Nun ist es aber denkbar, dass man mehrere natürliche Handlungen zu einer juristischen Handlung zusammenfasst, mit der Folge, dass man anstelle von Tatmehrheit gem. § 53 StGB nunmehr Tateinheit gem. § 52 StGB annimmt.
Zu einer solchen juristischen Handlung kann man im Wege der natürlichen Handlungseinheit kommen. Dies setzt nach Auffassung des BGH voraus, dass das Handeln des Täters räumlich und zeitlich derart eng miteinander verbunden ist, dass es bei natürlicher Betrachtungsweise als einheitliches Tun erscheint. Zudem muss es von einem einheitlichen Willen getragen sein, es darf also keine Zäsur vorliegen.
Schlägt aber nun ein Täter zunächst ein Opfer nieder und dann 15 Minuten später ein weiteres, dann muss Tatmehrheit angenommen werden, auch wenn ein örtlicher und zeitlicher Zusammenhang besteht, da es sich um höchstpersönliche Rechtsgüter verschiedener Rechtsgutsträger handelt. Der BGH (Beschl. v. 10.2.2016 − 2 StR 391/15 ) führt dazu folgendes aus: "Greift daher der Täter einzelne Menschen – wie hier – nacheinander an, um jeden von ihnen in seiner Individualität zu beeinträchtigen, so besteht sowohl bei natürlicher als auch bei rechtsethisch wertender Betrachtungsweise selbst bei einheitlichem Tatentschluss und engem räumlichen und zeitlichen Zusammenhang regelmäßig kein Anlass, diese Vorgänge rechtlich als eine Tat zusammenzufassen (vgl. nur BGH Beschl. v. 22.10.2015 – 4 StR 262/15; Urt. v. 11.10.2005 – 1 StR 195/05, NStZ 2006, 284, 286 mwN). Etwas anderes kann ausnahmsweise dann gelten, wenn eine Aufspaltung in Einzeltaten wegen eines außergewöhnlich engen zeitlichen und situativen Zusammenhangs, etwa bei Messerstichen innerhalb weniger Sekunden oder bei einem gegen eine aus der Sicht des Täters nicht individualisierte Personenmehrheit gerichteten Angriff, willkürlich und gekünstelt erschiene (BGH Urt. v. 11.10.2005 aaO, vgl. auch BGH Beschl. v. 24.10.2000 – 5 StR 323/00, NStZ-RR 2001, 82)."
Verletzt der Täter hingegen ein und dasselbe Opfer hintereinander mehrfach (Messerstiche auf ein Opfer), dann liegt schon eine tatbestandliche Handlungseinheit vor und damit schon nur eine Verwirklichung des Tatbestandes § 223 StGB. Im Obersatz einer Klausur würden Sie schreiben: "Der Täter könnte sich gem. §§ 223, 224 I Nr. 2 und 5 StGB strafbar gemacht haben, indem er mehrfach hintereinander auf das Opfer O einstach."