Beispiel
A und B verabreden sich, in das Warenlager des C einzusteigen und alle elektronischen Geräte, die sie dort finden und tragen können, mitzunehmen. A hat die Tat geplant und auch in Erfahrung gebracht, wie die Alarmanlage ausgeschaltet werden kann. Die Informationen hat er mit B geteilt. Am Tag vor der Tat will er die Tat allerdings nicht mehr ausführen. Er nimmt B das Versprechen ab, alles zu vergessen, was er je gehört hat und die tat auch nicht alleine auszuführen. B sagt ihm dies zu, steigt aber dann gleichwohl am nächsten Tag in das Warenlager ein und stiehlt 10 Laptops. Fraglich ist, wie A sich nun strafbar gemacht hat.
Nun mutet das Ergebnis, einen solchen Täter wegen eines mittäterschaftlich begangenen Delikts zu bestrafen, seltsam an, hat doch der Täter zum Zeitpunkt des Eintritts der Tat in das Versuchsstadium keinen Vorsatz mehr. Da grundsätzlich aber Koinzidenz zwischen Handlung und Vorsatz bestehen muss, müsste eigentlich eine täterschaftliche Bestrafung ausgeschlossen sein.
Zum besseren Verständnis schauen wir uns von daher zunächst einmal die Situation bei der Anstiftung und der Beihilfe an. Die Anstiftung erfolgt zwangsnotwendig vor der Ausführung der Tat, die Beihilfe kann, z.B. durch das Besorgen des Schlüssels, der Zugang zum Objekt gewährt, ebenfalls vorher erfolgen. Sofern die Teilnehmer ihre Tatbeiträge erbracht haben, was sie zu diesem Zeitpunkt auch vorsätzlich taten, tragen sie das Vollendungsrisiko. Dabei ist es dann grundsätzlich unbeachtlich, ob sie die Tat zum Zeitpunkt der Vollendung noch wollen. Ein Rücktritt nach § 24 Abs. 2 ist auch in diesen Fällen nur möglich, indem der Tatbeitrag neutralisiert oder aber die Ausführung auf andere Weise verhindert wird (Anzeige bei der Polizei).
Dieses Risiko überträgt nun der BGH auch auf die Mittäterschaft und bestraft aus vollendetem oder aber, sofern das Delikt aus anderen Gründen im Versuchsstadium stecken geblieben ist, aus versuchtem Delikt (BGHSt 28, 346; BGH NStZ 1999, 449). Eine Einschränkung macht er aber, wenn durch die Lossagung von der Tat ein notwendiges Tatbestandsmerkmal wie z.B. die Zueignungsabsicht entfällt. (BGH NStZ 1999, 449).
In der Literatur wird dieses Ergebnis zum großen Teil abgelehnt, indem auf die strukturellen Unterscheide zwischen Teilnahme und Mittäterschaft hingewiesen wird. Wesentlich für die Mittäterschaft sei nämlich der gemeinsame Tatplan (und damit auch der Vorsatz und das Koinzidenzprinzip), der zum Zeitpunkt der Tatausführung vorliegen müsse. Werde dieses Fundament nun beseitigt, indem sich ein Mittäter von der Tat lossagt, dann handelten die anderen Tatbeteiligten, so die Literatur, nicht mehr in Ausführung des gemeinsamen Tatentschlusse (Rengier JuS 2010, 281; Baumann/Weber/Mitsch, Strafrecht AT § 27 Rn. 40; Eisele ZStW 2000, 745). Teilweise wird dabei aber einschränkend verlangt, dass die Lossagung den anderen Beteiligten kommuniziert werde (Rengier JuS 2010, 281).
In obigem Beispiel kämen die Auffassungen damit beide zu dem Ergebnis, dass sich A nicht wegen mittäterschaftlich begangenem Diebstahl strafbar gemacht hat. Der BGH hielte zwar eine Strafbarkeit trotz Lossagung grundsätzlich für möglich. Da A aber zum Zeitpunkt der Tat die Zueignungsabsicht fehlte, würde die Strafbarkeit an diesem Tatbestandsmerkmal scheitern. Nach Auffassung der Literatur läge schon kein gemeinsamer Tatplan mehr vor, so dass aus diesem Grund eine täterschaftliche Bestrafung nicht in Betracht käme.
Nach beiden Auffassungen muss aber eine Beihilfe angenommen werden. Das Hilfeleisten läge im Besorgen der Schlüssel. Zu diesem Zeitpunkt handelte A auch im Hinblick auf die später begangene Tat vorsätzlich.
Expertentipp
Zu diskutieren ist dieser Streit beim gemeinsamen Tatplan. Sie würden in einer Klausur zunächst mit der Strafbarkeit des B beginnen und für diesen § 242 StGB (ggfs. in einem besonders schweren Fall gem. § 243 StGB) bejahen. Dann würden Sie mit A weiter machen und prüfen, ob sich dieser wegen mittäterschaftlich begangenen Diebstahls gem. den §§ 242, 25 II StGB strafbar gemacht haben könnte. Bei der Zurechnung der Wegnahmehandlung des B über § 25 II StGB würden Sie dann fragen, ob zur Tatbegehung noch ein gemeinsamer Tatplan vorlag.
Hinweis
Schauen Sie sich hierzu auch das Lernvideo in der JURACADEMY an, zu finden beim Rücktritt des Mittäters im ExO und im Grundkurs Strafrecht AT II.
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