Rechtsfähigkeit meint die Fähigkeit, als Rechtssubjekt Träger von subjektiven Rechten und Pflichten zu sein (Lorenz JuS 2010, 11).
Die Rechtsfähigkeit ist ferner bedeutsam für das Prozessrecht. Gem. § 50 Abs. 1 ZPO ist parteifähig wer rechtsfähig ist.
Hinweis
Daher gilt: Gibt der Bearbeitervermerk vor, dass der Anspruchsteller eine zulässige Klage erhoben hat, ist die Rechtsfähigkeit nicht zu prüfen, da er bereits parteifähig sein muss.
In der Klausur können dir natürliche und juristische Personen begegnen, ebenso auch Personenverbände. Nach § 1 BGB beginnt die Rechtsfähigkeit von natürlichen Personen mit der Vollendung der Geburt. Die Rechtsfähigkeit ist damit unabhängig von der Staatsangehörigkeit, des Geschlechts oder der Herkunft.
Hinweis
Von der Rechtsfähigkeit zu unterscheiden sind insbesondere die Geschäftsfähigkeit, die Deliktsfähigkeit und sowie die im Zivilprozessrecht relevanten Begriffe der Parteifähigkeit, Prozessfähigkeit, Prozessführungsbefugnis sowie die Postulationsfähigkeit
Vertiefung
Schutz im Strafrecht
Vertiefungshinweis: Strafrechtlichen Schutz nach den §§ 211 ff. StGB genießt der Mensch demgegenüber bereits vor der Vollendung der Geburt, nämlich ab dem Zeitpunkt des Beginns der Eröffnungswehen bzw. mit der Eröffnung des Uterus zum Zweck der Beendigung der Schwangerschaft im Falle eines Kaiserschnittes (BGH, Beschluss vom 11.11.2020 – 5 StR 256/20).
Die Rechtsfähigkeit endet mit dem Tod, was aus § 1922 Abs. 1 BGB abgeleitet wird. Tot ist der Mensch in diesem Sinne nicht bereits mit dem Ende der Herztätigkeit, sondern erst bei einem endgültigen Ausfall der gesamten Hirnfunktion (sog. Hirntod). In der Klausur sollte die Rechtsfähigkeit natürlicher Personen nicht ohne Anlass gesondert thematisiert werden.
Hat man es in der Klausur mit dem nasciturus – also dem schon gezeugten, aber noch nicht geborenen Menschen – bzw. dem nondum conceptus – also dem noch nicht einmal gezeugten Menschen – zu tun, muss man differenzieren. Nach dem oben Gesagten ist Rechtsfähigkeit zu verneinen, die Geburt ist gerade nicht vollendet. Das bedeutet jedoch nicht, dass der später tatsächlich geborene Mensch in diesem Stadium schutzlos bzw. rechtlos dasteht.
In wenigen Vorschriften – insb. des Erbrechts – existieren teilweise Sondervorschriften (lies hierzu die §§ 1923 Abs. 2, 2101 BGB aber auch § 844 Abs. 2 S. 2 BGB und § 247 FamFG) die diese Konstellationen ausdrücklich behandeln.
Außerhalb erbrechtlicher Fragestellungen ist insb. der deliktsrechtliche Schutz examensrelevant. Anerkannt ist, dass sowohl der nasciturus als auch der nondum conceptus vom Schutzbereich des § 823 BGB umfasst sind. Dies gilt jedoch nur dann, wenn das Kind später mit dem verursachten „Schaden“ geboren wird. Auch kann der nasciturus als „Dritter“ im Sinne des § 328 BGB angesehen werden und somit Ansprüche im Wege des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter erlangen. Diese Thematik kann dir im Examen im Rahmen vertraglicher Ansprüche (insb. Haftung des Arztes) begegnen und im deliktischen Bereich (§ 823 Abs. 1 BGB). Die wichtigen Einzelfragen zu den damit zusammenhängenden – teilweise sehr streitigen und vielschichtigen – Problemstellungen behandeln wir im Kurs Schuldrecht BT III.
Vertiefung
Postmortales Persönlichkeitsrecht
Wir hatten zwar gesagt, dass die Rechtsfähigkeit mit dem Tod endet (vgl. § 1922 Abs. 1 BGB), jedoch vermittelt das postmortale Persönlichkeitsrecht eine Teilrechtsfähigkeit des Verstorbenen auf Achtung seiner Ehre und Intimsphäre. Insoweit wirkt die Rechtsfähigkeit nach dem Tod in engen Grenzen fort. Freilich muss dieses Recht durch seine Angehörigen geltend gemacht werden.