Der Entscheidung des BGH (5 StR 218/04, Urteil vom 19.08.2004 - abrufbar unter www.bundesgerichtshof.de) lag folgender Sachverhalt zugrunde: Opfer der im Sommer 2002 begangenen Tat war der damals 16jährige A, den der im selben Dorf wohnende damals 17jährigen X von früheren gemeinsamen Freizeitaktivitäten näher kannte. X und die Mitangeklagten, sein älterer Bruder, der 23jährige Y, und sein Ausbildungskollege, der 17jährige Z verachteten A. In der Nacht zum 13. Juli 2002 wurde A im späteren Verlauf eines in den Abendstunden begonnenen längeren Trinkgelages von den drei Angeklagten wiederholt gedemütigt, mißhandelt und genötigt. So wurde der Junge geschlagen; er wurde bis zum Erbrechen zum Alkoholtrinken gezwungen; er sollte sich als „Jude“ bezeichnen; der Angeklagte F urinierte auf ihn, als er am Boden lag. Bei gemeinsamer Heimfahrt mit Fahrrädern zwangen die Angeklagten ihr Opfer, sich mit ihnen auf ein abgelegenes landwirtschaftliches Gelände und dort in einen großen Schweinestall zu begeben, wo sie weiterhin abwechselnd auf den Jungen einschlugen und ihn ängstigen wollten. Zweimal zwangen sie ihn, in die Steinkante eines Schweinetrogs zu beißen. X wollte ihn damit durch Nachstellen einer brutalen Mordszene aus einem Film, der jedenfalls auch Y bekannt war, schockieren. Als der verängstigte Junge, der Aufforderung folgend, zum zweiten Mal in den Steintrog biß, entschloß sich X spontan aus einem Motivbündel von menschenverachtender Abenteuerlust und Imponierbedürfnis, die Filmszene vollends in die Realität umzusetzen. Er sprang A mit direktem Tötungsvorsatz mit beiden Füßen, an denen er Springerstiefel mit Stahlkappen trug, auf den Kopf mit der Folge tödlicher Verletzungen. Die beiden anderen Angeklagten hatten hiermit möglicherweise nicht gerechnet.
Durch den Sprung auf den Kopf hat sich X jedenfalls des Mordes aus niedrigen Beweggründen strafbar gemacht. Da Y und Z nicht nachgewiesen werden konnte, dass sie mit einer solchen Handlungen rechneten und diese im Rahmen des mittäterschaftlichen Vorgehens bei den vorangegangenen Körperverletzungen billigten, kam eine Bestrafung gem. §§ 211, 25 II StGB nicht in Betracht. Insoweit lag ein Exzess des X vor. Auch konnte nicht nachgewiesen werden, inwieweit es Ihnen faktisch möglich gewesen wäre, X zum Zeitpunkt des Springens von der Handlung abzuhalten, so dass auch eine Tötung durch Unterlassen nicht angenommen werden konnte.
Der BGH beschäftigte sich nunmehr aber mit der Frage,ob sich Y und Z nicht der mittäterschaftlich begangenen, gefährlichen Körperverletzung mit Todesfolge gem. §§ 223, 224, 227 StGB strafbar gemacht haben könnten. Das gemeinsame Schlagen des A stellt zunächst unproblematisch eine gefährliche Körperverletzung gem. §§ 223, 224 I Nr. 4 StGB dar. Die Folge gem. § 227 StGB ist ebenfalls eingetreten. Problemtatisch ist jedoch der gefahrspezifische Zusammenhang zwischen Grundelikt und schwerer Folge. Lag in dem gemeinschaftlichen Schlagen das Risiko eines Exzesses durch einen der Mittäter? Der BGH hat das unter Hinweis auf die Eskalationsgefahr bejaht und folgendes ausgeführt:
"...der spontan tödliche Angriff des Angeklagten... gegen das Opfer (erfolgte) unmittelbar im Anschluß an gemeinsame, sich steigernde, mit Demütigungen, Einschüchterungen und Nötigungen einhergehende körperliche Mißhandlungen des Opfers.... Dabei blieb die von jedem einzelnen der Mittäter auszuführende Gewalthandlung dessen spontanem Entschluß überlassen, ohne dass dies am generellen Einverständnis aller Mittäter mit der Gewaltfortsetzung etwas änderte, die vom gemeinsamen Ziel des Demütigens und Quälens des Opfers getragen war. Für einen Abschluß dieses gewalttätigen gemeinsamen Vorgehens gegen das Opfer oder eine sonstige Zäsur vor den tödlichen Tritten ist nichts ersichtlich. Durch deren – für
sich rechtsfehlerfreie – Bewertung als Exzeß hat sich das Tatgericht letztlich den Blick darauf verstellt, daß das weitere gewaltsame Vorgehen gegen das Opfer von dem gemeinsamen Tatplan der gefährlichen Körperverletzung nach wie vor getragen war. Durch die Intensivierung des als Körperverletzung gewollten Verhaltens hin zu (vorsätzlich) tödlichen Verletzungen wurde der Tod des Opfers verursacht. So massiv diese Intensivierung der Gewalt durch den Mittäter auch war, so war sie doch als weitere fortgesetzte Gewalthandlung gewollt und angesichts der emotional stark aufgeheizten Tatsituation und der vorangegangenen sich steigernden, entwürdigenden und verletzenden Behandlung des Opfers für die (beiden anderen) Angeklagten auch in ihrer tödlichen Wirkung vorhersehbar....Als Mittäter der gefährlichen Körperverletzung sind diese beiden Angeklagten danach Mittäter einer Körperverletzung mit Todesfolge gemäß § 227 StGB."
Weitere Ausführungen zu § 227 StGB finden Sie in unserem GuKO SR II sowie in unseren ExO`s. Einen Auszug aus dem Skript Strafrecht BT I finden Sie hier:http://www.juracademy.de/web/topic.php?id=12533