Im Strafrecht wird der Täter nicht wegen seiner schlechten Lebensführung bestraft, sondern weil er in einem bestimmten Moment seines Lebens eine bestimmte Handlung ausgeführt oder aber eine bestimmte, erforderliche Handlung unterlassen und dadurch einen Straftatbestand verwirklicht hat. Um diese konkrete Handlung oder dieses konkrete Unterlassen geht es dementsprechend auch in Deinem Obersatz.
Aus diesem Grund sind Obersätze falsch, die sich nur in einer Wiederholung des Gesetzestextes erschöpfen, wie z.B. "A könnte sich gem. § 242 StGB strafbar gemacht haben, indem er eine fremde bewegliche Sache wegnahm."
Richtigerweise bezeichnet der Obersatz die konkrete Handlung, mit der der Täter den Tatbestand des § 242 StGB verwirklicht haben könnte, also: "A könnte sich gem. § 242 StGB strafbar gemacht haben, indem er die Uhr des B in seine Hosentasche steckte"
Diese von Dir konkret benannte Handlung ist alsdann der zwingende Leitfaden für die nachfolgende Prüfung:
- Diese Handlung muss den objektiven Tatbestand verwirklichen.
- Bei Vornahme dieser Handlung muss der Täter vorsätzlich handeln. Was er sich vorher gedacht hat (dolus antecedens) oder was er sich nachher denkt (dolus subsequens) ist unbeachtlich. So ist dann auch die Unbeachtlichkeit des errors in persona bei Gleichwertigkeit der Objekte leicht zu verstehen: es kommt darauf an, was der Täter in der Sekunde dachte und wollte, in welcher er den Abzug der Waffe betätigt hat. In dieser Sekunde wollte er das avisierte Objekt treffen.
- Bei Vornahme dieser Handlung muss die entsprechende Absicht vorliegen, sofern sie der Tatbestand verlangt, z.B. die Zueignungsabsicht. Ändert der Täter später sein Absichten, ist dies irrelevant. Hatte er also zum Zeitpunkt der Wegnahme vor, die Uhr am nächsten Tag wieder zurück zu legen, dann fehlt es am Enteignungsvorsatz. Daran ändert sich auch dann nichts, wenn er sich 5 Minuten nach dem Einstecken der Uhr entscheidet, die Uhr doch zu behalten.
- Diese Handlung könnte evtl. gerechtfertigt sein.
- Bei Vornahme dieser Handlung könnte der Täter entschuldigt oder aber schulundfähig sein.
Manchmal zeigt Dein Obersatz bereits, welcher Auffassung Du bei einem streitigen Problem folgen wirst. So macht ein Obersatz "A könnte sich gem. §§ 212, 211 StGB strafbar gemacht haben, indem....." deutlich, dass Du mit der Literatur den Mord als Qualifikation zum Totschlag betrachtest. Sofern es in der Klausur um die Problemtik des § 28 I oder II StGB gehen sollte, achte darauf, dass Dein Obersatz dann nicht im Widerspruch zur Lösung steht, d.h. Du solltest bei diesem Obersatz dann auch zur Anwendung des § 28 II StGB kommen.
Beim Betrug gem. § 263 StGB z.B. ist es wichtig, dass Du im Obersatz bereits benennst, wem gegenüber der Betrug begangen wurde (der Verfügende), zu wessen Lasten sich der Betrug auswirkt (der Geschädigte) und wer davon profitiert (Selbst- oder Drittbereicherungsabsicht). Je genauer Du formulierst, desto genauer wird Deine nachfolgende Prüfung.
Ein sauberer Obersatz diszipliniert Dich also bei der nachfolgenden Prüfung und genau deswegen ist er so wichtig.
Ich wünsche Dir nun viel Erfolg beim Schreiben der SR KLausuren!
Sabine Tofahrn