Die Rügeobliegenheit nach § 377 HGB greift nur im Fall des beiderseitigen Handelskaufs. Demnach müssen zwei Kaufmänner betroffen sein.
Dies bedeutet jedoch nicht automatisch, dass eine Rügeobliegenheit aus anderen Gründen nicht besteht. Daher sollte die Prüfung nicht zu vorschnell abgebrochen werden. In einer solchen Konstellation ist insbesondere an § 242 zu denken. In Ausnahmefällen kann sich gerade auch aus dieser Vorschrift eine Rügeobliegenheit ergeben.
So musste der BGH in seinem Urteil vom 2.7.2019 VIII ZR 74/18 (NJW – RR 2019-1202) entscheiden, ob der durch einen Landwirt gelieferte Most (der Landwirt hatte nicht von der Möglichkeit nach § 3 II HGB i.V.m. § 2 HGB gebraucht gemacht) sofort untersucht werden muss und ob etwaige Mängel sofort mitgeteilt werden müssen. Der Käufer war hier ein Winzer und Kaufmann nach § 1 HGB.
In dieser Konstellation hat der BGH die Rügeobliegenheit § 242 entnommen. Beim gelieferten Most handelt es sich um ein Produkt, dessen Beschaffenheit sich täglich – unter anderem durch Oxidation – verändert. Das Produkt ist zudem zur Weiterverarbeitung bestimmt. Es unterliegt damit vielen Einflüssen, welche die Nachvollziehbarkeit eines Mangels im späteren Zeitpunkt fast unmöglich machen. Aufgrund der besonderen Beweisproblematik und der sensiblen Ware ist dem Käufer daher zuzumuten die Ware bei Ablieferung und vor Abladung zu untersuchen und Proben zu entnehmen. Etwaige Mängel sind sodann sofort anzuzeigen.
Kommt der Käufer dieser Obliegenheit nicht nach, kann er grundsätzlich keine Mängelrechte geltend machen. Eine andere Beurteilung kann sich auf Wertungsebene nur im Fall der Arglist ergeben. In diesem Zusammenhang kann auch die Wertung aus § 377 Abs. 5 HGB herangezogen werden.