Bei der Wahlfeststellung ist zu unterscheiden zwischen der echten, ungleichartigen und der unechten, gleichartigen Wahlfeststellung. In einer Klausur wird Ihnen regelmäßig die echte Wahlfeststellung begegnen. Bei dieser steht weder der Sachverhalt noch die anzuwendende Norm eindeutig fest. Das Einzige, was feststeht ist, dass sich der Täter in der ein oder anderen Weise strafbar gemacht hat.
Das OLG Karlsruhe (NStZ 2023, 554) musste sich nun Gedanken machen, ob zwischen Anstiftung und Täterschaft eine Wahlfeststellung möglich ist.
Bevor Sie eine Wahlfeststellung prüfen, müssen Sie sich aber zunächst Gedanken darüber machen, ob nicht im Wege eines Stufenverhältnisses aus dem „Weniger“ bestraft werden kann. Zu unterscheiden sind das logische Stufenverhältnis von dem normativen Stufenverhältnis. Beim logischen Stufenverhältnis umfasst das eine das andere zwingend mit, wie z.B. die Vollendung zwingend den Versuch mit umfasst. Beim normativen Stufenverhältnis besteht ein Verhältnis von „Weniger-Mehr“ zwischen den Normen, wie z.B. bei Vorsatz und Fahrlässigkeit.
Da die Täterschaft als Begehung einer eigenen Tat nicht die Teilnahme an einer fremden Tat mitumfasst, kommt nur ein normatives Stufenverhältnis in Betracht.
Ein solches ist im Verhältnis Beihilfe-(Mit-) Täterschaft anerkannt. In beiden Fällen fördert der Beteiligte die Haupttat. Bei der Beihilfe ist sein Beitrag aber untergeordneter Natur, weswegen seine Strafe auch gem. § 27 Abs. 2 StGB zu mildern ist.
Der Anstifter hingegen wird wie der Täter bestraft. Das OLG Karlsruhe (a.a.O.) hat sich u.a. auch deswegen der bisherigen Rechtsprechung angeschlossen und ein Stufenverhältnis ausgeschlossen aber eine echte Wahlfeststellung bejaht. Es hat folgendes ausgeführt:
„Der Senat ist – im Einklang mit der bisher nicht ausdrücklich aufgegebenen obergerichtlichen Rspr. – der Auffassung, dass zwischen Anstiftung und Alleintäterschaft kein Stufenverhältnis, sondern ein wesensmäßiger Unterschied besteht. Weder ist die Täterschaft eine bloße Steigerung der Anstiftung noch ist die Anstiftung als Minus in der Alleintäterschaft enthalten; vielmehr schließen sich beide gegenseitig aus. Auch die Willensrichtung ist jeweils verschieden. …Die Verhaltensweisen von Täter und dem „gleich einem Täter“ zu bestrafenden Anstifter stehen in ihrem Unrechtsgehalt auf im Wesentlichen gleicher Bewertungsebene und sind auch rechtsethisch und psychologisch miteinander vergleichbar… In beiden dem Angekl. im Wege der Wahlfeststellung anzulastenden Rollen ging es ihm darum, sich selbst einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen.“
Hinweis
Interessanterweise geht aber die Rechtsprechung davon aus, dass der Vorsatz des mittelbaren Täters jenen des Anstifters mitumfassen soll. Liegt also objektiv eine Anstiftung vor, geht der Täter aber subjektiv davon aus, mittelbarer Täter zu sein, dann wird er wegen Anstiftung bestraft.
Wir haben uns mit diesem Thema u.a. in unserem Webinar zur Teilnahme befasst. Vielleicht schauen Sie sich die Aufzeichnung bei Gelegenheit einmal an: https://www.juracademy.de/webinar/3003_anstiftung-und-beihilfe