Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG regelt, dass die Bundestagsabgeordneten „an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen“ seien. In den Ländern und auf kommunaler Ebene gelten gleichlautende oder zumindest ähnliche Bestimmungen. Aus dieser Bestimmung ergibt sich das sog. „Freie Mandat“. Dies bedeutet, dass Abgeordnete nicht nach Weisungen anderer, weder der Wählerschaft noch ihrer Fraktion, handeln müssen, sondern selbst und ungezwungen entscheiden, was sie für richtig halten und wie sie sich entscheiden. Gestützt wird das freie Mandat durch die Immunität und Indemnität aus Art. 46 GG.
Demnach obläge es allein den Abgeordneten zu entscheiden, ob sie für oder gegen etwas stimmen. Andererseits muss es in der parlamentarischen Demokratie aber auch eine gewisse Verlässlichkeit geben und die Regierung muss, um handlungsfähig bleiben zu können, davon ausgehen in der Regel die Mehrheit der Parlamentarier hinter sich zu haben. Gesetzesvorhaben benötigen Mehrheiten, wobei oftmals nicht bei allen Abgeordneten das gleiche Maß an Fachwissen vorhanden ist. Schließlich hat man sich ja auch zu Fraktionen zusammengeschlossen, weil man im Grunde und normalerweise die gleichen Ansichten vertritt. Diese Notwendigkeiten und Gegebenheiten kollidieren mit dem freien Mandat. Daher ist es zulässig, das Abstimmungsverhalten nicht völlig unkontrolliert zu lassen, dies hat auch das BVerfG bestätigt (BVerfGE 88, 188 [218]).
Erlaubt ist es, an den einzelnen Parlamentarier zu appellieren, auf eine gemeinsame Ausrichtung zu verweisen und ihm oder ihr „ins Gewissen zu reden“. Dies kann im Rahmen von Fraktionssitzungen zu gehen, wo auch etwa Probeabstimmungen durchgeführt werden können verbunden mit dem Aufruf sich auch bei der wirklichen Abstimmung sich an die gemeinsame Linie zu halten. Es kann sogar so weit gehen, dass jemand am Ende aus der Fraktion ausgeschlossen wird, wenn er oder sie häufiger gegen deren Vorgaben verstößt. Dies wird als „Fraktionsdisziplin“ bezeichnet und ist mit dem freien Mandat vereinbar.
Ein Fraktionszwang jedoch ist verfassungswidrig. Dies betrifft Strafzahlungen, den Entzug oder die Versagung von Ausschusssitzen, oder andere Druckmittel. Die konkrete Grenzziehung kann im Einzelfall schwierig sein, noch problematischer wird sich aber immer die Beweisbarkeit des Vorgehens darstellen. Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG ist kein grundrechtsgleiches Recht (Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG ist insofern missverständlich formuliert), allerdings können Abgeordnete eine Verletzung des freien Mandats im Rahmen eines Organstreitverfahrens geltend machen.