Roberta Metsola ist eine maltesische Politikerin der konservativen Partit Nazzjonalista. Für diese rückte sie im April 2013 in das Parlament nach und wurde bei den Europawahlen 2014 und 2019 in das Europäische Parlament gewählt. Im November 2020 wurde Metsola erste Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments, als erste Abgeordnete aus Malta, dem kleinsten Mitgliedsland, die zur Vizepräsidentin gewählt wurde. Im Dezember 2021 nominierte die Fraktion der Europäischen Volkspartei (EVP) sie zur Kandidatin für das Amt der Präsidentschaft. Gemäß einer Absprache zwischen der EVP und der Fraktion der Progressiven Allianz der Sozialdemokraten im Europäischen Parlament sollte nach zweieinhalb Jahren ein Wechsel zwischen den beiden größten Fraktionen stattfinden und das Amt für den Rest der Legislaturperiode an einen konservativen Politiker übergeben werden. Die Sozialdemokraten durften den Posten zunächst besetzen und akzeptierten dafür die Wahl der CDU-Politikerin Ursula von der Leyen sowie des Liberalen Charles Michel an die Spitzen von EU-Kommission und Europäischem Rat. Am 11. Januar 2022 übernahm Metsola das Amt des EU-Parlamentspräsidenten als dessen erste Vizepräsidentin geschäftsführend nach dem Tod des amtierende Präsidenten David Sassoli aus Italien bis zur regulär angesetzten Wahl in der zweiten Januarhälfte.
Das Amt beinhaltet weitreichende exekutive und repräsentative Befugnisse und ist dafür zuständig, die Einhaltung der Geschäftsordnung sicherzustellen. Die Aufgaben sind in Artikel 22 der Geschäftsordnung aufgeführt, dort heißt es: „Der Präsident leitet im Einklang mit dieser Geschäftsordnung sämtliche Arbeiten des Parlaments und seiner Organe und besitzt alle Befugnisse, um bei den Beratungen des Parlaments den Vorsitz zu führen und deren ordnungsgemäßen Ablauf zu gewährleisten“. Die Wahl findet nach Artikel 14 des EU-Vertrages statt, danach wählt das Parlament „aus seiner Mitte seinen Präsidenten und sein Präsidium“. Seit der ersten allgemeinen Wahl zum Europäischen Parlament im Jahr 1979 wird der Präsident für eine verlängerbare Amtszeit von zweieinhalb Jahren gewählt. Das bedeutet, dass es in jeder Legislaturperiode normalerweise zwei Präsidenten gibt. Seit der Gründung des Parlaments im Jahr 1952 hat es insgesamt 31 Präsidenten gegeben, 17 seit 1979.
Metsola ist erst die dritte Frau an der Spitze des EU-Parlaments nach Simone Veil und Nicole Fontaine. Die Abgeordneten des Europaparlaments wählten die 43-Jährige an ihrem Geburtstag als jüngste Person und erste aus Malta in eines der höchsten Ämter der EU. Sie erhielt 458 der 616 abgegebenen Stimmen. Das entsprach fast zwei Dritteln der insgesamt 705 Abgeordneten und nahezu drei Vierteln der 616 gültigen Stimmen und war deutlich mehr als die 423 Abgeordneten von Christ- und Sozialdemokraten und Liberalen - also jenen Fraktionen, die sich vorher auf ihre Unterstützung geeinigt hatten. Am Morgen zog Kosma Zlotowski (EKR) seine Kandidatur zurück, wodurch sich die Zahl der Kandidaten von vier auf drei verringerte. Metsola wurde auch von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron unterstützt, der die Ratspräsidentschaft innehat. Ihre Wahl galt somit als sicher.
Der große Erfolg schon im ersten Wahlgang überraschte jedoch: Die von den Grünen und Linken aufgestellten Kandidatinnen waren bei der Abstimmung weit abgeschlagen: Die Schwedin Alice Bah Kuhnke (Grüne) blieb mit 101 Stimmen ebenso chancenlos wie Sira Rego (Linke) mit 57. Metsola`s Ablehnung des Rechts auf Schwangerschaftsabbrüche (ihr stark katholisch geprägtes Heimatland Malta hat hier äußert rigide Regelungen - Scheidungen sind erst seit 2011 erlaubt und Abtreibungen weiter verboten) macht sie hoch suspekt für viele Abgeordnete. Im Europaparlament hat sie mehrfach gegen Resolutionen und Berichte gestimmt, in denen es um den sicheren Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen ging und machte mehrfach deutlich, Malta werde in dieser Frage keine Einmischung der EU dulden. Diese kulturelle und politische Prägung, so hieß es aus der EVP vor Metsolas Wahl, gelte es zu respektieren. „Natürlich haben wir eine andere Haltung als Frau Metsola, und natürlich ist das ein starker Kritikpunkt“, sagte hierzu der Grünenabgeordnete Rasmus Andresen und fügte hinzu: „Eine Präsidentin des Europäischen Parlaments soll auch die klare Mehrheit des Europäischen Parlaments zu diesem Thema vertreten.“ Bei ihren Treffen mit den anderen Fraktionen sprach Metsola das Thema von sich aus an und erklärte, nach ihrer Wahl die Position des Europaparlaments unabhängig von ihrer persönlichen Überzeugung zu vertreten.
Zugute kam ihr, dass sie beim Thema Migration stets moderate Positionen vertreten und sich auch in anderen Bereichen fraktionsübergreifend Respekt erarbeitet hat. Das Parlament, so Metsola in ihrer als „kämpferisch“ gewerteten Antrittsrede, werde „niemals akzeptieren“, dass Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Redefreiheit oder die Rechte von Frauen und sexuellen Minderheiten eingeschränkt werden. Im Kampf gegen den Klimawandel müsse die EU „die Führung übernehmen und sich neu erfinden“. Es sei aber unmöglich, die Wirtschaft vom Klima zu trennen.
In ihren Bewerbungsreden hatte Metsola bereits angekündigt, das Europaparlament in seiner Rolle stärken und in der Öffentlichkeit präsenter machen zu wollen. Gegenüber den 27 Mitgliedstaaten will sie selbstbewusst die Positionen der Abgeordneten und des E-Parlaments vertreten. Das Verhältnis zum Rat und auch der Kommission ist angespannt. Es sei zu wenig, so Metsola, wenn bei EU-Gipfeln die Parlamentspräsidentin lediglich eine Rede halten dürfe und dann den Raum verlassen müsse. Auch der Perzeption der Entfremdung von der Wählerschaft möchte sie entgegenwirken: „Ich will, dass wir die Blasen von Brüssel und Straßburg sprengen und für die Menschen erreichbar sind“. Abgeordneten soll mehr Zeit zugestanden werden, in ihren Wahlkreisen mit den Bürgerinnen und Bürgern ins Gespräch zu kommen: „Ich möchte, dass die Menschen den Glauben und die Begeisterung für unser Projekt wiederfinden. […] Liebe Europäerinnen und Europäer, in den nächsten Jahren werden die Menschen in ganz Europa von unserer Institution Führung und Orientierung erwarten, während andere weiterhin unsere demokratischen Werte und europäischen Grundsätze herausfordern werden. Wir müssen uns gegen das Anti-EU-Narrativ wehren, das sich so leicht und so schnell durchsetzt. Desinformationen und Fehlinformationen, die durch die Pandemie noch gesteigert werden, verstärken leichtfertigen Zynismus und den Glauben an einfache Antworten wie Nationalismus, Autoritarismus, Protektionismus und Isolationismus“.