Die Fraktion „Die Linke“ im Bundestag (Fraktion DIE LINKE. im Bundestag, auch Linksfraktion genannt) hat am 14. November 2023 beschlossen, die Fraktion zum 6. Dezember 2023 aufzulösen. Bei der Linken kam es zu diesem Schritt, nachdem vor gut drei Wochen insgesamt zehn Abgeordnete um die frühere Fraktionschefin Sahra Wagenknecht ihren Austritt aus der Partei erklärt hatten und ankündigten, eine neue Partei mit dem Namen „Bündnis Sahra Wagenknecht“ gründen zu wollen, so dass die Fraktion nicht mehr über ausreichend Sitze für den Status als Fraktion verfügte. Die verbleibenden 28 Bundestagsabgeordneten der Linken reichen nicht aus, um den Fraktionsstatus zu halten - dafür wären in der aktuellen Gesetzgebungsperiode mindestens 37 Abgeordnete notwendig. Die Linke wird künftig als Gruppe fungieren.
Im Vorfeld hatte es über Monate Unstimmigkeiten gegeben. So gab es Gedankenspiele zu einem Fraktions- oder auch Parteiausschlussverfahren. Der - gesetzlich nicht geregelte - Fraktionsausschluss stellt sich als erheblicher Eingriff in das freie Mandat nach Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG des Abgeordneten dar, deshalb steht die Entscheidung einer Fraktion bzgl. des Ausschlusses eines Fraktionsmitglieds nicht im Belieben der Fraktion, sondern sie setzt unter Berücksichtigung rechtsstaatlicher und demokratischer Verfahrensregeln (formelle Voraussetzung) einen willkürfreien und auf einen wichtigen Grund beruhenden Beschluss (materielle Voraussetzung) der Fraktionsversammlung voraus. Doch auch dann - und auch bei Austritt – dürfen die Abgeordneten ihr Mandat behalten.
Dass sich eine Fraktion im Deutschen Bundestag während einer laufenden Legislaturperiode auflöst, hat es laut Bundestagsverwaltung seit den 60er-Jahren nicht gegeben. Dem Beschluss zur Selbstauflösung war ein langes Ringen um das Vorgehen vorangegangen. Schon bei der Vorstellung zu den Plänen für ihre neue Partei hatte Wagenknecht betont, dass sie und ihre Mitstreiter Anträge gestellt hätten, um trotz des Parteiaustritts zunächst als Mitglieder in der Fraktion bleiben zu können. Wagenknecht betonte, dass man den Fraktionsmitarbeitern, die nach dem Verlust des Fraktionsstatus der Linken ihre Stellung verlieren werden, die längstmögliche Zeit geben wolle, sich auf die berufliche Veränderung vorzubereiten. Dieses Konstrukt wäre maximal bis zur formalen Gründung der angekündigten neuen Partei möglich gewesen, also Januar 2024. Danach hätte die Fraktion auf jeden Fall aufgelöst werden müssen.
Fraktionen sind nach § 10 Abs. 1 S. 1 GeschOBT Vereinigungen von mindestens fünf von Hundert der Mitglieder des Bundestages, die derselben Partei oder solchen Parteien angehören, die auf Grund gleichgerichteter Ziele in keinem Land miteinander im Wettbewerb stehen. So können etwa CDU und CSU eine gemeinsame Fraktion bilden. Fraktionen sind rechtsfähige Vereinigungen von Abgeordneten, § 46 Abs. 1 AbgG. Sie können im eigenen Namen klagen und verklagt werden, § 46 Abs. 2 AbgG, und üben keine öffentliche Gewalt aus, § 46 Abs. 3 AbgG.
Fraktionen sind parteibezogene Untergliederungen des Bundestages und damit nicht Teil der jeweiligen Partei, wenn sie auch politisch und personell eng verbunden sind. Es handelt sich um öffentlich-rechtliche Vereinigungen, die staatliche Leistungen aus dem Haushalt des Bundestages erhalten. Parteien hingegen gehören dem politisch-gesellschaftlichen Bereich an. Sie sind privatrechtlich organisiert und erhalten staatliche Leistungen im Wege der Teilfinanzierung für ihre Teilnahme an Parlamentswahlen.
Neben finanziellen Vorteilen und auch einer eigenen Geschäftsstelle haben Fraktionen bessere Mitwirkungsrechte im Bundestag: So etwa das Initiativrecht: Fraktionen können Gesetzentwürfe nach § 76 Abs. 1 GG i.V.m. § 75 Abs. 1 Buchst. a i.V.m. § 76 GeschOBT und Anträge auf Änderung von Gesetzesentwürfen in der Dritten Lesung, § 85 Abs. 1 GeschOBT, einbringen. Fraktionen dürfen über § 89 GeschOBT den Vermittlungsausschuss anrufen und gem. § 75 Abs. 1 Buchst. f i.V.m. § 76 GeschOBT große Anfragen stellen. Dies alles verliert Die Linke nun.