Dem Urteil des BGH (v. 11.6.2015 – VII ZR 216/14, abrufbar unter www.bundesgerichtshof.de = NZA 2015, 941 = NJW 2015, 2406) lag folgender – leicht vereinfachter – Sachverhalt zugrunde:
B unterbreitete dem K einen „Kostenanschlag“ für den Einbau von vier Fenstern zu einem Preis von 2120 € und für den Ausbau des Dachgeschosses mit Gipsbauplatten zu einem Preis von 10.531,90 € jeweils zuzüglich Umsatzsteuer. Anschließend schlossen die Parteien mündlich einen Vertrag zu einem Pauschalpreis von 10.000 €, den der K bar entrichtete. Am 21.2.2007 erteilte der B dem K eine Rechnung „zum Festpreis von 10.000 €“. Der Rechnungsvordruck enthält in den Spalten für „Rechnung Nr.“, „Steuer-Nr. 2“, „Rechnungs-Betrag netto“, „+ % MwSt. = MwSt.-Betrag“, „= Rechnungs-Endbetrag gesamt“ keine Eintragungen.
Der K fordert Schadensersatz i.H.v. 11.901,53 € wegen Mängeln der vom B erbrachten Ausbauarbeiten im Dachgeschoss seines Hauses.
Besteht der geltend gemachte Schadensersatzanspruch?
Fortsetzung
Gehen Sie davon aus, dass ein Schadensersatzanspruch des K gegen B nicht gegeben ist. Hat der K jedenfalls einen Anspruch auf Rückzahlung des gezahlten Werklohnes i.H.v. 10.000 €?
A. Ausgangsfall
K könnte gegen B einen Schadensersatzanspruch i.H.v. 11.901,53 € gem. §§ 634 Nr. 4, 633, 280 Abs. 1, 281 Abs. 1 BGB haben.
I. Wirksames Schuldverhältnis?
Dann müsste zunächst ein wirksames Schuldverhältnis zwischen K und B gegeben sein. Hier kommt ein Werkvertrag gemäß § 631 BGB in Betracht. K und B schlossen mündlich einen Vertrag für den Ausbau des Dachgeschosses mit Gipsbauplatten und den Einbau von vier Fenstern, sodass grundsätzlich der Inhalt des Vertrags auf einen Erfolg gerichtet war und somit ein Werkvertrag gegeben war.
Der Werkvertrag könnte aber unwirksam gewesen sein. Gemäß § 134 BGB ist ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, nichtig, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt. Hier könnte ein Verstoß gegen § 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwarzArbG gegeben sein. Gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwarzArbG leistet Schwarzarbeit, wer Dienst- oder Werkleistungen erbringt oder ausführen lässt und dabei als Steuerpflichtiger seine, sich auf Grund der Dienst- oder Werkleistungen ergebenden steuerlichen Pflichten nicht erfüllt.
Hier ergab sich jedenfalls aus den Umständen, dass B keine Umsatzsteuer für die Durchführung der Baumaßnahmen abführen wollte, sodass ein Verstoß gegen § 134 BGB gegeben ist. K war dieser Verstoß auch bewusst und billigte diesen.
Es müsste sich bei § 1 Abs. 2 Nr. 2 BGB aber auch um ein Verbotsgesetz handeln. Das Gesetz muss ein Rechtsgeschäft wegen seines Inhalts, des bezweckten Erfolgs oder besonderer Umstände bei der Vornahme des Geschäfts verbieten (BGHZ 46, 25; OLG Hamburg NJW 1993, 1335; PWW/Ahrens, BGB, 10. Aufl. 2015, § 134 Rn. 10). Ausschlaggebend ist, dass sich die Vorschrift nach ihrem Sinn und Zweck nicht nur gegen die Vornahme des Rechtsgeschäfts, sondern gegen seine privatrechtliche Wirksamkeit und seinen wirtschaftlichen Erfolg, d.h. seinen Inhalt wendet (BGH NJW 2002, 3016; 2014, 3568; PWW/Ahrens, BGB, 10. Aufl. 2015, § 134 Rn. 12).
Gemäß § 1 Abs. 1 SchwarArbG ist Zweck des Gesetzes die Intensivierung der Bekämpfung der Schwarzarbeit. Dieses Ziel kann aber nur effektiv erreicht werden, wenn jegliche zivilrechtliche Ansprüche gesperrt werden, da schmerzliche Konsequenzen mit einem solchen Verstoß einhergehen müssen. Die Konsequenzen müssen so einschneidend sein, dass die Kostenvorteile von Schwarzarbeit die Risiken nicht aufwiegen. Dies kann nur angenommen werden, wenn die Vertragsparteien keinerlei vertragliche Ansprüche haben, sodass der Werkunternehmer das Risiko hat, dass er seinen Lohn nicht bekommt und der Besteller das Risiko, dass das Werk mangelhaft ist. Mithin ergibt sich aus dem Zweck des SchwarzArbG, dass es die zivilrechtliche Wirksamkeit verhindern möchte. Mithin handelt es sich um ein Verbotsgesetz.
Mithin ist der Werkvertrag zwischen K und B nichtig.
Hierzu führt der BGH folgendes aus:
„[9]II. Das BerGer. hat auf der Grundlage der von ihm getroffenen Feststellungen zu Recht angenommen, dass dem Kl. wegen Mängeln der vom Bekl. erbrachten Werkleistung kein Schadensersatzanspruch gem. §§ 634 Nr. 4, 633, 280, 281 BGB zusteht, weil der zwischen den Parteien geschlossene Werkvertrag wegen Verstoßes gegen § 1 II Nr. 2 SchwarzArbG nichtig ist, § 134 BGB.
[10]a) § 1 II Nr. 2 SchwarzArbG enthält das Verbot zum Abschluss eines Werkvertrags, wenn dieser Regelungen enthält, die dazu dienen, dass eine Vertragspartei als Steuerpflichtige ihre sich auf Grund der nach dem Vertrag geschuldeten Werkleistungen ergebenden steuerlichen Pflichten nicht erfüllt. Das Verbot führt jedenfalls dann zur Nichtigkeit des Vertrags, wenn der Unternehmer vorsätzlich hiergegen verstößt und der Besteller den Verstoß des Unternehmers kennt und bewusst zum eigenen Vorteil nutzt [...]. Diese Voraussetzungen liegen vor. Der Bekl. hat Schwarzarbeit gem. § 1 II Nr. 2 SchwarzArbG geleistet, indem er für den mündlich vereinbarten Werklohn i.H.v. 10.000 Euro keine Umsatzsteuer verlangen und abführen wollte. Der Kl. hat dies erkannt und bewusst zu seinem Vorteil ausgenutzt, indem er mit dem Bekl. ein Entgelt vereinbart hat, das keinen Umsatzsteueranteil enthielt. Dies ist ausreichend, um einen zur Nichtigkeit des Vertrags führenden Verstoß gegen das Verbot des § 1 II Nr. 2 SchwarzArbG anzunehmen [...].“
II. Ergebnis
K hat gegen B keinen Schadensersatzanspruch i.H.v. 11.901,53 € gem. §§ 634 Nr. 4, 633, 280 Abs. 1, 281 Abs. 1 BGB.
B. Fortsetzung
K könnte gegen B einen Anspruch auf Zahlung von 10.000,00 € gemäß § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB haben.
I. Etwas erlangt
B müsste etwas erlangt haben. Etwas meint jeden vermögenswerten Vorteil. Hier hat B Eigentum und Besitz an den Geldscheinen im Wert von 10.000,00 € erlangt.
II. Durch Leistung eines anderen
Dies müsste auch durch Leistung eines anderen geschehen sein. Leistung ist die bewusste und zweckgerichtete Mehrung fremden Vermögens. Hier hat K zum Zwecke der Erfüllung eines (vermeintlichen) Werkvertrags geleistet.
III. Ohne Rechtsgrund
Es dürfte für die Leistung auch kein Rechtsgrund bestehen. Hier war der Werkvertrag nichtig (s.o.), sodass kein Rechtsgrund gegeben war.
IV. Ausschluss gemäß § 817 S. 2 Hs. 1 BGB?
Der Anspruch des K auf Rückzahlung des an B geleisteten Werklohns könnte jedoch gem. § 817 S. 2 Hs. 1 BGB ausgeschlossen sein. Gemäß § 817 S. 1 BGB ist der Empfänger zur Herausgabe verpflichtet, wenn der Zweck einer Leistung in der Art bestimmt war, dass der Empfänger durch die Annahme gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die guten Sitten verstoßen hat. Gemäß § 817 S. 2 BGB ist die Rückforderung ausgeschlossen, wenn dem Leistenden gleichfalls ein solcher Verstoß zur Last fällt.
Hier hat B als Werkunternehmer die Umsatzsteuern nicht abgeführt. K als Besteller war dies bewusst, bzw. hatte dies mit B sogar (konkludent) vereinbart, da der Preis wesentlich niedriger war, als der mit der berechneten Umsatzsteuer (s.o.).
Hierzu führt der BGH folgendes aus:
„Entsprechend der Zielsetzung des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes verstößt nicht nur die § 1 II Nr. 2 SchwarzArbG widersprechende vertragliche Vereinbarung der Parteien gegen ein gesetzliches Verbot, sondern auch die in Ausführung dieser Vereinbarung erfolgende Leistungserbringung durch den Unternehmer. § 817 S. 2 Hs. 1 BGB ist daher nicht einschränkend auszulegen, wenn der Unternehmer für die von ihm auf Grund eines nichtigen Vertrags erbrachte Werkleistung einen Bereicherungsanspruch gegen den Besteller geltend macht [...].
[16]16 bb) § 817 S. 2 Hs. 1 BGB findet auch dann Anwendung, wenn der Besteller in Ausführung eines solchen gem. § 134 BGB nichtigen Werkvertrags seine Leistung erbringt, indem er ohne Rechnung mit Steuerausweis den vereinbarten Betrag bezahlt [...].
[17]Eine einschränkende Auslegung des § 817 S. 2 Hs. 1 BGB kommt nicht in Betracht. Zwischen den Vertragsparteien erfolgt in einem solchen Fall ebenfalls kein Wertausgleich. Wer bewusst das im Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz enthaltene Verbot missachtet, soll nach der Intention des Gesetzgebers schutzlos bleiben und veranlasst werden, das verbotene Geschäft nicht abzuschließen [...]. Der Ausschluss eines bereicherungsrechtlichen Anspruchs mit der ihm zukommenden abschreckenden Wirkung ist ein geeignetes Mittel, die in der Gesetzesbegründung zum Ausdruck kommende Zielsetzung des Gesetzgebers mit den Mitteln des Zivilrechts zu fördern [...]. Dies gilt sowohl für bereicherungsrechtliche Ansprüche des Werkunternehmers als auch des Bestellers, der sich auf den Abschluss eines gegen das Verbot des § 1 II Nr. 2 SchwarzArbG verstoßenden Werkvertrags eingelassen hat.“
Mithin ist der Anspruch gemäß § 817 S. 2 Hs. 1 BGB ausgeschlossen.
V. Ergebnis
K hat gegen B keinen Anspruch auf Zahlung von 10.000,00 € gemäß § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB.
Ein möglicher Anspruch des K gegen B gemäß § 817 S. 1 BGB wäre ebenfalls gemäß § 817 S. 2 BGB ausgeschlossen.
Anmerkung: Zur Vertiefung der Thematik kann auf die interessante Anmerkung von Stramm (NJW 2015, 2407) verwiesen werden. Dieser zeichnet insbesondere die Rechtsprechungsentwicklung nach, die sich in diesem Bereich in den letzten Jahren stark verändert hat. Weitere Ausführungen zu diesem Thema finden Sie auch in unseren ExO`s und im GuKO ZR. Eine Leseprobe aus unserem Skript finden Sie hier: http://www.juracademy.de/web/skript.php?id=37273.