Schauen wir uns die einzelnen Varianten einmal näher an.
Variante 1: Der Täter ist an Corona erkrankt und weiß es auch
Auswirkung 1: Das Opfer erkrankt nachfolgend ebenfalls an Corona. Die tatsächliche Schwierigkeit dürfte hier im Nachweis der Kausalität bestehen, da es denkbar ist, dass das Opfer sich bei anderen Vorgängen, wie z.B. beim Einkaufen infiziert haben könnte. Gelingt der Nachweis nicht oder nicht vollständig, dann muss jedenfalls nach dem Grundsatz „in dubio pro reo“ die Kausalität verneint werden. Es könnte dann nur eine Strafbarkeit wegen versuchter Körperverletzung gem. den §§ 223, 22, 23 StGB in Betracht.
Auswirkung 2: Das Opfer erkrankt nicht. Hier könnte ebenso wie bei der vorangegangenen Variante nur versuchte Körperverletzung gem. den §§ 223, 22, 23 StGB in Betracht kommen. In beiden Fällen läge die Schwierigkeit darin, dem Täter zumindest dolus eventualis bzgl. einer Infizierung des Opfers durch das Anhusten nachzuweisen.
Evtl. kommt es aber darauf auch gar nicht an. Es könnte ja ausreichen, dass das Anhusten beim Opfer Ekel auslöst. Sofern dieser Ekel schon eine vollendete Körperverletzung darstellt, käme auf eine Infizierung mit dem Virus nicht mehr an. Und damit sind wir bei
Variante 2: Der Täter ist nicht erkrankt
Hier kommt eine Infizierung des Opfers mit dem Virus nicht in Betracht. Eine Körperverletzung könnte nur mit dem Ekelgefühl beim Opfer begründet werden. Als Variante könnte man an die körperliche Misshandlung denken. Eine körperliche Misshandlung ist jede üble, unangemessene Behandlung, die das körperliche Wohlbefinden nicht nur unerheblich beeinträchtigt (BGH NStZ 2016, 27).
Fraglich ist, ob psychische Beeinträchtigungen wie Ekelgefühle dafür ausreichen. In einem Fall, in welchem der Täter das Opfer angespuckt hatte, hat der BGH (BGH NStZ 2016, 27) folgendes entschieden:
„Seelische Beeinträchtigungen als solche genügen nicht; nötig sind vielmehr körperliche Auswirkungen … Danach erfüllt vorliegend zwar nicht die bloße Erregung von Ekelgefühlen …, jedoch das Hervorrufen von Brechreiz das Tatbestandsmerkmal.“
Solange die psychischen Beeinträchtigungen also keine körperlichen Folgen nach sich ziehen, ist der obj. Tatbestand des § 223 nach Auffassung des BGH (ebenso zuvor OLG Zweibrücken NJW 1991, 240) nicht verwirklicht.
Anders haben das das LG Bonn (BeckRS 2012, 3545) und das AG Erfurt (NStZ 2014, 160) entschieden. In beiden Fällen ging es darum, dass der Täter das Opfer mit zuvor bereits inhaliertem und damit mit Atemluft und Speichelnebel vermengtem Zigarettenrauch „angeraucht“ hat. Begründet wurde dies wie folgt:
„Das Anblasen mit Zigarettenrauch und Spukeanteilen gegen das Gesicht ist über die Grenze hinzunehmender Bagatellen hinaus geeignet, das körperliche Wohlbefinden und die Gesundheit zu beeinträchtigen. Die Gesundheitsbeeinträchtigung resultiert dabei sowohl aus den karzinogenen Anteilen des Zigarettenrauches als auch aus den potentiellen Viren und Bakterien in der Körperflüssigkeit „Spuke“.“ (AG Erfurt, NStZ 2014, 160 – ablehnend Jahn, JuS 2014, 176).
Die Körperverletzung wurde also mit möglichen Folgen begründet. Dabei wurde weniger auf die körperliche Misshandlung, sondern vielmehr auf die 2. Alt. der Gesundheitsbeschädigung abgestellt. Eine solche liegt vor, wenn ein pathologischer Zustand hervorgerufen oder gesteigert wird. Einen solchen pathologischen Zustand mit möglichen Viren oder Passivrauchen zu begründen, scheint allerdings fernliegend auch in den Fällen, in denen der Täter tatsächlich an Corona erkrankt ist, weil nicht in jedem Spuke Tröpfchen ein Virus enthalten sein muss.
Variante 3: Der Täter ist erkrankt, weiß es aber nicht
Hier könnte allenfalls eine fahrlässige Körperverletzung gem. § 229 StGB in Betracht kommen, sofern das Opfer nachfolgend erkrankt, allerdings mit der obergerichtlichen Rechtsprechung auch wiederum nur unter der Voraussetzung, dass der Nachweis der Kausalität gelingt.
Expertentipp
Natürlich kommt in den Fällen des vorsätzlichen Anhustens, Anrauchens oder Anspuckens immer eine Strafbarkeit gem. § 185 StGB in Betracht, da der Täter durch sein Verhalten zumeist eine Missbilligung und Herabwürdigung seines Opfers ausdrücken möchte.