Das OLG Düsseldorf (NStZ 2017, 177) hat das zur Überraschung vieler bejaht. Zunächst einmal aber: was ist unter einer "Fernwirkung" zu verstehen?
Eine "Fernwirkung" setzt voraus, dass bezüglich einzelner Beweise ein Beweisverwertungsverbot angenommen werden kann, weil z.B. die Beweiserhebung rechtswidrig war. So hatte das OLG zu Recht eine Durchsuchung, die fehelerhaft auf "Gefahr im Verzug" gestützt und ohne Einschaltung eines Richters durchgeführt wurde, als rechtswidrig angesehen. Nun folgt aus einer rechtswidrigen Beweisgewinnung noch nicht zwingend ein Beweisverwertungsverbot. Ein solches wird nur bei schwerwiegenden, bewussten oder willkürlichen Verstößen angenommen, wobei der Gedanke des rechtmäßigen hypothetischen Alternativverhaltens zu berücksichtigen ist. Wir haben uns damit bereits ausführlich bei BGH und Co auseinandergesetzt. Im vorliegenden Fall musste aber ein solches Beweisverwertungsverbot angenommen werden. In dem Verfahren gegen den Angeklagte wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln (hier: Haschischplantage in der Wohnung) waren also die in der Wohnung aufgefundenen Pflanzen und Drogen sowie die Eindrücke der Polizeibeamten nicht verwertbar.
Nun war aber unmittelbar nach Eindringen in die Wohnung der Beschuldigte ordnungsgemäß belehrt und vernommen worden und hatte sich geständig eingelassen. Damit sind wir bei der "Fernwirkung": darf diese Einlassung als Beweismittel verwertet werden oder erstreckt sich das Beweisverwertungsverbot auch darauf, wirkt es also "in der Ferne"?
Das OLG hat entgegen der bisherigen Rechtsprechung des BGH eine solche Fernwirkung angenommen:
"Eine Fernwirkung von Beweisverwertungsverboten in dem Sinne, dass neben der Verwertung der unmittelbar unter Verstoß gegen ein Beweiserhebungsverbot erlangten Informationen auch die Verwertung aller weiteren Beweismittel verboten ist, die aufgrund solcher Informationen erlangt worden sind, wird in der Rspr. zwar grundsätzlich verneint. Ein Verfahrensfehler, der ein Verwertungsverbot für ein Beweismittel bewirkt, darf nicht ohne weiteres dazu führen, dass das gesamte Strafverfahren „lahmgelegt“ wird. Die Grenzen richten sich jeweils nach der Sachlage und der Art des Verbots (vgl. OLG Köln Beschl. v. 10.11.2000 – Ss 462/00 Z, Ss 462/00 -, Rn. 10, juris, mwN - Anmerkung der Richters am BGH Prof. Dr. Radke in NStZ 2017, 180 dazu, wonach der BGH gerade diese Frage nicht tragend entschienden habe). Hiernach wären die nach ordnungsgemäßer Belehrung des Angekl. von ihm gemachten Angaben grundsätzlich verwertbar. Dem stehen jedoch die Besonderheiten dieses Falles entgegen. Ein Beweisverwertungsverbot ist in der Rspr. etwa angenommen worden für Bekundungen von Beschuldigten, die unter dem Eindruck des Vorhalts von unzulässig gewonnenen Erkenntnissen aus einer Telefonüberwachung gemacht worden sind (vgl. BGH Urt. v. 24.8.1983 – 3 StR 136/83 -, juris, Rn. 10; OLG Köln aaO, Rn. 12). Damit zu vergleichen ist die hiesige Situation, in der der Angekl. Angaben zur Sache gemacht hat. Die Vernehmung des Angeklagten wurde noch im Rahmen der Durchsuchung seiner Wohnung und unter dem Eindruck der dabei in unzulässiger Weise gewonnenen Erkenntnisse durchgeführt. Der sich offensichtlich als überführt ansehende Angekl. hatte keinen Anlass, von seinem Recht auf Schweigen Gebrauch zu machen, zumal er nicht wissen konnte, dass die vorgefundenen Beweismittel unverwertbar waren. Für ihn bestand ein Zustand, in dem Leugnen oder Schweigen sinnlos war angesichts der Tatsache, dass sich die Polizeibeamten in seiner Wohnung befanden und die unerlaubt angebauten Marihuanapflanzen bereits entdeckt hatten."