustatten. Diese dynamischen Schriftanzeiger werden zentral über einen Großrechner gesteuert und zeigen Informationen über Abweichungen vom Fahrplan, insbesondere Zugverspätungen und Zugausfälle, an. Dabei sollten zeitlich gestaffelt zunächst die Stationen mit dem größten Aufkommen an Reisenden umgerüstet werden.
Von dieser Verpflichtung ausgenommen sein sollten nur die Bahnhöfe, für welche die Klägerin durch alternative, gleich geeignete technische Mittel, beispielsweise eine funktionstüchtige Lautsprecheranlage, oder andere organisatorische Maßnahmen, beispielsweise stets ansprechbares, örtlich präsentes Personal, sicherstellt, dass Reisende aktiv und zeitnah über Verspätungen oder Zugausfälle unterrichtet werden können.
Für den Fall, dass die Klägerin einzelne Bahnhöfe nicht innerhalb der vorgegebenen Fristen mit dynamischen Schriftanzeigern ausstatten würde, drohte die Beklagte der Klägerin ein Zwangsgeld in Höhe von 2 000,00 Euro je nicht fristgerecht ausgestatteter Station, insgesamt jedoch höchstens 500 000,00 Euro an.
Die gegen diese Verpflichtung erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht Köln abgewiesen; auch das Oberverwaltungsgericht Münster hat die Berufung der Klägerin in weiten Teilen zurückgewiesen. Dagegen legte die Klägerin Revision beim Bundesverwaltungsgericht ein.
Erkenntnisse des Gerichts:
Rechtsgrundlage des angegriffenen Bescheids
Das Gericht stellte zunächst fest, dass § 5a Abs. 2 des Allgemeinen Eisenbahngesetzes (AEG) eine geeignete Rechtsgrundlage darstellte. Nach dieser Vorschrift kann das Eisenbahn-Bundesamt alle diejenigen Maßnahmen treffen, die zur Beseitigung festgestellter Verstöße und zur Verhütung künftiger Verstöße gegen die in § 5 Abs. 1 AEG genannten Vorschriften erforderlich sind. Insoweit kommt der Eisenbahnaufsicht auch die Aufgabe zu, die Beachtung des Rechts der Europäischen Gemeinschaften, soweit es Regelungsgegenstände des AEG betrifft, zu überwachen.
1. Vorliegen der Tatbestandsmerkmale des § 5a Abs. 2 AEG
Im Folgenden widmete sich das Gericht der Frage, ob die Beklagte richtigerweise das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen angenommen hatte. Das Eisenbahn-Bundesamt war von einer Verletzung der Pflicht aus Art. 18 Abs. 1 der „EG-Verordnung Nr. 1371/2007 über die Rechte und Pflichten der Fahrgäste im Eisenbahnverkehr“ (im Folgenden: Fahrgastrechte-Verordnung) durch die Klägerin ausgegangen.
Diese Vorschrift fordert:
„Bei einer Verspätung bei der Abfahrt oder der Ankunft sind die Fahrgäste durch das Eisenbahnunternehmen oder den Bahnhofsbetreiber über die Situation und die geschätzte Abfahrts- und Ankunftszeit zu unterrichten, sobald diese Informationen zur Verfügung stehen.“
Zunächst untersuchte das Gericht mithilfe juristischer Auslegungsmittel den Umfang der Informationspflicht und kam zu dem Ergebnis, dass „ein Verstoß gegen die Unterrichtungspflicht […] entgegen der Auffassung der Klägerin bereits dann [vorliege], wenn der Verpflichtete an einzelnen Stationen weder technische Kommunikationsmittel noch Personal vorhält, um die erforderlichen Informationen an die von der Verspätung betroffenen Fahrgäste weiterzugeben. Art. 18 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1371/2007 normiert eine aktive Informationspflicht.“
Das Vorliegen des Tatbestandsmerkmal des § 5a Abs. 2 AEG, eine Verletzung einer gesetzlichen Pflicht i.S.d. § 5 Abs. 1 AEG durch die Klägerin, war damit zu bejahen.
2. Ermessensausübung und Verhältnismäßigkeit
Weiter hatte das Gericht die Rechtmäßigkeit der Ermessensausübung durch die Beklagte zu beurteilen.
a. Störerauswahl
Das Gericht stellte klar, dass die Klägerin tatsächlich die Adressatin der Fahrgastrechte-Verordnung sei. „[…] Als Eigentümerin und Betreiberin der Bahnhöfe [sei es ihr] leichter als den Eisenbahnverkehrsunternehmen möglich […], den Verpflichtungen [aus Art. 18 Abs. 1 der Fahrgastrechte-Verordnung] zu entsprechen, da sie niemanden um Erlaubnis ersuchen müsse, um der Anordnung nachzukommen. Ihre Auswahl als Störerin steigere die Effizienz der Gefahrenabwehrmaßnahmen.“
b. Verhältnismäßigkeit
(1) Erforderlichkeit
Anschließend prüfte das Gericht, ob die Beklagte beim Erlass ihres Bescheids den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit berücksichtigt hatte.
Hier stellte das Gericht zunächst fest, dass es sich bei der „angeordneten Verpflichtung der Klägerin zur Ausstattung ihrer Stationen mit Dynamischen Schriftanzeigern […] um eine Maßnahme [handelt], die im Sinne des § 5a Abs. 2 AEG zur Beseitigung des festgestellten Verstoßes und zur Verhütung künftiger Verstöße erforderlich ist.“ Denn gleich geeignete, mildere Mittel zur Erfüllung der Verpflichtungen aus Art. 18 Abs. 1 der Verordnung seien nicht ersichtlich. „Insbesondere stellt etwa die Angabe einer Telefonnummer in den Stationen der Klägerin von vornherein kein geeignetes Mittel zur Gewährleistung der Informationspflicht dar, da die Fahrgäste auf diese Weise nur auf Nachfrage, nicht jedoch aktiv und unmittelbar nach dem Vorliegen der Information bei der Klägerin über Verspätungen informiert werden können.“
(2) Angemessenheit
Auch hinsichtlich der Angemessenheit der angeordneten Verpflichtung sah das Gericht die Zweifel der Klägerin als unbegründet an. So sei die Umrüstungspflicht „nicht deshalb unzumutbar, weil sie auch "sehr kleine" Stationen oder solche Stationen erfasst, bei denen ein ´unverhältnismäßiger Investitionsaufwand´ in Rede steht.“ Denn auch derart kleine Stationen fielen in den Regelungsbereich von Art. 18 Abs. 1 der Fahrgastrechte-Verordnung. „Der Gesichtspunkt der Stärkung der Fahrgastrechte rechtfertige auch die Unterrichtung derjenigen Fahrgäste über Verspätungen, die in kleinen Stationen zusteigen wollten.“
Hierbei könne die Klägerin auch nicht einwenden, dass die Anschaffung von dynamischen Anzeigetafeln insbesondere bei kleineren Haltestellen in Einzelfällen zu sehr hohen Ausgaben führen könne.
Die Klägerin hatte vorgetragen, dass die für bestimmte Haltestationen aufzubringenden Kosten aufgrund örtlicher Gegebenheiten den durchschnittlich anfallenden finanziellen Aufwand erheblich, im Einzelfall bis zum Zehnfachen, übersteigen könnten.
„Als Beispiele habe sie die Stationen N. mit 50 Reisenden am Tag, die Station R. mit 2 Reisenden pro Tag und die Station O. mit 17 Reisenden am Tag genannt. Da die Station [N] in einem Tal liege, würde die Erstellung einer Empfangsantenne und deren Anschluss Kosten in Höhe etwa des Zehnfachen des für eine durchschnittliche Montage eines Dynamischen Schriftanzeigers anfallenden Aufwands verursachen. Ferner habe sie vorgetragen, dass bei den Stationen R. und O. mit erheblichem Aufwand erst die Stromversorgung hergestellt werden müsste, wobei im zuletzt genannten Fall das Gleis gequert werden müsste.“
Trotz dieser Einwände schätzte das Gericht aber die der Klägerin durch den Bescheid der Beklagten auferlegte Verpflichtung nicht als unzumutbar ein. Das Gericht stellte fest, dass das Oberverwaltungsgericht insoweit „eine vertretbare Abwägung der finanziellen Belastung der Klägerin mit den zu gewährleistenden Fahrgastrechten vorgenommen [hat] und in diesem Zusammenhang erwogen [hat], dass der Informationsbedarf der Fahrgäste bei wenig frequentierten Bahnhöfen nicht geringer, sondern im Gegenteil mangels anderer Verbindungsalternativen regelmäßig größer sein dürfte als bei großen Stationen. Zum anderen hat das Oberverwaltungsgericht darauf abgestellt, dass die angefochtenen Bescheide dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit auch dadurch Rechnung tragen, dass sie für kleinere Stationen eine längere Umsetzungsfrist vorsehen.“
Schließlich stehe auch „das angedrohte Zwangsgeld in der ursprünglichen Höhe von 2 000,00 Euro je nicht ausgestatteter Station gemäß § 9 Abs. 2 Satz 1 VwVG in einem angemessenen Verhältnis zu seinem Zweck. Durch die Begrenzung auf insgesamt höchstens 500 000,00 Euro wird der nach § 5a Abs. 9 Satz 2 AEG […] zulässige Höchstbetrag eingehalten.“
Insgesamt stellt das Urteil damit eine Stärkung der Fahrgastrechte dar. Klausur- oder examensrelevant und damit besonders interessant ist vor allem, auf welche Weise das Gericht die europarechtliche Vorschrift auf den Umfang der statuierten Informationspflicht untersucht. Weiter sollte man sich ist die detaillierte Abwägung der entgegenstehenden Interessen im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung genauer anschauen.
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