Der Entscheidung (BGH Urteil vom 03.12.2015, 4 StR 223/15 - abrufbar unter www.bundesgerichtshof.de) lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Der Angeklagte A und das spätere Opfer O gerieten vor einer Scheune, zu der sie sich begeben hatten, in einen Streit, in dessen Verlauf O dem A wohl vorwarf, dass er nichts geregelt und "kein Mädchen an den Start bekomme", weswegen er ein "armes Würstchen" sei. Als O sich mit dem Rücken zu A bückte, stellte sich A hinter O und schlug diesem nun mit direktem Tötungsvorsatz mehrfach mit einer schweren Metallstange auf den Kopf. Nach dem letzten Schlag entfernte er sich, wobei er irrig davon ausging, O tödlich verletzt zu haben. Eine Stunde später kehrte er zur Scheune zurück in der Absicht, gegenüber der Polizei anzugeben, er habe überraschend seinen getöteten Freund gefunden. Als er den bewusstlosen O untersuchte stellte er jedoch fest, dass dieser noch lebte, woraufhin er sein Messer aus der Tasche zog und mit erheblicher Kraftentfaltung den Hals bis zur Wirbelsäule durchtrennte. O verblutete infolge dieser Handlung.
Das erstinstanzliche LG hatte A wegen versuchten, heimtückischen Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung sowie tatmehrheitlich dazu wegen vollendeten Totschlags verurteilt. Der BGH hob dieses Urteil auf.
Nach Auffassung des BGH kann bereits in dem Zuschlagen mit der Eisenstange ein vollendeter Heimtückemord gem. § 211 StGB gesehen werden. Das nachfolgende Durchtrennen des Halses (§ 212 StGB) trete alsdann konkurrenzrechtlich hinter dem Mord zurück, da der Tod nur einmal angelastet werden könne.
Unproblematisch ist das Zuschlagen mit der Eisenstange zunächst einmal kausal für den später eingetretenen Tod des O gewesen. Dazu der BGH wie folgt:
"Ursächlich für den Eintritt eines tatbestandsmäßigen Erfolgs ist jede Bedingung, die den Erfolg herbeigeführt hat. Dabei ist gleichgültig, ob neben der Tathandlung noch andere Umstände, Ereignisse oder Geschehensabläufe zur Herbeiführung des Erfolgs beigetragen haben ....Ein Kausalzusammenhang ist nur dann zu verneinen, wenn ein späteres Ereignis die Fortwirkung der ursprünglichen Bedingung beseitigt und seinerseits allein unter Eröffnung einer neuen Ursachenreihe den Erfolg herbeigeführt hat ... Dagegen schließt es die Ursächlichkeit des Täterhandelns nicht aus, dass ein weiteres Verhalten an der Herbeiführung des Erfolgs mitgewirkt hat. Ob es sich bei dem mitwirkenden Verhalten um ein solches des Opfers oder um deliktisches oder undeliktisches Verhalten eines Dritten ....oder des Täters selbst handelt....ist dabei ohne Bedeutung. Danach waren die mit Tötungsabsicht geführten Schläge mit der Metallstange unbeschadet des Umstands, dass das Tatopfer unmittelbar an den Folgen der späteren Messerschnitte verstarb, für den Tod des Opfers ursächlich. Denn der Einsatz des Messers gegen das bewusstlose, bereits tödlich verletzte Opfer, um es endgültig zu töten, knüpfte an das vorausgegangene Geschehen an und wäre ohne die durch die Schläge mit der Metallstange geschaffene Lage nicht möglich gewesen."
In der Klausur würden Sie nun die objektive Zurechnung prüfen und sich fragen, ob der spätere Verlauf einen atypischen Kausalverlauf darstellt und damit die objektive Zurechnung unterbricht. Sie würden also prüfen, ob in dem Zuschlagen, welches zweifelsohne ein rechtlich relevantes Risiko darstellt, die Gefahr liegt, dass der Täter zunächst irrig annimmt, er habe sein Opfer getötet, dann aber später seinen Irrtum bemerkt und die Tat zu Ende bringt. In Anbetracht des Umstandes, dass ein Laie insbesondere vor dem Hintergrund der emotional aufgeladenen Situation nicht immer kaltblütig abklären wird, ob das Opfer auch wirklich tot oder aber zumindest tödlich verletzt ist, ist es nicht ungewöhlich, dass der Tod erst später bei Verdeckungshandlungen eintritt. Damit liegt aber in den ersten Schlägen die Gefahr, dass der Täter aufgrund eines Irrtums seine Tat erst später beenden wird. Die objektive Zurechnung kann also bejaht werden.
Der BGH arbeitet bei Vorsatzdelikten nicht mit der objektiven Zurechnung sondern löst die Fälle ausschließlich im Vorsatz. Danach muss der Vorsatz den Kausalverlauf in seinen wesentlichen Zügen umfassen. Liegt eine wesentliche Abweichung vom vorgestellten Kausalverlauf vor und rechtfertigt diese Abweichung eine andere Bewertung der Tat, dann muss der Vorsatz verneint werden. Der BGH hat im vorliegenden Fall dazu folgendes ausgeführt:
"Der Tod des Opfers als Folge der mit der Metallstange geführten Schläge ist dem Angeklagten auch subjektiv als von dem die Ausführung der Schläge tragenden Vorsatz mitumfasst zuzurechnen. Der Vorsatz des Täters muss sich auf den zum Eintritt des tatbestandlichen Erfolgs führenden Geschehensablauf erstrecken ....Da dieser indes kaum je in allen Einzelheiten zu erfassen ist, wird der Vorsatz durch unwesentliche Abweichungen des vorgestellten vom tatsächlichen Geschehensablauf nicht in Frage gestellt. Eine Abweichung vom vorgestellten Kausalverlauf ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs als unwesentlich anzusehen, wenn sie sich innerhalb der Grenzen des nach allgemeiner Lebenserfahrung Vorhersehbaren hält und keine andere Bewertung der Tat rechtfertigt ......Unter Zugrundelegung dieses Maßstabs ist in Fällen, in denen bei Angriffen gegen das Leben der Tod des Opfers nicht unmittelbar durch die Angriffshandlung sondern durch vorsätzliches Handeln eines Dritten ("Pflegemutterfall" - Anm. der Redaktion)des Täters herbeigeführt wurde, von der Rechtsprechung eine wesentliche Abweichung vom Kausalverlauf verneint worden (vgl. BGH,Urteile vom 30. August 2000 – 2 StR 204/00 aaO; vom 26. April 1960 – 5 StR 77/60 aaO; vom 6. Juli 1956 – 5 StR 434/55, aaO).
Im vorliegenden Fall ist nach den festgestellten Tatumständen eine lediglich unwesentliche Abweichung des tatsächlichen vom vorgestellten Kausalverlauf gegeben. Der Umstand, dass der Tod des durch die Schläge mit der Metallstange bereits tödlich verletzten Tatopfers unmittelbar durch die im Zuge der Bemühungen um eine Tatverschleierung mit gleicher Angriffsrichtung gegen das wider Erwarten noch nicht verstorbene Opfer geführten Messerstiche bewirkt wurde, bewegt sich nicht außerhalb jeder Wahrscheinlichkeit und rechtfertigt keine andere Bewertung der Tat."
Da objektiv der Täter A die Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers in feindlicher Willensrichtung bewusst ausnutzte, kann auch die Heimtücke bejaht werden. Evtl. könnte auch der von der Literatur zusätzlich verlangte, verwerfliche Vertrauensbruch bejaht werden, da es sich bei Täter und Opfer um langjährige Feunde handelte.
Damit ist der Tatbestand des Mordes verwirklicht.
Die nachfolgende Handlung (Messer) stellt nur noch einen Totschlag dar. Die Verdeckungsabsicht kann nicht bejaht werden, da der vorangegangene Mord keine "andere" Tat i.S.v. § 211 StGB ist.
Weitere erhellende Ausführungen finden Sie in unseren ExO´s sowie im GuKO SR II. Einen Auszug aus dem Skript finden Sie hier:http://www.juracademy.de/web/topic.php?id=12491.