§ 254 BGB stellt klar, dass ein Verschulden des Geschädigten und Gläubigers zu einer Anspruchskürzung oder einem Anspruchsausschluss führen kann. Dabei ist der Begriff des Verschuldens nicht unmittelbar den §§ 276 ff. BGB zu entnehmen. Diese Vorschriften regeln kein „Gläubigerverschulden“. Der Anknüpfungspunkt für das „Verschulden“ ist nicht als Pflicht, sondern vielmehr als eine Obliegenheit des Geschädigten zu verstehen; d.h., den Geschädigten treffen keine Pflichten gegenüber dem Schädiger, er muss sich jedoch bei Verletzung seiner Obliegenheiten mit einer Kürzung seines Ersatzanspruchs abfinden. Häufig wird in diesem Zusammenhang vom sog. „Verschulden gegen sich selbst gesprochen“.
Obwohl die Vorschriften der §§ 276 ff. BGB keine unmittelbare Anwendung finden, sind die Grundsätze bei der Bewertung des Verschuldens heranzuziehen. Kann eine Obliegenheit festgestellt werden, gegen die verstoßen wurde, so ist der schuldhafte Verstoß hiergegen nach objektiven Maßstäben i.S.d. §§ 276 ff. BGB – also wie gewohnt – vorzunehmen. Liegen Vorsatz oder Fahrlässigkeit vor, so ist in geeigneten Fällen noch die Zurechnungsfähigkeit nach den §§ 827 ff. BGB zu prüfen. Die Obliegenheitsverletzung muss ferner adäquat kausal für das Ausmaß oder die Entstehung des Schadens sein. Hier kann die Berücksichtigung bestimmter Umstände z.B. aufgrund des Schutzzwecks der Norm ausgeschlossen sein. Bei juristischen Personen ist auf § 31 (analog) BGB abzustellen.
Hinweis
Eine Anspruchskürzung kommt auch ohne Verschulden in Betracht. So muss sich der Geschädigte ggf. die eigentümliche Gefahr seines Kfz oder Tieres unabhängig vom Verschulden anspruchsmindernd entgegenhalten lassen. Damit sollte in der Klausur in Bereichen der Gefährdungshaftung stets an ein verschuldensunabhängiges Mitverschulden gedacht werden.
Sodann wollen wir noch kurz klären wie das Verschulden Dritter zu berücksichtigen ist. Für die juristische Person hatten wir oben schon auf § 31 analog BGB hingewiesen (Organverschulkden ist eigenes Verschulden). Ergänzend findet nach herrschender Ansicht § 831 analog BGB (Entlastungsmöglichkeit berücksichtigen) Anwendung. Im Zusammenhang mit § 278 BGB, welcher über § 254 II 2 BGB entsprechend in Bezug genommen wird, sollte man sich merken, dass dieser trotz der Verortung der Regelung nicht nur für Abs. 2 sondern auch für Abs. 1 gilt.
Hinweis
254 II 2 BGB ist damit wie ein Abs. 3 zu lesen und die Verortung ein Redaktionsversehen des Gesetzgebers.
Nach herrschender Ansicht handelt es sich bei dem Verweis auf § 278 BGB um einen Rechtsgrundverweis. Die Gegenansicht kann in der Klausur insbesondere mit dem Argument verworfen werden, dass es nicht einzusehen ist, warum der Geschädigte sich das Verhalten von Dritten immer anrechnen lassen soll, der Schädiger jedoch nur im Fall einer bestehenden Sonderverbindung.
Liegt ein Mitverschulden des Geschädigten vor, so kann dies zu einer Kürzung oder sogar zum Ausschluss des Anspruchs auf Schadensersatz führen. In der Klausur ist eine umfassende Abwägung des Einzelfalls vorzunehmen. Zunächst sind alle relevanten Beiträge der jeweiligen Parteien zu ermitteln und zu gewichten. Eine besondere Bedeutung kommt dem Verschuldensgrad zu. Fahrlässiges Verhalten tritt grundsätzlich hinter vorsätzliches Verhalten zurück. Auch wiegt grobe Fahrlässigkeit schwerer als einfache Fahrlässigkeit und einfache Fahrlässigkeit in der Regel schwerer als der aus der Gefährdungshaftung abgeleitete Beitrag.
In der Klausur sollten die relevanten Anknüpfungspunkte vollständig ermittelt werden und eine nachvollziehbare und in sich schlüssige Abwägung vorgenommen werden. Sodann sollte eine Quote gebildet werden. Dies zeigt Praxistauglichkeit und wird in der Klausur regelmäßig erwartet. Häufig bleibt ein Verantwortlichkeitsbeitrag einer Partei von unter 20 % außer Betracht.