Die Klägerin arbeitet schon seit Ewigkeiten im selben Betrieb. Genauer: ungefähr 20 Jahre. Im Jahr 2010 verlässt sie den Betrieb. In ihrem Arbeitsvertrag findet sich eine Klausel, die wörtlich lautet: "Die Zahlung eines 13. Gehalts ist eine freiwillige Leistung der Firma, die anteilig als Urlaubs und Weihnachtsgeld gewährt werden kann.“ Als die Klägerin aus dem Betrieb ausscheidet, wird ihr ein solches 13. Monatsgehalt nicht ausbezahlt. Sie klagt ein solches nun ein.
Als Anspruchsgrundlage kommt der Arbeitsvertrag (Dienstvertrag) gem. § 611 BGB in Betracht. Das ein solcher geschlossen wurde, steht nicht in Frage. Einzig, ob aus diesem eine Pflicht zur Leistung eines 13. Monatsgehaltes abgeleitet werden kann, ist fraglich. Normalerweise bestimmt sich eine Vertragsauslegung nach der Maßgabe der §§ 133, 157 BGB. Modifiziert werden diese Grundregeln der Zivilrechtsdogmatik allerdings, wenn es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen handelt. In einem solchen Fall gilt § 305c Abs.2 BGB. Diese Norm regelt, dass Auslegungszweifel zu Lasten des Verwenders gehen. Daraus wird mehrerlei abgeleitet:
1. " (...) Allgemeine Vertragsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei nicht die Verständnismöglichkeiten des konkreten, sondern die des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zu Grunde zu legen sind. Ansatzpunkt für die nicht am Willen der jeweiligen Vertragspartner zu orientierende Auslegung ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Ist dieser nicht eindeutig, kommt es für die Auslegung entscheidend darauf an, wie der Vertragstext aus Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist, wobei der Vertragswille verständiger und redlicher Vertragspartner beachtet werden muss."
2. " Bleibt nach Ausschöpfung der Auslegungsmethoden ein nicht behebbarer Zweifel, geht dies gem. § 305 c II BGB zulasten des Verwenders. Die Anwendung der Unklarheitenregel des § 305 c II BGB setzt voraus, dass die Auslegung einer einzelnen AGB-Bestimmung mindestens zwei Ergebnisse als vertretbar erscheinen lässt und von diesen keines den klaren Vorzug verdient. Es müssen „erhebliche Zweifel“ an der richtigen Auslegung bestehen." (Jeweils: BAG 10 AZR 281/12 Rn. 12)
3. Daraus folgt für den Vertragspartner ungünstige Normen: Der "Grundsatz der kundenfeindlichen Auslegung" – führt eine dem Vertragspartner (meist: Kunde, aber durchaus auch Arbeitnehmer) ungünstige Auslegung zur Unwirksamkeit der Klausel, so ist dies für ihn günstiger und geht damit "zu Lasten des Verwenders" i.S.d. § 305c Abs. 2 BGB. Führt die ungünstigere Auslegung allerdings nicht zur Unwirksamkeit, hat dennoch die dem Vertragspartner "freundlichere Auslegung" Bestand. Nur diese geht dann nämlich auch "zu Lasten des Verwenders".
Wichtig dafür ist aber festzustellen, dass Zweifel bzgl. der richtigen Auslgegung einer Klausel bestehen. Ohne Auslegungsmöglichkeiten – keine Zweifel.
Vorliegend kann die Klausel zum einen so verstanden werden, dass das "Ob" der freiwililligen Leistung nicht in Frage steht, sondern nur eine Wahlmöglichkeit bzgl. der Auszahlungsvarianten Urlaubs- oder Weihnachtsgeld bestehen soll. Daran ändert auch die Verwendung des Terminus: "Freiwillige Leistung" nichts. Damit könnte auch gemeint sein, dass keine tarifvertragliche oder gesetzliche Verpflichtung besteht. Zum anderen kann die Klausel aber auch so verstanden werden, wie sie der Arbeitgeber verstanden haben will: als schlicht überobligatorische, freiwillige Leistung.
Es bestehen Zweifel bzgl. der Auslegung. Damit ist die dem Verwender ungünstigere und dem Arbeitnehmer günstigere Auslegungsvariante zu wählen. Danach hätte der Arbeitgeber lediglich die Wahl zwischen der Auszahlungsart - nicht aber die Auszahlung nicht vorzunehmen.
Der Vertrag legt einen Anspruch fest. Dieser Anspruch ist nicht gehemmt und durchsetzbar. Der Beklagte muss zahlen.
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