Der BGH hat mit Urteil vom 25.06.2010 (AZ 2 StR 454/09 - abrufbar unter www.bundesgerichtshof.de) über folgenden Sachverhalt entschieden:
Der auf palliativmedizinische Fragen spezialisierte Rechtsanwalt R empfahl seiner Mandantin A, die als Betreuerin für die schon seit langem im Wachkoma liegende Mutter M bestellt war, oberhalb der Bauchdecke den Schlauch zu durchtrennen, mit welchem M über eine Magensonde künstlich ernährt wurde. Dies entsprach dem Wunsch der M, die zwar keine schriftliche Patientenverfügung hatte, aber gleichwohl nachweisbar zu Lebzeiten mehrmals erklärt hatte, dass sie ein Sterben in Würde einem leblosen Dahinvegetieren vorziehe. A ging daraufhin wie gemeinsam mit R geplant vor. Die Heimleitung veranlasste jedoch nach Entdecken des Eingriffs, dass M eine neue Magensonde gelegt wurde. M verstarb alsdann einige Wochen später infolge ihrer Erkrankung.
Das LG Fulda verurteilte R wegen mittäterschaftlich begangenem, versuchtem Totschlag (aktive Sterbehilfe) zu einer Freiheitsstrafe auf Bewährung, A wurde wegen eines unvermeidbaren Verbotsirrtums frei gesprochen.
Der BGH machte im Rahmen der Prüfung der §§ 212, 22, 23, 25 II StGB zunächst im objektiven Tatbestand deutlich, dass er in einem Fall des medizinischen Behandlungsabbruches i.S.d. Patientenverfügungsgesetzes gem. §§ 1901a ff BGB nicht mehr danach unterscheidet, ob ein evtl. strafloses Unterlassen iSd bisherigen passiven Sterbehilfe oder aber ein aktives Tun vorliege. Diese, nun als künstlich empfundene Unterscheidung wurde ausdrücklich aufgegeben. Damit kann ein Arzt, der eine Magensonde herauszieht ebenso straflos sein, wie ein Arzt, der eine Magensonde gar nicht erst legt.
Im Rahmen der Rechtswidrigkeit hat der BGH ausgeführt, dass eine Sterbehilfe durch Unterlassen, Begrenzen oder Beenden einer begonnenen medizinischen Behandlung (Behandlungsabbruch) aufgrund einer Einwilligung des Sterbenden gerechtfertigt sein kann, wenn es seinem tatsächlichen (es liegt eine schriftliche Patientenverfügung vor oder aber der Betroffene kann sich noch klar äußern) oder mutmaßlichen Willen (den der Betreuer zu ermitteln hat) entspricht (§ 1901a BGB). Damit stärkt der BGH das Selbstbestimmungsrecht eines sich im Sterbeprozess befindlichen Menschen. Da die M als Wachkomapatientin ohne künstliche Ernährung lebensunfähig war und sich damit auf diese Weise im Sterbeprozess befand und die Beendigung der Ernährung ihrem Willen entsprach, wurde die Verurteilung des R aufgehoben.
Der BGH machte jedoch auch deutlich, dass eine aktive Sterbehilfe, die nicht in Zusammenhang mit einem Behandlungsabbruch stehe, nach wie vor gem. §§ 212, 216 StGB strafbar sein könne.
Weitere Ausführungen zu diesem Thema finden Sie im GuKO SR II sowie in unseren ExO`s.