Zunächst könnte man natürlich an einen Rechtfertigung des Besprühens einer Fassade, mit welchem auf das klimaschädliche Verhalten einer Universität aufmerksam gemacht werden soll (OLG Celle NStZ 2023, 113) über § 34 StGB denken. Der drohende Klimawandel und die damit einhergehenden drastischen Folgen für die Menschheit können sicherlich als Dauergefahr angesehen werden (so auch Jahn JuS 2023, 82). Fraglich ist aber, ob dann die Handlung, die zu einer Sachbeschädigung führt, geeignet ist. Das OLG Celle (a.a.O.) hat diese Handlung als „politisch motivierte Symboltat“ angesehen, welche nicht geeignet sein soll, den Klimawandel aufzuhalten.
Damit stellt sich die Frage, ob es den Rechtfertigungsgrund des „zivilen Ungehorsams“ gibt.
Der zivile Ungehorsam ist grundsätzlich in Art 20 Abs. 4 GG geregelt: „Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.“ Dabei hatte der Gesetzgeber einen Staatsstreich von oben oder einen Putsch von unten vor Augen (Schönke/Schröder-Sternberg/Lieben, Vor § 32, Rn. 65).
Das BVerfG hat sich bei seiner „Sitzblockade-Entscheidung“ (BVerfGE 73, 206, 252) zum Gewaltbegriff bei der Nötigung gem. § 240 StGB kurz mit einer möglichen Rechtfertigung über den zivilen Ungehorsam befasst, diese aber als nicht einschlägig verworfen. Dabei hat es jedoch Ausführungen dazu gemacht, was grundsätzlich unter einem zivilen Ungehorsam zu verstehen ist: „Unter zivilem Ungehorsam wird gemeinhin ein Verhalten verstanden, mit dem ein Bürger durch demonstrativen, zeichenhaften Protest bis hin zu aufsehenerregenden Regelverletzungen einer als verhängnisvoll oder ethisch illegitim angesehenen Entscheidung entgegentritt bzw. in einer Angelegenheit von wesentlicher allgemeiner Bedeutung, insbesondere zur Abwendung schwerer Gefahren für das Allgemeinwesen in dramatischer Weise auf den öffentlichen Meinungsbildungsprozess einwirken möchte.“
Das OLG Celle (a.a.O.) hat unter Zugrundelegung dieser Definition eine Rechtfertigung über den zivilen Ungehorsam verneint. Es führt dazu folgendes aus:
„Niemand ist berechtigt, in die Rechte anderer einzugreifen, um auf diese Weise die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit zu erregen und eigenen Auffassungen Geltung zu verschaffen … Dies ergibt sich bereits aus Art. 20 Abs. 4 GG. Denn durch die Beschränkung des Rechts zum Widerstand auf eine Situation, in der die grundgesetzliche Ordnung der Bundesrepublik im Ganzen bedroht ist, besteht im Umkehrschluss eine Friedenspflicht zu allen anderen Zeiten. Wer auf den politischen Meinungsbildungsprozess einwirken möchte, kann dies daher in Wahrnehmung seiner Grundrechte aus Art. 5 GG (Meinungsfreiheit), Art. 8 GG (Versammlungsfreiheit), Art. 17 GG (Petitionsrecht) und Art. 21 Abs. 1 GG (Freiheit der Bildung politischer Parteien), nicht aber durch die Begehung von Straftaten tun…. Würde die Rechtsordnung insoweit einen Rechtfertigungsgrund akzeptieren, der allein auf der Überzeugung des Handelnden von der Überlegenheit seiner eigenen Ansicht beruht, so liefe dies auf eine grundsätzliche Legalisierung von Straftaten zur Erreichung politischer Ziele hinaus, wodurch eine Selbstaufgabe von Demokratie und Rechtsfrieden durch die Rechtsordnung selbst verbunden wäre und die mit den Grundsätzen der freiheitlichen demokratischen Rechtsordnung schlechthin unverträglich ist.“