A Einordnung der Widerklage und ihre Vorteile
Hat eine verklagte Partei eigene Ansprüche gegen den Kläger so muss sie überlegen, ob sie Zurückbehaltungsrechte ausübt, die Aufrechnung erklärt oder zum Gegenangriff im Wege der Widerklage übergeht. Dabei stellt die Widerklage kein Verteidigungs- oder Angriffsmittel dar (hier wird ja ein neuer Streitgegenstand in den Prozess eingeführt), sondern ist ein eigener Angriff! Die Zurückweisung verspäteten Vorbringens nach §§ 296, 296a, 530 kommt daher nicht in Betracht.
Für den Widerkläger ist die Widerklage insbesondere daher vorteilhaft, da die Gebühren - infolge der Gebührenregression - geringer ausfallen. Zudem muss ein Vorschuss auf die Verfahrensgebühr gem. § 12 II Nr. 1 GKG nicht entrichtet werden. Auch wird im Rahmen der Widerklage ein zusätzlicher Gerichtsstand gemäß § 33 ZPO begründet. Einen weiteren praktischen Vorteil für den Widerkläger stellt es dar, dass er seine Gegenansprüche in einem Rutsch mit der gegen ihn gerichteten Klage geltend machen kann (Prozessökonomie). Dies führt in der Regel zu einer schnelleren Realisierung seiner Rechte. Auch verhindert die gemeinsame Entscheidung über zusammenhängende Ansprüche divergierende Entscheidungen. Damit dient die Widerklage nicht zuletzt dem Rechtsfrieden.
Die Widerklage ist im Gesetz nur partiell geregelt (§ 33 ZPO).
B Erläuterndes Prüfungsschema
I Ordnungsgemäße Klageerhebung
Da die Widerklage eine Klage darstellt, müssen die §§ 253 I, II, 261 II ZPO berücksichtigt werden. Hier gilt jedoch die Besonderheit, dass die Widerklage auch in der mündlichen Verhandlung - so beispielsweise durch Verlesung des Antrags - erhoben werden kann.
II Örtliche Zuständigkeit
Die örtliche Zuständigkeit bestimmt sich nach den allgemeinen Regelungen. Bei der Widerklage kommt jedoch noch der besondere Gerichtsstand aus § 33 ZPO in Betracht.
Damit § 33 angenommen werden kann, muss Konnexität vorliegen. Notwendig ist demnach ein Zusammenhang zwischen Klage und Widerklage. Notwendig ist hierbei ein rechtlicher oder tatsächlicher Zusammenhang (Vgl. § 145 II ZPO). Als Faustregel kann man sich hier an den bekannten Grundsätzen zu § 273 BGB orientieren, wobei zu beachten ist, dass die Konnexität i.S.d. § 33 ZPO weiter auszulegen ist. Das Erfordernis der Konnexität ist großzügig zu handhaben. Der Zusammenhang kann sich auch aus dem Zusammenhang mit den Angriffs- oder Verteidigungsmitteln ergeben.
Hinweis
Ist das angerufene Gericht schon aufgrund anderer Vorschriften zuständig, so kommt es auf § 33 an dieser Stelle gar nicht erst an.
III Sachliche Zuständigkeit
Auch die sachliche Zuständigkeit richtet sich nach den allgemeinen Regelungen. Bezüglich des Zuständigkeitsstreitwerts werden gemäß § 5 Satz 2 ZPO Zuständigkeitswerte von Klage und Widerklage nicht addiert.
Hier muss differenziert werden. Gehören beide Klagen zur Zuständigkeit des Amtsgerichts bestehen keine besonderen Probleme. Gehört die Widerklage eigentlich zur Zuständigkeit des Landgerichts, muss eine Belehrung nach § 506 ZPO erfolgen. Stellt eine Partei sodann den Antrag auf Verweisung, wird verwiesen. Wird kein Antrag auf Verweisung gestellt, so liegt zuständigkeitsbegründendes rügeloses Einlassen gem. § 39 ZPO vor.
Liegt eine ausschließliche Zuständigkeit der Widerklage zu einem anderen Gericht als dem Gericht der Hauptklage vor, so kann die Zuständigkeit auch nicht durch rügelose Einlassung begründet werden.
Wird wiederum vor dem Landgericht eine Widerklage erhoben, die zur Zuständigkeit des Amtsgerichts gehören würde, so darf das Landgericht auch über die Widerklage entscheiden.
IV Anderweitige Rechtshängigkeit
Die Widerklage darf nicht gem. § 261 III Nr. 1 ZPO anderweitig rechtshängig sein. Dabei ist eine Teilidentität der Streitgegenstände jedoch unschädlich. Unzulässig ist jedoch eine reine Negation des Klageantrags.
V Besondere Voraussetzungen der Widerklage
Die Klage muss schon und noch rechtshängig sein. Unschädlich ist jedoch, wenn die Rechtshängigkeit der Klage erst nach Erhebung der Widerklage wegfällt. In der Berufungsinstanz sind Besonderheiten aus § 533 Abs. 1 zu berücksichtigen. Neuer Tatsachenvortrag kann nur eingeschränkt eingebracht werden und der Gegner muss in die Erhebung einwilligen oder es muss Sachdienlichkeit vorliegen. In der Revisionsinstanz kann die Widerklage nicht mehr erhoben werden.
VI Ausschluss
Die Widerklage kann aufgrund der Besonderheiten der Prozessart ausgeschlossen sein. So kommt eine Erhebung der Widerklage im Urkundenprozess gem. § 595 I ZPO nicht in Betracht.
VII Parteiidentität
Die Widerklage muss auch zwischen denselben Parteien wie die Klage erfolgen. Die sog. Drittwiderklage stellt insoweit eine Ausnahme dar. In solchen Konstellationen sind sodann noch besondere Anforderungen zu berücksichtigen.
VIII Konnexität
Ob der oben skizzierte rechtliche Zusammenhang im Sinne von § 33 eine besondere Prozessvoraussetzung der Widerklage darstellt, ist seit langer Zeit umstritten. Nach Literaturansicht stellt § 33 (nur) einen besonderen örtlichen Gerichtsstand dar.
Die Rechtsprechung verlangt die Konnexität als besondere Prozessvoraussetzung.
Auf den Streit muss nur eingegangen werden, wenn die Konnexität fehlt und keine Heilung nach den § 39 bzw. §295 ZPO eingetreten ist.
Hinweis
Fehlt eine der Voraussetzungen, so kommt es in der Regel zu einer Abtrennung und Behandlung als eigenständiger Klage.