Sachverhalt
K und M schlossen im Jahr 2014 einen vermeintlich befristeten Vertrag über 10 Jahre. Diesen Vertrag hat M wirksam zum 31.03.2016 gekündigt und ist ausgezogen. K ging unzutreffend von der Wirksamkeit der Befristung aus.
Ende 2018 forderte K den M sodann zur Zahlung des rückständigen Mietzinses (April 2016 bis Dezember 2018) auf und setzte M eine Zahlungsfrist von 14 Tagen. Als M nach Fristablauf nicht zahlte, lies K ein anwaltliches Schreiben erstellen und drohte mit Klageerhebung im Fall der Nichtzahlung. M, der von diesen Vorgängen gar nicht begeistert war, erhob Klage auf Feststellung des Nichtbestehens der behaupteten Forderung.
Der Prozessbevollmächtigte R des K ist der Ansicht, dass eine solche Klage von vornherein unzulässig sei. M habe schon kein Feststellungsinteresse. Die Feststellungsklage sei ggü. einer Leistungsklage stets subsidiär. Auch würde eine solche Klage nicht zur endgültigen Klärung des Sachverhalts führen, da M bis zum Ende der Vertragslaufzeit zur Mietzahlung verpflichtet sei und somit auch künftig weitere Forderungen entstünden. R erhob aus Anlass der Klageerhebung durch M wirksam eine zulässige Widerklage auf Zahlung des in Streit stehenden Betrags.
Da M sich von diesen ganzen Ausführungen überfordert fühlte, bat er seinen – kurz vor dem juristischen Staatsexamen stehenden – Sohn S zu ermitteln wie er nun vorgehen sollte.
1. Besteht ein Feststellungsinteresse für die Feststellungsklage?
2. Wie sollte M im Prozess reagieren?
Lösung
A. Feststellungsinteresse
Fraglich ist, ob ein Feststellungsinteresse für eine negative Feststellungsklage bestehen kann. Die Feststellungsklage ist ggü. der Leistungsklage subsidiär. Dies folgt daraus, dass eine Feststellungsklage nicht vollstreckungsfähig ist. Zum Zeitpunkt der Klageerhebung durch M lag keine Leistungsklage bzgl. desselben Streitgegenstands vor.
I. Feststellungsinteresse
Gem. § 256 I ZPO kann auch das Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses festgestellt werden. Hierfür ist ein rechtliches Interesse des Klägers an einer alsbaldigen richterlichen Entscheidung erforderlich. Ein schutzwürdiges rechtliches Interesse an einer alsbaldigen Feststellung ist zu bejahen, wenn einem subjektiven Recht des Klägers eine gegenwärtige Gefahr oder Ungewissheit droht und das erstrebte Urteil geeignet ist diese Gefahr zu beseitigen (BGH NJW – RR 2021, 1508). Ein solches Feststellungsinteresse ist jedenfalls dann zu bejahen, wenn sich der Beklagte eines Anspruchs gegen den Kläger berühmt.
Gemessen an diesen Ausführungen besteht das Feststellungsinteresse, da sich K berühmt Forderungen gegen M zu haben.
II. Keine abschließende Klärung
Fraglich ist, ob sich ein anderes Ergebnis daraus ergibt, da die in Streit stehenden Forderungen nur eine Momentaufnahme darstellen und nicht zu einer Beendigung des gesamten Streits führen. Die Tatsache, dass im Fall des Fortbestehens eines wirksamen Mietvertrags auch nach dem Dezember 2018 weitere Forderungen entstehen würden, kann nicht dazu führen, dass die Feststellungsklage unzulässig wird. Nur weil in Zukunft weitere Forderungen entstehen können, hindert das nicht die Feststellung, ob bereits Forderungen entstanden sind. Ansonsten müsste der Kläger bis zum behaupteten Ablauf des Mietvertrags abwarten, um erst dann eine Klärung herbeizuführen. Auch im umgekehrten Fall der Leistungsklage ist anerkannt, dass sich diese auf nur bestimmte Forderungen beschränken kann. Dies kann nicht zuletzt aus Kostengründen sinnvoll sein.
III. Wirkung der Widerklage des K
Fraglich ist, wie sich die Widerklage des K auf das Feststellungsinteresse der negativen Feststellungsklage auswirkt. Aufgrund der eingangs aufgezeigten Subsidiarität der Festellungs- ggü. der Leistungsklage verlor die Feststellungsklage mit wirksamer Erhebung der Leistungsklage ihr Feststellungsinteresse und wurde unzulässig.
IV. Ergebnis
Die negative Feststellungsklage des M ist unzulässig.
B. Wie sollte M reagieren?
Würde M die Klage im derzeitigen Zustand belassen, würde er unterliegen und müsste gem. § 91 I ZPO die Kosten des Rechtstreits tragen.
Hier hilft die sog. einseitige Erledigungserklärung. Dieses prozessuale Instrument wird immer dann eingesetzt, wenn sich die Klage im Laufe des Prozesses durch Erfüllung (§ 362 BGB) oder auf andere Weise erledigt, der Kläger die Erledigung erklärt, aber der Beklagte sich dieser Erklärung nicht anschließt.
Kennzeichen der einseitigen Erledigung ist, dass der Kläger keine gerichtliche Entscheidung mehr über seine ursprüngliche Klage begehrt, weil sich das Ganze aus seiner Sicht erledigt hat (und das will er festgestellt wissen).
Die einseitige Erledigungserklärung ist gesetzlich nicht geregelt.
Die h.M. behandelt die einseitige Erledigungserklärung als eine nach § 264 Nr. 2 ZPO privilegierte Klageänderung. Sie bedarf keiner Einwilligung des Beklagten und muss auch nicht sachdienlich sein. Der Kläger ändert den ursprünglichen Antrag in einen Feststellungsantrag („Es wird festgestellt, dass die ursprüngliche Klage zulässig und begründet war und aufgrund eines zwischenzeitlich eingetretenen Ereignisses nicht mehr zulässig oder begründet ist“).
Wie im ersten Teil des Gutachtens bereits festgestellt, bestanden infolge der wirksamen Kündigung keine Ansprüche des K gegen M ab April 2016. Die Kostenlast würde im Fall einer entsprechenden Umstellung der Klage gem. § 91 I ZPO den K treffen.
Entsprechend sollte M die Klage in eine Feststellungsklage durch einseitige Erledigungserklärung umstellen.