Pauschalreisevertrag statt Reisevertrag
Es war einmal das Reiserecht, mit Umsetzung der europäischen Richtlinie 2015/2302 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2015 über Pauschalreisen und verbundene Reiseleistungen durch das Dritte Gesetz zur Änderung reisevertraglicher Vorschriften, wurde das Reiserecht zum Pauschalreiserecht.
Daher sollte in der Klausur nun nicht vom Reisevertrag, sondern vom Pauschalreisevertrag gesprochen werden.
Wo sind die neuen Vorschriften zu finden?
Im Zuge dieser Reform wurden die Vorschriften über das Pauschalreiserecht neu gefasst. Bisher waren es 13 Normen, die das Reiserecht regelten, das Pauschalreiserecht wird künftig in 25 Vorschriften (§ 651a – 651y) geregelt.
Charakter des Pauschalreisevertrags und zentrales Anliegen der Gesetzesreform?
Das Pauschalreiserecht ist eine besondere Ausprägung des Werkvertrags und daher mit diesem verwandt. Aufgrund der vielen Besonderheiten, die mit einer Reise verbunden sind, wurde der Reisevertrag gesondert geregelt.
Das sogenannte Individualreiserecht - also diejenigen Reisen, die gerade nicht unter die Vorschriften des Pauschalreisevertragsrechts fallen - sind daher nach den §§ 631ff. zu prüfen
Besonderes Anliegen der aktuellen Reform ist das Reiserecht an die neuen Entwicklungen anzupassen; insbesondere an die Möglichkeiten der Onlinebuchung.
Art der Umsetzung der Richtlinie?
Die Richtlinie war vollharmonisierend umzusetzen. D.h. zum einen, dass die Vorgaben der Richtlinie nicht unterschritten werden durften und zugleich kein überschießender Schutz des Reisenden erfolgen durfte soweit die Richtlinie greift.
Gelten die §§ 280ff. ohne weiteres im Pauschalreisevertragsrecht?
Nein! Die Regelungen des Pauschalreisevertragsrechts bilden eine überwiegend in sich geschlossene Materie und verdrängen damit die Vorschriften aus dem allgemeinen Leistungsstörungsrecht. Das Deliktsrecht ist grds. ohne Einschränkungen neben dem Pauschalreisevertragsrecht anwendbar.
Wie wird ein Pauschalreisevertrag geschlossen?
Grundsätzlich nach den allgemeinen Regelungen.
Was schuldet der Reiseveranstalter, was der Reisende nach dem Pauschalreisevertragsrecht?
Gemäß § 651a Abs. 1 Satz 1, schuldet der Unternehmer (Reiseveranstalter) die Verschaffung einer Pauschalreise. Wie bereits aus dem Reiserecht bekannt, wird hier ein sog. Leistungsbündel geschuldet. § 651a Abs.1 Satz 2 regelt die Pflicht des Reisenden zur Zahlung des Reisepreises.
Wann liegt eine Gesamtheit von Reiseleistungen vor?
Hier hilft § 651a Abs. 2 und Abs. 3 weiter. Gefordert werden zwei verschiedene Arten von Reiseleistungen für den Zweck derselben Reise. Ließ zudem die Besonderheiten aus Abs. 2 Satz 2 Nummer 1 und Nummer 2.
Abs. 3 erklärt sodann was unter den Reiseleistungen im Sinne dieses Gesetzes zu verstehen ist. Ließ an dieser Stelle Abs. 3 Satz 1 Nummer 1-4 der Vorschrift.
Abs. 5 regelt sodann wann ausnahmsweise nicht von einer Pauschalreise ausgegangen werden kann.
Kommt ausnahmsweise eine analoge Anwendung des Pauschalreisevertragsrechts in Betracht, wenn nur eine einzelne Reiseleistung erbracht wurde?
Dies wurde vor der Änderung des Reiserechts von der Rechtsprechung vertreten, wenn eine der Pauschalreise vergleichbare Situation vorlag. Von der Übertragung der Rechtsprechung auf die neue Rechtslage ist jedoch nicht auszugehen. Der Gesetzgeber hat sich in der Begründung bewusst gegen eine solche Regelung ausgesprochen. Demnach kann eine planwidrige Regelungslücke nicht mehr angenommen werden.
Schützt das Pauschalreisevertragsrecht nur Verbraucher?
Nein! Es schützt Reisende. Die Verbrauchereigenschaft ist für die Anwendung der pauschalreisevertragsrechtlichen Regelungen gerade nicht notwendig. Allerdings kann nur ein Unternehmer im Sinne von § 14 BGB Reiseveranstalter sein.
Ab wann gelten die Regeln über das Pauschalreisevertragsrechts?
Diese gelten grundsätzlich ab Vertragsschluss und gerade nicht ab Antritt der Reise. Die neuen Regelungen gelten für alle Verträge, die nach dem 30.6.2018 geschlossen wurden. Dies ergibt sich aus Art. 229 § 42 EGBGB.
Wer ist Reiseveranstalter?
Reiseveranstalter ist grundsätzlich derjenige, der die geschuldete Pauschalreise in eigener Verantwortung - gegebenenfalls unter Einsatz weiterer Leistungserbringer - verschafft.
Wovon ist der Reiseveranstalter abzugrenzen?
Der Reiseveranstalter ist vom Reisevermittler abzugrenzen. Der Reisevermittler ist typischerweise für die Beratung und den Abschluss des Pauschalreisevertrags als Vertreter zuständig und schuldet in Abgrenzung zum Reiseveranstalter gerade nicht die Verschaffung der Reise. Beachte hierzu § 651v. Beachte zudem ergänzend zur Abgrenzung zwischen Reiseveranstalter und Reisevermittler § 651b. Diese Norm erweitert den Begriff des Reiseveranstalters nicht unerheblich.
In der Vermittlung der Reise ist nach herrschender Meinung eine Geschäftsbesorgung zu sehen. Kommt es hier zu Pflichtverletzungen, ist ein eigener Schadensersatzanspruch gegen den Reisevermittler (in der Regel das Reisebüro) zu prüfen. Dies zum Beispiel, wenn eine falsche Abflugzeit mitgeteilt wird.
Wer ist Reisender?
Reisender ist grundsätzlich der Vertragspartner des Reiseveranstalters. Häufig reist der Reisende jedoch nicht allein, sondern nimmt Dritte mit, für die er auch die Buchung durchführt. Hier stellt sich bei Komplikationen stets die Frage welche Rechte den Mitreisenden zustehen.
Das kommt darauf an, welche Konstellation dem Vertrag zugrunde liegt. Im Einzelfall kann eine Stellvertretung vorliegen. Dies gilt es anhand der Voraussetzungen sauber zu prüfen. Auch kann die Auslegung ergeben, dass ein Vertrag zugunsten Dritter anzunehmen ist. Ob ein solcher vorliegt, ist im Rahmen der Auslegung nach § 328 Abs. 2 und ergänzend §§ 133, 157 zu prüfen. Hier gilt es zu fragen, ob dem Dritten das Recht zustehen soll die Leistung eigenständig zu fordern. Dies wird regelmäßig zu bejahen sein. Im Einzelfall (so zum Beispiel bei Minderjährigen) kann die Auslegung auch ergeben, dass bloß ein Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter anzunehmen ist.
Alles in allem sind diese Konstellationen stets sauber im Wege der Auslegung zu prüfen.
Wer ist Leistungserbringer?
Leistungserbringer sind diejenigen, derer sich der Reiseveranstalter bedient, um die Pauschalreise wie geschuldet zu verschaffen. Es besteht demnach (nur) ein Vertrag zwischen dem Leistungserbringer und dem Reiseveranstalter.
Der Vertrag kann jedoch Wirkung zugunsten des Reisenden entfalten. So zum Beispiel wie in unserem Falltraining im Klausurencrashkurs, als die Fluggesellschaft dem Reisenden die Leistung in Gestalt des Rückflugs verweigern wollte, weil der Reiseveranstalter nicht gezahlt hat. Hier war ein Vertrag zugunsten Dritter anzunehmen. Sodann war im Rahmen der Durchsetzbarkeit des Anspruchs § 320 über § 334 zu prüfen. Da im vorliegenden Fall jedoch eine Vorleistungspflicht besteht, konnte auf § 320 nicht abgestellt werden. Doch war auch ein Vorgehen über § 321 im Ergebnis nicht erfolgreich. In der vorliegenden Konstellation ist von der teleologischen Reduktion von § 334 oder einer stillschweigenden Bedingung der Norm auszugehen. Dies wird insbesondere damit begründet, dass der Reisende schutzwürdig ist und es dem Leistungserbringer frei steht Insolvenzrisiken durch vertragliche Gestaltungen mit dem Reiseveranstalter zu vermeiden.
Leistungserbringer sind regelmäßig als Erfüllungsgehilfen (§ 278) des Reiseveranstalters anzusehen. Diese werden mit Wissen und Wollen des Reiseveranstalters in dessen Pflichtenkreis tätig. Die Eigenschaft als Verrichtungsgehilfen ist jedoch regelmäßig abzulehnen. Das Hotel oder die Fluggesellschaft sind i.d.R. nicht weisungsgebunden und unterfallen damit nicht § 831.
Ist ein Rücktritt vom Reisevertrag möglich?
Diese Möglichkeit eröffnet § 651h. So kann der Reisende vor Reisebeginn jederzeit und ohne Grund zurücktreten. Sodann verliert der Reiseveranstalter gemäß § 651h Abs. 1 Satz 2 den Anspruch auf den Reisepreis, kann jedoch in der Regel eine angemessene Entschädigung verlangen. Abs. 2 der Vorschrift stellt klar, dass angemessene Pauschalen in vorformulierten Vertragsbedingungen vereinbart werden können. Abs. 3 stellt sodann klar wann eine Entschädigung nicht zu leisten ist. Eine gesonderte Regelung zur Kündigung wegen höherer Gewalt im engeren Sinne - wie sie noch in § 651j a.F. vorgesehen war - existiert so nicht mehr.
Abs. 4 der Vorschrift regelt sodann diejenigen Fälle, in denen ein Reiseveranstalter vor Reiseantritt vom Vertrag zurücktreten darf.
Kann ein Reisevertrag auf einen anderen übertragen werden?
Eine solche Möglichkeit eröffnet § 651e. Hier ist auch ohne Zustimmung des Reiseveranstalters die Möglichkeit einer Vertragsübernahme geregelt. § 651e Abs. 3 ordnet sodann jedoch an, dass der alte und der neue Schuldner als Gesamtschuldner für die Verbindlichkeiten aus dem Vertrag aufkommen.
In welche Vorschrift schaue ich, wenn ein Mangel der Reise in Betracht kommt?
Sodann ist in § 651i nachzusehen. Wer sich hier an § 437 oder § 634 erinnert fühlt liegt richtig. Das Pauschalreisevertragsrecht wurde an das reformierte Schuldrecht angepasst. So wurde die Terminologie (nicht mehr Fehler und zugesicherte Eigenschaft) dem neuen Schuldrecht angepasst und eine zentrale Vorschrift, welche die Rechte des Reisenden bei Mängeln aufzählt geschaffen.
Wann ein Mangel angenommen werden kann und welche Rechte sich für den Reisenden ergeben schauen wir uns – neben einigen weiteren Fragen - im nächsten Beitrag an.