Der Entscheidung des BGH (Urteil vom 04.06.2014 – Az. VIII ZR 289/13 – abrufbar unter: www.bundesgerichtshof.de = NJW 2014, 2566 = MDR 2014, 950 = BeckRS 2014, 14871 – beck-online = LSK 2014, 320461 – beck-online (Ls.) = NZM 2014, 635 – beck-online) lag folgender Sachverhalt zugrunde:
B ist seit Juli 2006 Mieter eines Hauses der K. Bereits im Jahr 2009 war es zwischen den Parteien zu zwei gerichtlichen Auseinandersetzungen gekommen, die ihre Ursache in einem Streit über das Besichtigungsrecht der K hatten. Der Mietvertrag zwischen K und B sieht in einer Formularklausel vor, dass das von B gemietete Haus nach vorheriger Ankündigung zur „Überprüfung des Wohnungszustands“ besichtigt werden dürfe.
Am 16. August 2012 suchte die K den B vereinbarungsgemäß auf, um zwischenzeitlich installierte Rauchmelder in Augenschein zu nehmen. Bei dieser Gelegenheit versuchte die K, das gesamte Haus zu besichtigen und gegen den Willen des B weitere als die mit Rauchmeldern versehenen Zimmer zu betreten. Der daraufhin vom B unmissverständlich ausgesprochenen Aufforderung, das Haus zu verlassen, leistete sie keine Folge, sondern verweilte in der Diele vor der Haustür. Sie öffnete dort ein Fenster im Flur, nachdem sie zuvor Gegenstände des Beklagten von der Fensterbank genommen hatte. Daraufhin umfasste der B mit den Armen die K am Oberkörper und trug sie vor die Haustür. Wegen dieses Vorfalls erklärte die K mit Schreiben vom 29. August 2012 die fristlose und hilfsweise die ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses.
Ist die zulässige Räumungsklage begründet?
Dann müsste die K dem B wirksam gekündigt haben.
I. Zunächst kommt eine außerordentliche Kündigung gemäß § 543 Abs. 1 BGB in Betracht. Dann müsste ein wichtiger Grund gemäß § 543 Abs. 1 S. 2 BGB bestehen. Ein wichtiger Grund liegt hiernach dann vor, wenn dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere eines Verschuldens der Vertragsparteien, und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur sonstigen Beendigung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden kann.
Hierzu führt der BGH aus, dass die K vor dem beanstandeten Verhalten des B ihrerseits ihre mietvertragliche Rücksichtnahmepflicht verletzt und dadurch das nachfolgende Verhalten des B herausgefordert habe. Dies folge daraus, dass die K über die vereinbarte Kontrolle der Rauchmelder zu einer weiteren eigenmächtigen Besichtigung nicht berechtigt gewesen sei. Durch die Weigerung der K habe diese insoweit das Hausrecht des B verletzt. Somit trage Sie jedenfalls eine Mitschuld an dem weiteren Geschehen. Der BGB führt aus, dass der Vermieter weder ein allgemeines periodisches Recht zur Kontrolle des Wohnungszustandes habe, noch ergebe sich ein solches aus der Formularklausel in dem Mietvertrag, wonach die K berechtigt sei, dass vom B gemietete Haus nach vorheriger Ankündigung zur „Überprüfung des Wohnungszustands“ zu besichtigen. Der BGH hält vielmehr eine Klausel, die ein solches anlassloses Betretungsrecht regelt, für eine unangemessene Benachteiligung des Mieters und damit gemäß § 307 Abs. 1 BGB für unwirksam.
Dies begründet der BGH folgendermaßen: „Während der Dauer des Mietvertrags ist das alleinige und uneingeschränkte Gebrauchsrecht an der Wohnung dem Mieter zugewiesen. Zudem steht die Wohnung des Mieters als die räumliche Sphäre, in der sich das Privatleben entfaltet, unter dem Schutz des Art. 13 Abs. 1 GG, der das Recht gewährleistet, in diesen Räumen "in Ruhe gelassen zu werden" [...].
Vor diesem Hintergrund kann dem Vermieter von Wohnraum entgegen einer Auffassung, die teilweise in der Instanzrechtsprechung [...] vertreten wird, nicht das Recht zugebilligt werden, die Mietsache auch ohne besonderen Anlass in einem regelmäßigen zeitlichen Abstand von ein bis zwei Jahren zu besichtigen.
Vielmehr besteht eine vertragliche, aus § 242 BGB herzuleitende Nebenpflicht des Mieters, dem Vermieter - nach entsprechender Vorankündigung - den Zutritt zu seiner Wohnung zu gewähren, nur dann, wenn es hierfür einen konkreten sachlichen Grund gibt, der sich zum Beispiel aus der ordnungsgemäßen Bewirtschaftung des Objektes ergeben kann [...].“
Der Sachverhalt bietet für einen solchen sachlichen Grund keine Hinweise.
Daher kann im Ergebnis nicht von einer Unzumutbarkeit i.S.v. § 543 Abs. 1 S. 2 BGB ausgegangen werden. Somit ist die außerordentliche Kündigung gemäß § 543 Abs. 1 BGB unwirksam.
II. Des Weiteren kommt eine ordentliche Kündigung gemäß § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB in Betracht. Dann müsste der Vermieter ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses haben (§ 573 Abs. 1 S. 1 BGB). Dies ist unter anderem dann der Fall, wenn der Mieter seine vertraglichen Pflichten schuldhaft nicht unerheblich verletzt hat (§ 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB). Hierzu führt der BGH aus, dass aus dem oben Gesagten folge, dass eine Vertragsverletzung von einem Gewicht, das ein berechtigtes Interesse der Klägerin an der Beendigung des Mietvertrags rechtfertigt, nicht gegeben sei.
Somit kommt im Ergebnis auch keine ordentliche Kündigung gemäß § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB in Betracht.
Mithin wurde das Mietverhältnis nicht wirksam gekündigt und die Klage ist damit unbegründet.
Anmerkung: Zur weiteren Vertiefung der Problematik des Falles kann auf die Urteilsanmerkungen von Rolfs (LMK 2014, 361203 – beck-online) und Bub/Bernhard (FD-MietR 2014, 359149 – beck-online) verwiesen werden. Weitere Ausführungen zu diesem Thema finden Sie auch in unseren ExO`s und im GuKO ZR I. Eine Leseprobe aus unserem Skript finden Sie hier: http://www.juracademy.de/web/skript.php?id=37316.