Die jeweilige Rechtsfolge kann durch ein rechtsgeschäftliches Schuldverhältnis begründet werden oder aus einem gesetzlichen Schuldverhältnis folgen. Die rechtsgeschäftlichen Schuldverhältnisse werden in aller Regel durch einen Vertrag begründet. Ein einseitiges Rechtsgeschäft ist grundsätzlich nicht ausreichend, eine Ausnahme stellt insoweit § 657 BGB (Auslobung) dar. Kennzeichnend für ein vertragliches Schuldverhältnis ist damit, dass das Schuldverhältnis aufgrund einer willentlichen Entscheidung der Parteien begründet wird.
Das ist gerade der maßgebliche Unterschied zu den gesetzlichen Schuldverhältnissen. Fährst du mit deinem Kraftfahrzeug eine Person an und verletzt diese, verwirklichst du den gesetzlichen Tatbestand aus § 7 StVG, welcher eine bestimmte Rechtsfolge (Schadensersatz) vorsieht. Das Schuldverhältnis ist hier von deinem Willen völlig unabhängig.
Hinweis
Neben den typischen gesetzlichen Schuldverhältnissen gibt es noch das vorvertragliche Schuldverhältnis und die Sachwalterhaftung aus § 311 Abs. 2 und 3 BGB. Hierbei handelt es sich grds. auch um „gesetzliche“ Schuldverhältnisse welche Rücksichtnahmepflichten nach § 241 Abs. 2 BGB begründen. Sie haben jedoch eine gewisse Nähe zu vertraglichen Schuldverhältnissen. Im Fall von § 311 Abs. 2 erfolgt eine zeitliche Ausweitung der vertraglichen Pflichten auf den vorvertraglichen Bereich und im Rahmen der Sachwalterhaftung auf nicht am Vertrag beteiligte Personen. Hier werden einzelne vertragliche Pflichten durch gesetzliche Anordnung ausgeweitet.
Warum ist es so wichtig sich bewusst zu machen, wann ein (gesetzliches) Schuldverhältnis vorliegt?
Das liegt u.a. daran, dass bei Vorliegen eines Schuldverhältnisses – ob nun vertraglich oder gesetzlich – die §§ 280 ff. BGB grds. Anwendung finden. Wer das in einer Klausur nicht erkennt, kann im schlimmsten Fall die wesentlichen Anspruchsgrundlagen verkennen. In einer Examensklausur fielen ca. 90 % der Bearbeiter nur deswegen durch, weil sie nicht erkannten, dass das EBV ein gesetzliches Schuldverhältnis darstellt. Die klausurrelevanten Anspruchsgrundlagen folgten gerade nicht aus unmittelbaren Anspruchsgrundlagen des EBV sondern fast ausschließlich aus den §§ 280 ff. BGB. Wer dies nicht erkannte, schrieb an der Klausur vorbei. In diesen Zusammenhang gehört auch die in der mündlichen Prüfung gerne gestellte Frage, ob § 278 BGB im Deliktsrecht Anwendung findet. Selbstverständlich findet § 278 BGB auch bei den unerlaubten Handlungen Anwendung. Allerdings erst dann, wenn eine Sonderverbindung bestand, d.h. zumindest ab dem Moment, in dem der gesetzliche Tatbestand erfüllt wurde. Bei der Anwendung der §§ 280 ff. auf gesetzliche Schuldverhältnisse ist jedoch stets zu hinterfragen, ob die Anwendung mit dem Wesen des gesetzlichen Schuldverhältnisses vereinbar ist. Dies hat der BGH für § 1004 BGB verneint (BGH NJW 2023, 783).
Wichtige gesetzliche Schuldverhältnisse stellen insbesondere die Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677 ff. BGB), die unerlaubten Handlungen (§§ 823 ff. BGB), die Gefährdungshaftung (insb. § 833 BGB, § 7 StVG) und das Bereicherungsrecht (§§ 812 ff. BGB) dar. Hierbei handelt es sich um Vorschriften mit extrem hoher Examensrelevanz.
Das bedeutet jedoch nicht, dass es nur diese gesetzlichen Schuldverhältnisse gibt!! Insbesondere existieren im Sachenrecht weitere sehr wichtige gesetzliche Schuldverhältnisse, welche wir im Skript zum Sachenrecht behandelt haben. Dazu zählt insbesondere das in den §§ 987 – 1003 BGB geregelte Eigentümer-Besitzer-Verhältnis.
Vertiefung
Weitere gesetzliche Schuldverhältnisse
Weitere wichtige gesetzliche Schuldverhältnisse stellen unter anderem § 906 Abs. 2 Satz 2 analog, § 904, §§ 965 ff. BGB dar. Auch die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer stellt ein gesetzliches Schuldverhältnis mit Pflichten zur gegenseitigen Rücksichtnahme dar (BGH NJW 2005, 894). Auch im Familien- und Erbrecht oder im Zwangsvollstreckungsrecht werden gesetzliche Schuldverhältnisse begründet, diese behandeln wir gesondert in den jeweiligen Skripten.
Hinweis
Wie du aus anderem Zusammenhang sicher schon weißt, stellt das sog. nachbarliche Gemeinschaftsverhältnis zwischen Nachbarn kein Schuldverhältnis im Sinne der §§ 280 ff. BGB dar.