Tatbestand
Der auf die Beklagte zugelassene Pkw wurde - nicht von ihr - am 16. Juni 2010 auf dem Kundenparkplatz eines Verbrauchermarktes in der Zeit zwischen 8.00 Uhr und 10.05 Uhr abgestellt. Da die durch entsprechende Schilder kenntlich gemachte Höchstparkzeit von 90 Minuten überschritten war, veranlasste ein Mitarbeiter der Supermarktbetreiberin die Umsetzung des Fahrzeugs. Das Abschleppunternehmen (nachfolgend: Klägerin)war aufgrund eines zwischen ihr und der Betreiberin des Verbrauchermarktes (nachfolgend: Grundstücksbesitzerin) bestehenden Rahmenvertrages verpflichtet, unberechtigt parkende Fahrzeuge zu entfernen. Die hierfür vereinbarte Vergütung betrug 219,50 € und entsprach der ortsüblichen Vergütung. Die Ansprüche gegenüber dem unberechtigten Nutzer der Fläche bzw. gegen den Halter des entsprechenden Fahrzeuges auf Ersatz der Kosten wurden an sie zur Erfüllung wirksam abgetreten.
Mit Schreiben vom 12. Oktober 2012 forderte die Klägerin die Beklagte zur Zahlung von 219,50 € auf.
Hat die Klägerin (K) einen Anspruch i.H.d. Abschleppkosten gegen die Beklagte (B)
Lösung:
I. Anspruch der K aus §§ 677, 683 S.1, 670
Fraglich ist, ob ein eigener Anspruch der K aus GoA besteht. Dies wäre dann nicht der Fall, wenn die GoA in solchen Konstellationen generell keine Anwendung finden würde.
Nach der Rechtsprechung ist die GoA dann nicht anwendbar, wenn die K einem anderen ggü. vertraglich zur Tätigkeit verpflichtet ist und dieser Vertrag die Entgeltfrage abschließend regelt. Diese VSS liegen vorliegend vor (sog.: „pflichtgebundener Geschäftsführer“).
Vorliegend ist die K der Grundstücksbesitzerin zur Umsetzung und zum Abschleppen vertraglich verpflichtet. Eine solche Regelung sieht der zwischen diesen Parteien geschlossene Rahmenvertrag vor. Die Entgeltfrage war lt. SV mit der vereinbarten Pauschalvergütung abschließend geregelt.
Demnach ist die GoA nach der Rechtsprechung nicht anwendbar.
Auch mit der überwiegenden Literatur gilt es den Anspruch wegen des fehlenden Fremdgeschäftsführungswillens abzulehnen. Die Klägerin handelte vorliegend primär zur Erfüllung der eigenen vertraglichen Verpflichtung. Hierbei war ihr das Schicksal der B im Zweifel egal.
II. Anspruch des K aus §§ 677, 683 S. 1, 670, 389
Fraglich ist, ob ein Anspruch aus GoA aus abgetretenem Recht besteht. Die Abtretung ist lt. SV wirksam erfolgt.
Expertentipp
Hier geht es um den ursprünglichen Anspruch der Grundstücksbesitzerin gegen die B. Diesen hat sie an Erfüllung statt an die Klägerin abgetreten.
1. Geschäftsbesorgung
Eine Geschäftsbesorgung liegt vor, da der Abschleppvorgang Gegenstand eines Werkvertrags sein könnte.
2. Fremdes Geschäft
Fraglich ist, ob das Geschäft fremd war. Dies hängt davon ab, ob die Klägerin in einem fremden Interessenkreis tätig wurde. Die B könnte zur Entfernung des Fahrzeugs verpflichtet gewesen sein. Eine solche Pflicht kann bei Annahme einer Besitzstörung aus § 862 I und bei Annahme einer teilweisen Besitzentziehung aus § 861 I folgen. Hierfür müsste B verbotene Eigenmacht gemäß § 858 verübt haben. Hierunter wird die Störung oder die Entziehung des Besitzes ohne den Willen des Berechtigten oder gesetzliche Gestattung verstanden. Im Parken eines Fahrzeugs auf einer privaten Parkfläche kann grundsätzlich verbotene Eigenmacht gesehen werden. Das Parken wurde von der Grundstücksbesitzerin jedoch grds. erlaubt. B hat lediglich die zulässige Zeitgrenze überschritten.
Fraglich ist, ob dies auch dann gilt, wenn die Fläche zum Parken freigegeben wurde und nur gegen einzelne Regelungen der Art und Weise des Parkens verstoßen wurde. Ist vom Berechtigten eine Höchstparkzeitdauer festgelegt, so führt auch ein Überschreiten dieser zu verbotenen Eigenmacht.
Fraglich ist, ob B sich darauf berufen kann, dass er das Fahrzeug nicht selbst auf dem Grundstück abgestellt hat. Dieser Umstand ändert an der Bewertung des vorliegenden Falls nichts. Für die verbotene Eigenmacht ist neben dem Fahrer auch der Halter verantwortlich.
Fraglich ist, ob das Eigeninteresse der Grundstückseigentümerin an der Freihaltung der Parkflächen für Kunden dem fremden Geschäft entgegensteht. Ein teilweises eigenes Interesse an der Geschäftsführung schließt das fremde Geschäft nicht aus (sog. „auch fremdes Geschäft“).
Ein fremdes Geschäft liegt demnach vor.
3. Im Interesse und dem mutmaßlichen bzw. wirklichen Willen des B
Fraglich ist, ob die Geschäftsbesorgung im Interesse und dem mutmaßlichen oder wirklichen Willen der B lag. Ein wirklicher Wille wurde nicht entäußert, die Unterstellung eines entsprechenden wirklichen Willens wäre zudem spekulativ.
Es gilt daher auf den mutmaßlichen Willen abzustellen. Dieser ist vorrangig am objektiven Interesse zu orientieren.
„Da sich der wirkliche Wille (s.o.) der Beklagten nicht feststellen lässt, kommt es entscheidend auf ihren mutmaßlichen Willen an. Das ist derjenige Wille, den der Geschäftsherr bei objektiver Beurteilung aller Umstände im Zeitpunkt der Übernahme geäußert haben würde. Mangels anderer Anhaltspunkte ist als mutmaßlicher Wille der Wille anzusehen, der dem Interesse des Geschäftsherrn entspricht“
(vgl. BGH, Urteil vom 20. April 1967 - VII ZR 326/64, BGHZ 47, 370, 374; Urteil vom 7. März 1989 - XI ZR 25/88, NJW-RR 1989, 970; siehe aus der Literatur MükoBGB/Seiler, 6. Aufl., § 683 Rn. 10; Palandt/Sprau, BGB, 75. Aufl., § 683 Rn. 5; für den Fall des Abschleppens eines Fahrzeugs a. A. Lorenz, NJW 2009, 1025, 1027, der aber die Voraussetzungen des § 679 BGB bejaht).
Eine Geschäftsbesorgung liegt im Interesse des Geschäftsherrn, wenn diese für ihn objektiv nützlich ist.
Nach ständiger Rechtsprechung des BGH wird beispielsweise die Tilgung fremder Schulden, insoweit diesen keine Einrede entgegensteht, als objektiv nützlich angesehen. (BGH, Urteil vom 20. April 1967 - VII ZR 326/64, BGHZ 47, 370, 372 ff.; Urteil vom 20. Juni 1968 - VII ZR 170/66, WM 1968, 1201)
Auch wird es als interessengerecht angesehen, wenn der Eigentümer eines Grundstücks eine Eigentumsbeeinträchtigung durch den Verantwortlichen selbst beseitigt und ihn damit von seiner Schuld aus § 1004 befreit. (vgl. BGH, Urteil vom 8. März 1990 - III ZR 81/88, BGHZ 110, 313, 314 ff.; siehe auch Senat, Urteil vom 4. Februar 2005 - V ZR 142/04, NJW 2005, 1366 ff.; Urteil vom 13. Januar 2012 - V ZR 136/11, NJW 2012, 1080, Rn. 6).
Fraglich ist, ob der objektiven Nützlichkeit generell entgegensteht, dass diese Tätigkeit Aufwendungen verursacht. Es könnte vorgetragen werden, der Abgeschleppte sei nie mit der Maßnahme einverstanden gewesen, da immerhin hierdurch nicht unerhebliche Kosten entstanden seien. Dieser Umstand ist jedoch grundsätzlich unbeachtlich. Der Aufwendungsersatz setzt naturgemäß das Entstehen und Bestehen von Aufwendungen voraus, er kann daher nicht schon daher verneint werden, weil solche entstehen.
In Anlehnung an die oben dargelegten und bereits anerkannten Fallgruppen ist davon auszugehen, dass das Abschleppen im Interesse der B lag, weil hierdurch der rechtswidrige Zustand in der rechtlich gebotenen Zeitspanne beseitigt wurde. Die B wurde durch die Geschäftsbesorgung von ihrer Pflicht aus § 861 I bzw. § 862 I befreit. Die Grundstückseigentümerinwar berechtigt von der B sofortige Beseitigung der Störung zu verlangen. Es ist zudem nicht ersichtlich, dass eine günstigere Alt. als die Umsetzung bestanden hat. Auch lässt sich dem Sachverhalt nicht entnehmen, dass eine Kontaktaufnahme mit dem Störer in kurzer Zeit und ohne größeren Aufwand möglich gewesen wäre, auch war die Grundstückseigentümerinnicht verpflichtet abzuwarten bis die Verantwortlichen das Fahrzeug von sich aus entfernen.
Die Geschäftsbesorgung lag damit im Interesse des Geschäftsherrn.
Da die Geschäftsführung im Interesse des Geschäftsherrn lag, kann vermutet werden, dass diese in Übereinstimmung mit dem mutmaßlichen Willen erfolgte.
4. Die Geschäftsführung erfolgte ferner ohne Auftrag oder sonstige Berechtigung.
5. Rechtsfolge
Gemäß § 670 sind die Aufwendungen zu erstatten. Fraglich ist, ob hierfür der mit der Grundstücksbesitzerin vereinbarte Betrag maßgeblich ist. Diese tatsächlich entstandenen Aufwendungen sind insoweit maßgeblich, als sie eine ortsübliche Vergütung für solche Maßnahmen nicht überschreiten. Dies war laut Sachverhalt der Fall. Die Abschleppkosten sind in Höhe von 219 € ersatzfähig.
Fraglich ist, ob nur ein Freistellungsanspruch gem. § 257 besteht, da die Verbindlichkeit noch nicht beglichen wurde.
„Obwohl die Grundstücksbesitzerin von der B gemäß § 257 Satz 1 BGB nur Freistellung von der Verbindlichkeit gegenüber der Klägerin verlangen könnte, ist die Beklagte zur Zahlung von 219 € verpflichtet. Wird nämlich - wie hier - ein Befreiungsanspruch an den Gläubiger der eingegangenen Verbindlichkeit (hier: an die K) abgetreten (§ 398 BGB), wandelt er sich in einen Zahlungsanspruch um.“ (Senat, Urteil vom 2. Dezember 2012 - V ZR 30/11, NJW 2012, 528 Rn. 14 mwN)
6. Ergebnis
K hat gegen die B einen Anspruch auf Ersatz der Kosten der Umsetzung in Höhe von 219 € aus §§ 677, 681 S. 1, 670, 398.